OGH 10ObS126/23m

OGH10ObS126/23m21.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Nowotny als Vorsitzenden und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Annerl als weitere Richter (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei V*, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Alterspension, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. August 2023, GZ 10 Rs 70/23 x‑27, in nicht-öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00126.23M.1121.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

1. Die als Rekurs zu wertenden Eingaben der klagenden Partei vom 12. September 2023 (ON 28) und vom 19. September 2023 (ON 31 und 32) werden zurückgewiesen.

2. Die klagende Partei wird darauf hingewiesen, dass jeder weitere von ihr eingebrachte Schriftsatz, der aus verworrenen, unklaren, sinn‑ oder zwecklosen Ausführungen besteht und ein Begehren nicht erkennen lässt oder sich in der Wiederholung bereits erledigter Streitpunkte oder schon vorgebrachter Behauptungen erschöpft, ohne inhaltliche Behandlung und Verbesserungsversuch zu den Akten genommen wird (§ 86a Abs 2 letzter Satz iVm Abs 1 letzter Satz ZPO).

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Pensionsversicherungsanstalt zur Zahlung einer Alterspension ab dem 1. Februar 2022 in näher bestimmter Höhe und wies das auf Gewährung einer höheren Alterspension gerichtete Mehrbegehren ab.

[2] Das Berufungsgericht wies die als Berufung gewertete Eingabe vom 26. Juni 2023 (ON 22) zurück. Das Rechtsmittel des Klägers trage – trotz Aufforderung des Erstgerichts samt Hinweises auf die Säumnisfolgen – keine Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt oder einer sonst dazu nach § 40 ASGG qualifizierten Person.

[3] In der dem Kläger mit dem Beschluss des Berufungsgerichts zugestellten Rechtsmittelbelehrung wurde der Kläger darüber in Kenntnis gesetzt, dass ein Rekurs von einer Rechtsanwältin/einem Rechtsanwalt „oder von einer/einem hiezu befugten Funktionärin/Funktionär oder Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer ihrer gesetzlichen Interessenvertretung (zB Kammer der gewerblichen Wirtschaft oder Arbeiterkammer) oder freiwilligen kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung (zB ÖGB)“ unterschrieben sein müsse.

[4] Mit am 12. September 2023 zur Post gegebener, (nur) von ihm unterfertigter und vom Erstgericht als Rekurs gewerteter Eingabe vom selben Tag (ON 28) führte der Kläger sinngemäß zusammengefasst aus, dass das „Sozialgericht“ eine gesetzmäßige Berechnung seiner Pension vornehmen solle.

[5] Mit am 22. und 25. September 2023 zur Post gegebenen und (nur) vom Kläger unterfertigten Eingaben vom 19. September 2023 (ON 31 und 32) führte der Kläger darüber hinaus zusammengefasst sinngemäß und unter Bezugnahme auf die Eingabe vom 12. September 2023 (ON 28) aus, dass er den am 12. September 2023 erhaltenen „Abweisungsbescheid“ (anhand des Zustelldatums erkennbar: den Beschluss des Berufungsgerichts) nicht akzeptieren könne. Man habe von ihm verlangt, einen Anwalt oder eine qualifizierte Person zu bevollmächtigen, obwohl (gemeint wohl:) das Erstgericht gewusst habe, dass „das niemand annehmen will“, wenn er das Ersturteil sehe und seine Beweise, und „niemand möchte Probleme“.

[6] Mit dem Kläger am 27. September 2023 zugestelltem Beschluss vom 22. September 2023 (ON 30) stellte das Erstgericht dem Kläger die Eingabe vom 12. September 2023 (ON 28) zur Verbesserung binnen 14 Tagen zurück. Sollte der Kläger mit dieser Eingabe die Absicht haben, gegen den Beschluss des Berufungsgerichts Rekurs zu erheben, sei die Eingabe durch Unterschrift durch eine der in der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses des Berufungsgerichts genannten Person sowie durch Einbringung einer Rekursschrift, die den gesetzlichen Form- und Inhaltserfordernissen entspreche, zu verbessern.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die als Rekurse zu wertenden Eingaben vom 12. September 2023 (ON 28) und vom 19. September 2023 (ON 31 und 32) sind unzulässig.

