OGH 5Ob138/23i

OGH5Ob138/23i24.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* GmbH, *, vertreten durch Schmidberger‑Kassmannhuber‑Schwager Rechtsanwaltspartnerschaft in Steyr, gegen die beklagte Partei A* GmbH, *, vertreten durch Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, wegen 10.920 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Berufungsgericht vom 27. Februar 2023, GZ 2 R 71/22z‑24, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Steyr vom 20. Juni 2022, GZ 14 C 498/21t‑19, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00138.23I.1024.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.032,90 EUR (darin 172,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte war Pächterin einer Freizeitanlage samt Seerestaurant und beauftragte die Klägerin zunächst mit einem Grundrisskonzept für dessen Umbau. Das Honorar in Höhe von 3.120 EUR bezahlte sie. In der Folge beauftragte sie die Klägerin auch mit der Einrichtung des Seerestaurants für einen Werklohn von ca 300.000 EUR. Zur Ausführung kam es nicht, weil das Pachtverhältnis mit der Beklagten beendet wurde.

[2] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob die Beklagte der Klägerin den Klagebetrag als Honorar für weitere 130 erbrachte Arbeitsstunden schuldet.

[3] Das Erstgericht gab der Klage statt.

[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies es ab. Die Klageforderung sei zwar nicht verjährt. Allerdings bestehe im Rahmen eines – hier vorliegenden – Werkvertrags kein Anspruch des Unternehmers auf Herstellung und Abnahme des Werks, weshalb die Abbestellung durch die Beklagte mangels – hier nicht vereinbarter – Abnahmeverpflichtung nicht rechtswidrig sei. Auf Punkt 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin könne sie sich mangels Vertragsverletzung der Beklagten nicht stützen. Punkt 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei keine taugliche Anspruchsgrundlage, weil er die Honorierung von Planungsleistungen zur Realisierung oder Vorbereitung eines Hauptauftrags nur dann vorsehe, wenn tatsächlich kein Hauptauftrag zustande komme. Dies sei hier aber der Fall gewesen.

[5] Die Revision ließ das Berufungsgericht über Abänderungsantrag der Klägerin nachträglich zu, weil es nicht von der Hand zu weisen sei, dass Punkt 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin doch nicht so eindeutig sei, dass nur eine Möglichkeit der Beurteilung in Betracht zu ziehen sei. Da die Klägerin offenkundig nur unter Zugrundlegung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen kontrahiere und diese Klausel daher für alle ihre Kunden gelte, sei von einer erheblichen Rechtsfrage auszugehen. Überdies wurde die Revision auch zur Frage zugelassen, ob das Berufungsgericht allenfalls zu Unrecht die Bestimmung des § 1168 ABGB nicht angewendet habe.

[6] In ihrer – von der Beklagten beantworteten – Revision strebt die Klägerin die Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils an und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die Revision ist, ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, sie kann keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[8] 1. Die Auslegung des Punktes 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin betreffend Schadenersatz im Fall unberechtigten Rücktritts des Kunden greift die Revisionswerberin nicht an. Sie bestreitet nicht, dass es sich beim Vertragsverhältnis der Streitteile um einen Werkvertrag handelt, die Beklagte zur Abbestellung des Werks grundsätzlich berechtigt war und ihr kein vertragliche Schadenersatzansprüche auslösendes rechtswidriges Verhalten anzulasten ist. Darauf ist daher nicht weiter einzugehen.

[9] 2.1. Das Berufungsgericht ging davon aus, die Klägerin habe sich zur Begründung ihres Anspruchs im Verfahren erster Instanz ausdrücklich nur auf die Punkte 6 und 7 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen gestützt und einen daraus abzuleitenden Schadenersatzanspruch geltend gemacht. Ansprüche auf Entgelt nach § 1168 Abs 1 ABGB habe sie nicht erhoben. Dies ist im Einzelfall nicht zu beanstanden.

[10] 2.2. Zwar hat das Rechtsmittelgericht – wenn es überhaupt in der Rechtsfrage angerufen ist – die materiell‑rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen hin zu prüfen (RIS‑Justiz RS0043352). Dies gilt aber dann nicht, wenn der Kläger ausdrücklich einen bestimmten Rechtsgrund geltend machte (RS0043352 [T11, T13, T14]). An eine solche Beschränkung sind die Gerichte bei der rechtlichen Beurteilung gebunden (RS0043317).

