OGH 1Ob162/23i

OGH1Ob162/23i23.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Gernot Murko ua, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Dipl.‑Ing. H*, vertreten durch die Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 180.429,46 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juni 2023, GZ 16 R 214/22s‑170, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00162.23I.1023.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin war mit der Errichtung eines Hubschrauber-Landeplatzes (Heliport) betraut. Sie beauftragte den Beklagten, einen Ziviltechniker, mündlich mit der Erstellung der erforderlichen Statik. Diese Statik wies fundamentale Mängel auf. Der gravierendste Fehler war, dass Schnittkräfte gleicher Art in den Eckpunkten nicht aufsummiert wurden. Im Zuge der Betonierarbeiten stürzte der Heliport ein. Für den Einsturz war die statische Berechnung des Beklagten kausal.

[2] Die Vorinstanzen gaben dem gegen den Beklagten erhobenen Schadenersatzbegehren der Klägerin mit Zwischenurteil dem Grunde nach statt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

[4] 1. Die Vorinstanzen verneinten die Geltung der AGB für Ziviltechnikerleistungen und der darin enthaltenen (für den Beklagten günstigeren) Verjährungsbestimmung.

[5] 1.1. Nach ständiger Rechtsprechung gelten AGB regelmäßig nur kraft ausdrücklicher oder stillschweigender Parteienvereinbarung. Dabei genügt es, wenn der Unternehmer vor dem Abschluss des Vertrags erklärt, nur zu seinen AGB kontrahieren zu wollen, und sich der Geschäftspartner daraufhin mit ihm einlässt; andernfalls darf eine stillschweigende Unterwerfung des Kunden nur dann angenommen werden, wenn ihm deutlich erkennbar ist, dass der Unternehmer nur zu seinen AGB abschließen will, und er überdies wenigstens die Möglichkeit hat, vom Inhalt dieser Bedingungen Kenntnis zu nehmen. Bei Fehlen dieser Voraussetzungen kann der Erklärung des Kunden nicht der objektive Sinn eines Einverständnisses mit den AGB des Unternehmers beigelegt werden (RS0014506). Bei Beurteilung der Frage, ob AGB schlüssig zum Vertragsinhalt werden, ist ein strenger Maßstab anzulegen (RS0014506 [T7]).

[6] 1.2. Das Erstgericht stellte zwar fest, dass der Beklagte bereits vor dem gegenständlichen Projekt in einer längeren Geschäftsbeziehung zur Klägerin stand und einige Aufträge von ihr erhalten hatte; es waren aber nur drei Aufträge auf Grundlage eines schriftlich erstellten Anbots des Beklagten feststellbar, die mit der Formulierung „ansonsten gelten die allgemeinen Geschäftsbedingungen für Ziviltechnikerleistungen“ einen Hinweis auf die AGB des Beklagten enthielten. Im Übrigen konnte nicht festgestellt werden, dass der Beklagte jemals mitgeteilt hätte, er kontrahiere nur unter Zugrundelegung seiner AGB, diese würden auch für den gegenständlichen Auftrag gelten.

[7] 1.3. Nach Ansicht des Berufungsgerichts könne aus diesen Feststellungen nicht (zwingend) der Schluss gezogen werden, dass die Parteien für sämtliche Geschäfte ein Kontrahieren nur unter Zugrundelegung der AGB des Beklagten vereinbart hätten, zumal offen bleibe, wie viele Angebote der Beklagte vor dem hier mündlich geschlossenen Vertrag insgesamt an die Klägerin übermittelt habe.

[8] An dieser Beurteilung weckt der Beklagte keine Bedenken, schon weil das Wort „ansonsten“ in den drei festgestellten schriftlichen Angeboten Raum für andere – abweichende – Vereinbarungen lässt. Der Beklagte zeigt auch nicht auf, aus welchen Gründen die Klägerin konkret doch davon hätte ausgehen müssen, er wolle ausschließlich zu seinen AGB kontrahieren. Er beschränkt sich auf einen Hinweis auf die bereits länger bestehende Geschäftsbeziehung. Damit hat er aber (noch) nicht bewiesen, dass seine AGB im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung immer konkludent mitvereinbart worden wären.

[9] Darüber hinaus verschweigt der Beklagte, inwiefern die Klägerin überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, den Inhalt seiner AGB zur Kenntnis zu nehmen.

[10] 2. Im Weiteren meint der Revisionswerber, die Vorinstanzen hätten der Klägerin zu Unrecht kein Mitverschulden angelastet.

[11] 2.1. Den Beklagten trifft die Behauptungs‑ und Beweislast für ein allfälliges Mitverschulden der Klägerin (RS0022560). Die Prüfung des Mitverschuldens hat sich auf jene tatsächlichen Umstände zu beschränken, die vom Schädiger eingewendet wurden (RS0022560 [T19]).

[12] 2.2. Der Beklagte wirft der Klägerin im Revisionsverfahren vor, sie habe mit der Errichtung der Plattform ohne Freigabe der Planunterlagen begonnen. Bereits das Erstgericht hat allerdings festgehalten, dass der Beklagte einen derartigen Einwand in erster Instanz nicht erhoben hat. Das Berufungsgericht hat einen daraufhin vom Beklagten geltend gemachten Erörterungsmangel mit der Begründung verneint, er habe weder im erst‑ noch im zweitinstanzlichen Verfahren behauptet, seiner Statik wäre, da die von ihm zu verantwortenden Berechnungsfehler im Zuge des Prüfprozesses erkannt worden wären, keine Freigabe erteilt worden und der fehlende Prüfvermerk daher für den Schaden kausal geworden.

[13] Demsetzt der Beklagte in der Revision nichts Stichhältiges entgegen: Mit seinemVerweis auf Ausführungen des Erstgerichts im Gutachtensauftrag spricht er kein Tatsachenvorbringen an. Die Zitate aus seinem Vorbringen betreffen lediglich (behauptete) Ausführungsmängel der Klägerin bei Herstellung der Plattform zu denen das Erstgericht ohnehin Feststellungen getroffen hat. Soweit es an einem ausreichenden Tatsachenvorbringenfehlt, waren aber auch keine weiteren Feststellungen zu treffen (vgl RS0053317 [T2, T4]).

[14] 2.3. Zu den Ausführungsfehlern steht für den Obersten Gerichtshof bindend fest, dass die Konstruktion aufgrund der falschen Statik des Beklagten auch dann während des Betonierens eingestürzt wäre, wenn die Klägerin „alles richtig gemacht“ hätte. Der Beklagte hat daher nicht nachgewiesen, dass die Fehler der Klägerin ebenfalls für den Schaden kausal waren (RS0022831). Daran ändert auch die Feststellung nichts, dass bei einer von zwei denkbaren fachgerechten Alternativstatiken ein Gesamtversagen aufgrund vorhandener Ausführungsfehler „wenig wahrscheinlich, allerdings auch nicht unmöglich“ gewesen wäre. Die (offenbar auf den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens abzielende) Behauptung des Beklagten, die Formulierung erreiche nicht dasgesetzlich vorgesehene Beweismaß, beruht auf einem Fehlzitat der Feststellungen („weniger wahrscheinlich“). Zudem verkennt der Beklagte, dass die Behauptungs‑ und Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativerhalten eingetreten wäre, ohnehin bei ihm läge (RS0111706 [T1]).

[15] 3. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor.

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