OGH 8Ob169/22v

OGH8Ob169/22v17.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei W* H*, vertreten durch Dr. Erich Bernögger, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, gegen die beklagte Partei P*, vertreten durch Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwalt in Linz, wegen 12.200 EUR sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Berufungsgericht vom 26. Juli 2022, GZ 2 R 35/22f‑107, mit dem das Teil-Zwischenurteil des Bezirksgerichts Kirchdorf an der Krems vom 22. Februar 2022, GZ 1 C 509/18g‑103, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00169.22V.1117.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Konsumentenschutz und Produkthaftung

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.017,90 EUR (darin 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger begehrt Schadenersatz nach dem PHG für die Folgen einer Verletzung, die er am 17. 8. 2017 bei Mäharbeiten mit einer von der Beklagten hergestellten und in Verkehr gebrachten Motorsense erlitten hat.

[2] Die vom Dienstgeber des Klägers, einer Gemeinde, über einen Händler erworbene Motorsense kann mit verschiedenen Schneidwerkzeugen betrieben werden. Im Mai 2017 wurde die bis dahin verwendete Zweizahnklinge durch ein ebenfalls von der Beklagten hergestelltes und in Verkehr gebrachtes Dreizahnmesser ersetzt. Seine Verwendbarkeit ergibt sich aus dem Ersatzteilkatalog der Beklagten.

[3] Dem Kläger fiel auf, dass dieses Dreizahnmesser im Unterschied zum vorherigen über keine Federn zur formschlüssigen Montage auf der Antriebswelle verfügte. Der Dienstgeber des Klägers fragte daraufhin beim Händler nach, der die Eignung des Dreizahnmessers für die gegenständliche Motorsense bestätigte.

[4] Nachdem der Gemeindesekretär dem Kläger nach einer Verwendung der Motorsense mitgeteilt hatte dass ihm das Dreizahnmesser „davongeflogen“ bzw „heruntergefallen“ sei, montierte der Kläger es in der Folge selbst neu. Nach Auflegen der Distanzscheibe, des Dreizahnmessers, eines Sprengrings und zuletzt des mitgelieferten Schneidkopfs (bei dem es sich um eine verkleidete Mutter handelt) positionierte er einen Torx-Schraubenzieher bzw Steckschlüssel in der dafür vorgesehenen Öffnung und zog händisch das auf der Antriebswelle gegebene Linksgewinde mit ihm maximal zur Verfügung stehender Kraft an. Dadurch wurde der Schneidkopf wie ihm maximal möglich auf der Antriebswelle festgezogen.

[5] Mit Ausnahme des von ihm beigefügten Sprengrings folgte der Kläger damit der Betriebsanleitung der Beklagten. Diese beschränkt sich zur Montage des Schneidmessers auf sechs grafische Darstellungen. Sie unterscheidet nicht zwischen Schneidwerkzeugen mit eingearbeiteten Federn, die eine formschlüssige Verbindung gewährleisten, und ohne Federn. Wie fest das Anziehen im letzten Schritt zu erfolgen hat, wird darin weder näher beschrieben, noch mit dem erforderlichen Drehmoment konkretisiert. Es findet sich auch kein Hinweis, dass besonders stark angezogen werden müsste.

[6] Die Betriebsanleitung enthält die Sicherheitsanweisung: „(...) Prüfen Sie das Gerät auf etwaige Beschädigungen oder Fehler, die den sicheren Betrieb beeinträchtigen können. Sollten Sie Beschädigungen feststellen, lassen Sie das Gerät vor Gebrauch reparieren. (...)“. Weiters findet sich darin die Erklärung der Beklagten: „(...) sind in folgenden Fällen von jeder Haftung freigestellt

- wenn die Schäden durch fehlerhafte Wartung, fehlende Erfahrung des Benutzers oder anormale Verwendung bedingt sind, (...)

- wenn Originalteile oder Originalzubehör durch Teile oder Zubehör anderen Ursprungs ersetzt wurden oder wenn das verkaufte Gerät geändert oder umgewandelt wurde (...)“.