[11] 2.3. Die Frage, wie ein Vorbringen einer Partei zu beurteilen ist und auf welchen Titel ein Anspruch gestützt wird, wirft im Regelfall keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf (RS0042828 [T24]). Eine auch im Einzelfall aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung (RS0042828 [T15]) durch das Berufungsgericht liegt hier nicht vor, zumal sich die Klägerin im Verfahren erster Instanz ausdrücklich nur auf die Punkte 6 und 7 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen und den ihrer Ansicht nach unberechtigten Rücktritt der Beklagten stützte. Wenn das Berufungsgericht dieses Prozessvorbringen der Klägerin dahin interpretierte, dass sie einen Entgeltanspruch nach § 1168 ABGB gar nicht geltend gemacht habe, ist das jedenfalls keine Fehlbeurteilung, die das Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erfordern würde. Auch die Revision lässt nähere Ausführungen dazu vermissen, aus welchen Gründen das Berufungsgericht Ansprüche nach § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB mitbedenken hätte sollen, sondern setzt dies – ohne nähere Begründung – schlicht voraus. Eine erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht aufgezeigt.

[12] 3.1. Zur Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist der Oberste Gerichtshof nicht jedenfalls, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind. Wenn auch nach der Rechtsprechung die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmter Geschäftsbranchen, welche regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung sind, eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen kann, sofern solche Klauseln bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen waren (RS0121516), liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn die Auslegung durch die Vorinstanzen mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang steht (vgl RS0042776; RS0042936). Aus der – hier im Übrigen aus dem Sachverhalt nicht abzuleitenden – bloßen Häufigkeit der verwendeten Klauseln allein kann die Zulässigkeit der Revision daher ebenso wenig begründet werden (vgl RS0121516 [T38]) wie aus dem Umstand, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln fehlt (RS0121516 [T4]). Dies gilt insbesondere dann, wenn die betreffende Regelung so eindeutig ist, dass nur eine Möglichkeit der Beurteilung in Betracht zu ziehen ist (RS0121516 [T17]).

[13] 3.2. Dies ist hier bei Punkt 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin der Fall. In ihrem dritten Satz regelt die Klausel wörtlich: „Erfolgen Planungen zur Realisierung oder Vorbereitung eines Hauptauftrags ohne dass tatsächlich ein Hauptauftrag zustande kommt, dann ist der Kunde verpflichtet die Planungsleistungen im tatsächlich angefallenen Ausmaß zu einem Stundensatz, der sich aus unseren Selbstkosten errechnet, zu ersetzen.“ Das Berufungsgericht schloss aus dem gemäß §§ 914 f ABGB zunächst maßgeblichen Wortsinn dieser Klausel in seiner gewöhnlichen Bedeutung, dass eine gesonderte Honorierung der Planungsleistungen nur dann zu erfolgen habe, wenn es in weiterer Folge nicht zum Abschluss eines Hauptauftrags komme. Für das „Zustandekommen“ reiche es aus, dass die Parteien einen Werkvertrag betreffend das von der Klägerin konzipierte Projekt tatsächlich abschließen. Die Klägerin hält dem entgegen, die Klausel sei dahin auszulegen, dass der Hauptauftrag nicht bloß zustande kommt, sondern auch erfüllt bzw umgesetzt werden müsse, sonst habe die Regelung überhaupt keinen Sinn. Einerseits hat die Frage, ob auch diese andere Auslegung der Klausel möglich wäre, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (RS0042871 [T15]), andererseits ist es nach dem Wortsinn nicht unvertretbar, gemäß dem Verständnis des Berufungsgerichts den Begriff „Zustandekommen“ als „Vertragsabschluss“ zu interpretieren. Dies steht im Einklang mit Punkt 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, der den Schadenersatz bei unberechtigtem Rücktritt von einem zustandegekommenen Auftrag regelt. Zu diesem Verständnis passt ebenso, dass bei rechtswidriger Abbestellung des Werks Entgeltansprüche nach § 1168 Abs 1 ABGB in Betracht kämen (die hier nach der im Einzelfall vertretbaren Auffassung des Berufungsgerichts aber nicht geltend gemacht wurden). Die von der Revisionswerberin vertretene Auslegung lässt sich aus dem Wortlaut der Klausel hingegen nicht ohne Weiteres ableiten. Auch insoweit ist eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts daher nicht zu erkennen.

[14] 4. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

[15] 5. Der in erster Instanz ausgesprochene Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 1 ZPO erfasst nur die vom Prozesserfolg in der Hauptsache abhängigen Kosten und steht der Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen (RS0129365 [T3]). Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat die Klägerin der Beklagten, die auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, daher die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

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