OGH 4Ob187/23p

OGH4Ob187/23p21.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M. und Mag. Fitz als weitere Richter in der Markenrechtssache der Antragstellerin O* AG, *, Deutschland, vertreten durch Puchberger & Partner Patentanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin 3* GmbH, *, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 25. Juli 2023, GZ 33 R 6/23d‑4, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00187.23P.1121.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

I. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Revisionsrekursverhandlung wird abgewiesen.

II. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin ist Inhaberin der (identen) Bildmarken IR * und IR *

 

 

IR * ist eingetragen für die Dienstleistungsgruppen:

36

[1] Underwriting services; finance services; insurance consultancy; procurement of capital investments, real estate investments, savings agreements of building societies and contracts of insurance; financial analysis; financial consultancy und

41

[2] Provision of training courses; continuous training; training; providing on-line electronic publications, not downloadable; arranging, conducting and organisation of colloquiums, conferences, congresses, workshops and seminars (all aforementioned services only for the field of financial services)

IR * ist eingetragen für:

36:

[3] Procurement of capital investments, real estate investments, savings agreements of building societies, contracts of insurance; investment consulting.

[4] Die am 6. 4. 2017 für die Dienstleistungsgruppen 35, 36, 37 und 43 angemeldete Wortbildmarke der Antragsgegnerin

 

 

wurde infolge Widerspruchs der Antragstellerin für die Dienstleistungsgruppen „Immobilienwesen (Klasse 36)“ und „Bauwesen (Klasse 37)“ gelöscht; den dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 27. 5. 2021 zu 4 Ob 32/21s zurück.

[5] Mit 15. 12. 2020 meldete die Antragsgegnerin die nunmehr angegriffene Marke

 

 

– soweit im Revisionsrekursverfahren noch relevant – für die folgenden Dienstleistungsgruppen an:

36:

[6] Agenturdienstleistungen für die Vermietung und den Verkauf von Immobilien, insbesondere von neu errichteten, ausgebauten, umgebauten oder revitalisierten Häusern, insbesondere von Zinshäusern, Bürohäusern und Hotels, einzelnen Objekten, insbesondere Wohnungen und Büros sowie Liegenschaften; Immobilienverwaltung, insbesondere Dienstleistungen der Hausverwaltung; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers; Dienstleistungen eines Versicherungsmaklers im Immobilienbereich; Schätzung von Immobilien, insbesondere unter Berücksichtigung oder gesonderter Bewertung von Möglichkeiten des Ausbaus von Immobilien oder von Gebäudeteilen, insbesondere Dachböden im Hinblick auf Bebauungsvorschriften; Vermietung von Immobilien, insbesondere Wohnungen und Büros und zwar sowohl kurz- als auch langfristige Vermietung

37:

[7] Dienstleistungen des Bauwesens, nämlich Neuerrichtung, Ausbau, Umbau und Revitalisierung von Häusern, insbesondere von Zinshäusern, Bürohäusern und Hotels, einzelnen Objekten, insbesondere Wohnungen und Büros sowie Liegenschaften; Dienstleistungen eines Bauträgers.

[8] Das Patentamt hob die Registrierung für die Dienstleistungen der Gruppen 36, 37 und 42 auf; das Rekursgericht hob die Registrierung der angegriffenen Marke für die oben angeführten Dienstleistungen der Klasse 36 und 37 auf.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, mit dem sie weiterhin die gänzliche Abweisung des Widerspruchs anstrebt, zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

 

Zu I.

[10] Der Antrag auf Durchführung einer Revisionsrekursverhandlung ist abzuweisen, weil der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsachen‑, sondern ausschließlich Rechtsinstanz ist, Beweisaufnahmen oder ‑ergänzungen vor dem Obersten Gerichtshof nicht stattzufinden haben und die Rechtsmittelwerberin in ihrem Rechtsmittel ausreichend Gelegenheit zur Darlegung ihres Rechtsstandpunkts hatte (vgl RS0043689 [T4]).

Zu II.

[11] 1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[12] 2. Nach § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

[13] 2.1. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach einem gemeinschaftsweit einheitlichem Maßstab unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere den Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt und den Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und den Grad der Gleichartigkeit zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen. So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (RS0121482; RS0121500). Verwechslungsgefahr wird vor allem durch die Gleichheit oder Ähnlichkeit der vertriebenen Waren hervorgerufen. Hiebei genügt eine gewisse Warennähe und Branchennähe; die von den Parteien vertriebenen Waren oder Leistungen dürfen jedoch nicht so weit voneinander entfernt sein, dass die Gefahr von Verwechslungen nicht mehr besteht (RS0079161).

[14] 2.2. Ob nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen der Wechselbeziehung zwischen Markenähnlichkeit und Branchennähe Verwechslungsgefahr besteht, hat – vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen (RS0112739 [T2; T3]) – keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO (RS0111880).

[15] 2.3. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach Agenturdienstleistungen für die Vermietung und den Verkauf von Immobilien, die Schätzung, Verwaltung und Vermietung von Immobilien (vom Patentamt zusammengefasst als „Immobilienwesen“) und Dienst-leistungen des Bauwesens sowie eines Bauträgers der Vermittlung von Immobilienveranlagungen („Procurement of real estate investments“) ähnlich sind, nicht korrekturbedürftig. Dasselbe gilt für die Ähnlichkeit der Dienstleistungen des Versicherungsmaklers im Immobilienbereich zur Versicherungsberatung.

[16] 2.4. Dass die Vorinstanzen die drei hintereinander angeordneten aufstrebenden Balken – trotz der von der Antragsgegnerin im Vergleich zum Vorverfahren vorgenommenen Abschrägung der kurzen Seite der Balken statt der bisher kurvigen Ausgestaltung – als das weiterhin den Gesamteindruck prägende Element und damit als geeignet angesehen zu haben in Bezug auf die als ähnlich qualifizierten Dienstleitungen Verwechslungsgefahr hervorzurufen ist jedenfalls vertretbar.

[17] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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