[7] Nach der Neumontage des Dreizahnmessers führte der Kläger Mäharbeiten durch, wobei er eine Schutzausrüstung trug. Er hatte jahrelange Erfahrung mit der gegenständlichen Motorsense (mit anderen Schneidwerkzeugen) gesammelt. Die Sense ging normal in Betrieb. Weder kam es zu ungewöhnlichen Geräuschen, noch zu starken Schwingungen. Der Kläger mähte zunächst und ließ dann den Knopf, der zum Betrieb gehalten werden muss, los, um eine im Gras liegende Flasche händisch wegzuräumen. Sogleich löste sich das montierte Dreizahnmesser, wurde aus der Motorsense heraus und nach Kontakt mit der Erde oder einem Gegenstand zurück gegen den rechten Unterschenkel des Klägers geschleudert.

[8] Aufgrund der fehlenden Federn besteht keine formschlüssige Verbindung zwischen dem Dreizahnmesser und der Antriebswelle. Um bei Anhalten der Antriebswelle dem Weiterdrehen des Schneidmessers entgegenzuwirken, bedürfte es daher entweder einer zusätzlichen Sicherungsmutter oder einer kraftschlüssigen Verbindung. Ansonsten führt das Weiterdrehen zur Lockerung der Mutter des Schneidkopfs und in der Folge zum Lösen und unkontrollierbaren Herausschleudern des Dreizahnmessers. Eine Sicherungsmutter sieht die gegenständliche Konstruktion nicht vor. Hinzu kommt, dass die Antriebswelle ein flaches Gewinde aufweist, das über keine Selbsthemmung verfügt.

[9] Um ein Ablösen des Dreizahnmessers bei der Motorsense der Beklagten zu vermeiden, bedarf es als einzig verbleibender Möglichkeit eines kraftvollen Anziehens mit 30 Nm an Drehmoment. Dies könnte mit Hilfe eines Drehmomentschlüssels überprüft und sichergestellt werden.

[10] Bei der von der Beklagten im Zuge der Herstellung der Motorsense angestellten Risikoanalyse wurde die beschriebene Problematik des Ablösens des Schneidwerkzeugs nicht bedacht. Zudem findet sich zu diesem Risiko auch kein Hinweis in der Betriebsanleitung. Die gegenständliche Motorsense samt dem Dreizahnmesser entsprach weder bei der Inverkehrbringung noch derzeit dem Stand der Technik.

[11] Es konnte nicht festgestellt werden, dass der vom Kläger zusätzlich bei der Montage verwendete Sprengring zu einer Verbesserung oder Verschlechterung des letztlich unzureichenden Kraftschlusses geführt hatte.

[12] Das Erstgericht sprach mit Teil-Zwischenurteil aus, dass das Zahlungsbegehren dem Grund nach zu Recht bestehe. Die Darbietung der Motorsense sei insofern mangelhaft gewesen, als die Beklagte in ihrer Bedienungsanleitung nicht auf die Notwendigkeit einer kraftschlüssigen Verbindung des Schneidkopfs zur Vermeidung der Ablösung hingewiesen habe. Ein eigenes Mitverschulden sei dem Kläger nach dem Sachverhalt nicht vorzuwerfen.

[13] Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten keine Folge. Ausgehend von den bestätigten Feststellungen sei der Beklagten eine Verletzung ihrer Instruktionspflicht vorzuwerfen. Der darin gelegene Produktfehler sei für den Schaden des Klägers kausal gewesen. Auch der Mitverschuldenseinwand sei vom Erstgericht zutreffend verworfen worden. Weder habe die Verwendung eines Sprengrings einen feststellbaren Einfluss auf das Schadensereignis gehabt, noch könne dem Kläger eine Missachtung der sehr allgemein gehaltenen Sicherheitsanweisungen vorgeworfen werden. Eine allenfalls geringfügige Sorglosigkeit des Klägers trete gegenüber der Verletzung der Instruktionspflicht der beklagten Partei in den Hintergrund, zumal der Schaden durch eine entsprechende Anleitung der Benutzer ohne nennenswerten Aufwand verhinderbar gewesen wäre.

