European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00132.23X.0927.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 751,92 EUR (darin enthalten 125,32 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
[1] Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zwischen der Klägerin als Versicherungsnehmerin und der Beklagten liegen deren Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung R918 (ARB 2017) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:
„ Artikel 9
Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen? [...]
[...]
2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhaltes unter Berücksichtigung der Rechts- und Beweislage zum Ergebnis,
[...]
2.2 dass diese Aussicht auf Erfolg nicht hinreichend, d. h. ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist als ein Obsiegen, ist er berechtigt, die Übernahme der an die Gegenseite zu zahlenden Kosten abzulehnen;
2.3 dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.“
Rechtliche Beurteilung
[2] Da die Beklagte in ihrer Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[3] 1. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[4] 2.1. In der Rechtsschutzversicherung ist bei Beurteilung der Erfolgsaussichten kein strenger Maßstab anzulegen (RS0081929). Eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des Erfolgs genügt (RS0117144 [T3]). Die vorzunehmende Beurteilung, ob „keine oder nicht hinreichende Aussicht auf Erfolg“ besteht, hat sich am Begriff „nicht als offenbar aussichtslos“ des die Bewilligung der Verfahrenshilfe regelnden § 63 ZPO zu orientieren. „Offensichtlich aussichtslos“ ist eine Prozessführung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann, insbesondere bei Unschlüssigkeit aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand (RS0116448; RS0117144). Ist der Sachverhaltsvortrag des Versicherungsnehmers von vornherein unschlüssig oder offensichtlich unrichtig, so kann der Versicherer den Versicherungsschutz ablehnen (7 Ob 55/23y mwN).
[5] Die Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Rechtsschutzversicherung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0081929 [T3]). Auch die Auslegung des Vorbringens einer Partei bildet grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage, weil deren Bedeutung nicht über den Einzelfall hinausgeht (RS0042828 [T16]).
[6] 2.2. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich, dass sie eine Klagsführung gegen die V* AG als Herstellerin ihres Fahrzeugs beabsichtigt. Weiters brachte die Klägerin vor, in ihrem Fahrzeug sei der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgelieferte Motor EA189 verbaut und (an anderer Stelle) sie beabsichtige, den Minderwert des Fahrzeugs von 30 % geltend zu machen. Wenn die Vorinstanzen bei diesen Umständen des Einzelfalls zum Ergebnis gelangten, die Klägerin habe die beabsichtigte Anspruchsverfolgung ausreichend schlüssig dargelegt, sodass der Einwand der Beklagten, es bestehe gemäß Art 9.2.3 ARB 2017 keine Aussicht auf Erfolg, nicht greife, so ist dies nicht korrekturbedürftig (7 Ob 120/23y; 7 Ob 114/23z).
[7] 2.3. Auch die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der von der Beklagten erhobene Einwand, wonach dem Kläger kein Schaden entstanden sei, weil er ein mangelfreies Fahrzeug erworben habe und dieses uneingeschränkt und mit keinen über den normalen Betrieb hinausgehenden Problemen nutzen habe können, als Tatfrage im Haftpflichtprozess zu beurteilen und für die Deckungspflicht unbeachtlich sei, ist nicht korrekturbedürftig (7 Ob 89/23y mwN; 7 Ob 114/23z; ua).
[8] 3. Die weiteren in erster Instanz erhobenen Einwände hat die Beklagte in ihrer Berufung nicht aufrechterhalten, sodass deren Geltendmachung in der Revision nicht mehr möglich ist (RS0043338 [T13]; RS0043573 [T43]). Im Übrigen wurden diese Einwände der Beklagten bereits in zahlreichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs verworfen (vgl zuletzt etwa 7 Ob 114/23z; 7 Ob 120/23g).
[9] 4. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
[10] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.
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