[8] 1. Für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof herrscht auch in Sozialrechtssachen absoluter Anwaltszwang (RIS‑Justiz RS0108295 [T1]). Die betreffenden Eingaben sind nur vom Kläger, nicht aber von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt unterfertigt, sodass ihnen ein Formmangel anhaftet, der ihre geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindert. Die vom Kläger genannten Gründe für die Nichtbeiziehung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts sind unbelegt und unbeachtlich (vgl 2 Ob 201/15w); auf die Möglichkeit, einen Verfahrenshilfeantrag zu stellen, wurde der Kläger hingewiesen (ON 20).

[9] 2. Einer Partei ist in der Regel gemäß den §§ 84 f ZPO die Möglichkeit einzuräumen, Formmängel einer Prozesshandlung innerhalb einer vom Gericht zu setzenden Frist zu beheben.

[10] 2.1. Hinsichtlich der Eingabe ON 28 kam der Kläger den ihm erteilten Verbesserungsauftrag nicht nach.

[11] 2.2. Hinsichtlich der Eingaben ON 31 und 32 erübrigte sich die Einleitung eines (neuerlichen) Verbesserungsverfahrens. Der genannte Grundsatz, dass der Partei die Möglichkeit zu geben ist, Formmängel einer Prozesshandlung zu beheben, gilt nämlich in jenen Fällen nicht, in denen die Partei ihre Eingabe im Bewusstsein ihrer Fehlerhaftigkeit eingebracht hat (RS0036385 [T11]; RS0036447 [T7]).

[12] An dem Bewusstsein des Klägers, dass seine Eingaben nicht den prozessualen Vorschriften entsprechen, ist im Hinblick auf den Inhalt der Eingaben ON 31 und 32 nicht zu zweifeln. Abgesehen davon, dass er bereits im Berufungsverfahren erfolglos zur Verbesserung aufgefordert worden war, nimmt er in seinen Eingaben selbst auf die von ihm verlangte Anwaltsunterschrift Bezug. Wenn er dennoch im Bewusstsein dieser Fehlerhaftigkeit handelte, bedarf es der Einleitung eines Verbesserungsverfahrens nicht (3 Ob 14/20k; 2 Ob 201/15w; vgl auch 3 Ob 26/19y).

[13] 2.3. Der Umstand, dass sowohl die dem Beschluss des Berufungsgerichts beigefügte Rechtsmittelbelehrung als auch die im Verbesserungsauftrag ON 30 enthaltene Anleitung unrichtig sind, weil nur die Unterschrift einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zulässig wäre, nicht hingegen einer anderen in § 40 ASGG genannten Person (vgl RS0108295), vermag an der Entscheidung nichts zu ändern, weil der Kläger dieser Belehrung ohnedies nicht nachkam und auch nicht nachkommen wollte.

[14] 3. Dass sich die Eingabe ON 28 nicht mehr im Original im Akt befindet, sondern nur mehr in Ablichtung vorliegt, bewirkt lediglich, dass eine Entscheidung darüber nicht zwingend erforderlich wäre (RS0035753 [T9]; RS0115805 [T4]). Aus Gründen der Klarstellung ist es aber sinnvoll, über das erhobene Rechtsmittel eine endgültige Entscheidung (Zurückweisung) zu treffen (RS0115805), zumal hinsichtlich der Eingaben ON 31 und 32 (die im Original vorliegen) ohnedies eine Entscheidung zu ergehen hat.

[15] 4. Überdies liegen die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 86a ZPO vor. Besteht ein Schriftsatz aus verworrenen, unklaren, sinn‑ oder zwecklosen Ausführungen und lässt er das Begehren nicht erkennen, oder erschöpft er sich in der Wiederholung bereits erledigter Streitpunkte oder schon vorgebrachter Behauptungen, so ist er ohne Verbesserungsversuch zurückzuweisen. Jeden weiteren Schriftsatz dieser Partei, der einen solchen Mangel aufweist, kann das Gericht ohne inhaltliche Behandlung zu den Akten nehmen. Dies ist in einem Aktenvermerk festzuhalten; es hat keine beschlussmäßige Entscheidung darüber zu ergehen (§ 86a ZPO).

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