European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00116.23B.1114.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten S* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des * M* enthält, wurde * S* des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB und des Vergehens der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er [vor dem und {US 5}] am 12. Oktober 2022 in W*
I) einen Bestandteil seines Vermögens, nämlich die ihm aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs mit einem Glücksspielanbieter zustehende Forderung in Höhe von 71.249,59 Euro, beiseite geschafft, indem er den Prozessfinanzierer „V* GmbH“ anwies, diesen Betrag auf das Konto seines Schwagers, * M*, zu überweisen und dessen Existenz seinen Gläubigern im Insolvenzverfahren verschwieg, wodurch er die Befriedigung seiner Gläubiger schmälerte, welche am selben Tag im Rahmen einer Sanierungsplantagsatzung der 70%‑igen Kürzung ihrer Forderungen zustimmten und dadurch einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden erlitten;
II) nach Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit einen Gläubiger, nämlich seinen Schwager * M*, begünstigt und dadurch andere Gläubiger, nämlich zumindest jene, die Forderungen in seinem Konkursverfahren angemeldet hatten, benachteiligt, indem er eine Auszahlung in Höhe von 71.249,59 Euro an M* veranlasste und ihm ermöglichte, 15.000 Euro – somit 60 % des ihm geschuldeten Betrags von ca 25.000 Euro – einzubehalten, obwohl er seinen übrigen Gläubigern am selben Tag im Rahmen der Sanierungsplantagsatzung lediglich eine Quote von 30 % anbot.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen wendet sich der Angeklagte * S* mit auf § 281 Abs 1 Z „10 lit a“ StPO, gegen den Verfallsausspruch mit auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde.
[4] Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert die methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0124801&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0116823&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).
[5] Diese Vorgaben verfehlt die Rüge schon deshalb, weil sie auf der urteilsfremden Prämisse aufbaut, das den Gläubigern entzogene Geld sei größtenteils wieder für Unternehmenszwecke verwendet worden (vgl US 6). Zudem erklärt sie nicht, weshalb trotz des Zusammentreffens eines Verbrechens mit einem Vergehen, des Befriedigungsausfalls in einem 50.000 Euro übersteigenden Ausmaß, der Falschinformation des Gerichts und der Gläubiger sowohl bei Abgabe des Vermögensverzeichnisses (vgl US 5 „bestätigte nochmals“) als auch in der Sanierungsplantagsatzung nur eine halbe Stunde nach der tatsächlichen Überweisung des den Gläubigern vorenthaltenen Betrags (vgl US 5) und letztlich trotz des bereits durch den Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe signalisierten gesteigerten Unrechtsgehalts die Voraussetzungen des § 198 Abs 2 Z 2 StPO vorliegen sollten (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0116021&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T8]; Schroll/Kert, WK‑StPO § 198 Rz 13 ff, Rz 28; vgl auch US 10).
[6] Die gegen den Verfallsausspruch gerichtete Rüge (nominell Z 5 zweiter Fall, der Sache nach Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter Fall), die eine Verwendung der vom Erstgericht gemäß § 20 Abs (richtig:) 3 StGB für verfallen erklärten ersparten Aufwendungen (US 3 iVm 12; vgl RIS‑Justiz RS0130833 [T5]) für „Unternehmenszwecke“, nämlich um die Quote der Gläubiger zu befriedigen und die Kosten des Insolvenzverfahrens abzudecken, releviert, spricht damit keine mit Blick auf das Unterbleiben des Verfalls nach § 20a Abs 2 Z 2 StGB entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0106268&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0117499&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ). Eine Mittelverwendung zur Tilgung des (die auszubezahlende Quote übersteigenden) Gläubigerausfalls (vgl Kirchbacher in WK2 StGB § 156 Rz 31) und damit die Befriedigung zivilrechtlicher Ansprüche aus der Tat wird weder auf der Basis der Urteilsfeststellungen behauptet noch wird ein diesbezüglicher Feststellungsmangel geltend gemacht (vgl dazu im Übrigen ON 26.2, 7, wonach das Geld der Verantwortung des Angeklagten folgend gerade nicht zur Bezahlung eines über die Quote hinausgehenden Betrags verwendet worden sei).
[7] Bleibt anzumerken, dass der Angeklagte mit der am 12. Oktober 2022 erfolgten rechtskräftigen Bestätigung des Sanierungsplans (US 5) gemäß § 156 Abs 1 IO von der Verbindlichkeit befreit wurde, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie durch den Sanierungsplan erleiden, nachträglich zu ersetzen (Restschuldbefreiung; vgl Kodek, Privatkonkurs3 Rn 12.10), sodass deren Benachteiligung durch Nichtzahlung der die im Sanierungsplan festgelegten Quote übersteigenden Schuld und damit eine Strafbarkeit wegen Gläubigerbegünstigung iSd § 158 StGB durch volle Befriedigung des M* nach diesem Zeitpunkt ausscheidet (vgl Rainer, SbgK § 158 Rz 16).
[8] Dem Urteil ist zu entnehmen, dass der Angeklagte bereits im September 2022 die (quotenübersteigende) Befriedigung des M* mit diesem vereinbarte (US 8; vgl dazu auch ON 26.2, 7; dazu Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19; RIS-Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0116759&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T1]) und die entsprechende Anweisung an die V* GmbH erteilte (US 5), wobei die effektive Forderungstilgung durch das Einlangen des Betrags auf dessen Konto am 12. Oktober 2022 (vor der Sanierungsplantagsatzung; US 5) ermöglicht wurde (US 7). Die Tathandlung des § 158 Abs 1 StGB fand demgemäß vor rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans statt.
[9] Die im September 2022 veranlasste (US 8) Bezahlung der (tatsächlich existierenden) Schuld des M* in der Höhe von 15.000 Euro verminderte Aktiva, aber auch gleichzeitig Passiva des S*, beließ sohin das gemeinschuldnerische Vermögen in seiner Gesamtheit ungeschmälert und verwirklicht damit gerade nicht den Tatbestand der betrügerischen Krida, sondern ist lediglich als Gläubigerbegünstigung nach § 158 Abs 1 StGB strafbar (Kirchbacher in WK2 StGB § 156 Rz 10, § 158 Rz 8; Rainer, SbgK § 158 Rz 7; RIS‑Justiz RS0094931). Diese Verringerung des Gläubigerausfalls iSd § 156 Abs 1 StGB kann mangels Subsumtionsrelevanz aus dem Blickwinkel des § 290 Abs 1 zweiter Satz iVm § 281 Abs 1 Z 10 StPO auf sich beruhen.
[10] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO). Dieses wird hinsichtlich des – vom Angeklagten auch mit Berufung angefochtenen – Verfallsausspruchs die obigen Ausführungen zur Höhe der durch das Verbrechen der betrügerischen Krida ersparten Aufwendungen zu berücksichtigen haben (vgl Ratz, WK‑StPO § 285i Rz 6, § 290 Rz 29).
[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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