[14] Über Antrag der Beklagten erklärte das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 3 ZPO die ordentliche Revision nachträglich für zulässig, weil es eine erhebliche Rechtsfrage darstelle, ob dem Kläger als eigenes Verschulden anzurechnen sei, dass er die Motorsense nach dem Bericht des Gemeindesekretärs über das erstmalige Ablösen des Schneidmessers wieder in Betrieb genommen und keine Reparatur veranlasst habe.

[15] Die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[16] 1. Die Revisionswerberin macht zunächst geltend, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob Piktogramme, wie sie in der Betriebsanleitung der Beklagten verwendet wurden, als ausreichende Instruktion anzusehen seien.

[17] Dies trifft nicht zu, sondern der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass eine Anleitung in der Form eines Piktogramms nicht ausreicht, um vor einem speziellen Risiko des Produkts zu warnen, wenn sie es nicht in seiner ganzen Tragweite möglichst eindrucksvoll schildert (2 Ob 249/02k). Ob eine bestimmte Instruktion diesen Anforderungen entspricht, ist jeweils nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilbar.

[18] Nach dem hier festgestellten Sachverhalt enthielt die in Piktogrammform gehaltene Bedienungsanleitung der Motorsense keinerlei Hinweis auf die Notwendigkeit, bei der Montage des Dreizahnmessers ein bestimmtes Drehmoment einzuhalten, sowie keine Warnung vor der ansonsten bestehenden Gefahr der Ablösung. Davon ausgehend ist den Vorinstanzen keine die Revisionszulässigkeit begründende grobe Fehlbeurteilung vorzuwerfen (RIS‑Justiz RS0044088 [T8, T9]).

[19] Auf die Frage, ob die Instruktionen der Bedienungsanleitung ausreichend waren, kommt es für die Entscheidung aber auch deswegen nicht an, weil die Motorsense mit dem Dreizahnmesser selbst weder bei ihrem Inverkehrbringen noch später dem Stand der Technik entsprach. Die Enttäuschung der Sicherheitserwartung war damit schon in ihrem technischen Konzept begründet und ist daher (auch) von einem Konstruktionsfehler auszugehen (RS0107606 [T10]).

[20] 2. Auch der ebenfalls nur einzelfallbezogene zu beurteilende Mitverschuldenseinwand wirft keine über den Anlassfall hinaus erheblichen Rechtsfragen auf. Grundsätzliche Aussagen zur Gewichtung von Zurechnungsgründen, die allgemein anzuwenden wären, sind nicht möglich (RS0118327 [T1]).

[21] Es ist den Feststellungen nicht zu entnehmen, dass die Motorsense vor der Montage des Dreizahnmessers durch den Kläger beschädigt war und deshalb einer Reparatur bedurft hätte. Die ihm vom Gemeindesekretär berichtete Ablösung des Schneidmessers hatte nach dem Sachverhalt ihren Grund nicht in einer Beschädigung, sondern in der unzureichenden Konstruktion, die weder eine formschlüssige Verankerung des Messers durch Federn, noch eine Sicherungsmutter vorsah.

[22] Mit der neuerlichen Montage des Schneidmessers und dem Festziehen mit der ihm maximal möglichen Kraft ist der Kläger den Angaben der Bedienungsanleitung der Beklagten gefolgt. Die zusätzliche Verwendung eines Sprengrings zur Stabilisierung hatte keinen feststellbaren nachteiligen Einfluss. Die ein Mitverschulden des Klägers verneinende rechtliche Beurteilung durch die Vorinstanzen bedarf unter diesen Umständen keiner Korrektur.

[23] Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision zurückzuweisen.

[24] Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO (RS0123222 [T10]; Obermaier, Kostenhandbuch³, Rz 1.451). Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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