OGH 5Ob121/23i

OGH5Ob121/23i10.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Gemeinde P*, vertreten durch Dr. Christoph Gernerth Mautner Markhof und andere, Rechtsanwälte in Hallein, wegen Grundstücksveränderungen (Ab‑ und Zuschreibung) nach §§ 15 ff LiegTeilG ob den Liegenschaften EZZ * und *, je KG *, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 16. Mai 2023, AZ 53 R 35/23p, mit dem der Rekurs des Eigentümers der Liegenschaft EZ * KG *, C*, gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Hallein vom 13. Jänner 2023, TZ 157/2023, in einen Einspruch umgedeutet wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00121.23I.0810.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Grundbuchsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

DerRevisionsrekurs wirdzurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die antragstellende Gemeinde begehrte die lastenfreie Abschreibung von Teilen des Grundstücks 192/16 der EZ * KG * im Ausmaß von 19 m² und deren Zuschreibung zur EZ * derselben Katastralgemeinde. Mit Beurkundung vom 21. 8. 2022 habe das Vermessungsamt bestätigt, dass die Anlage (Verbreiterung einer Straße) fertiggestellt sei bzw herbeigeführt werden würde. Der grundbücherlichen Übertragung liege der Bescheid der Gemeinde vom 17. 7. 2019, Zahl 031-7/27-2018/DrMi, zugrunde. Die Widmung zum Gemeingebrauch und/bzw die Aufhebung aus dem Gemeingebrauch werde bestätigt.

[2] Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag.

[3] Dagegen erhob der Eigentümer der von der Abschreibung betroffenen Liegenschaft Rekurs, in dem er unter anderem geltend machte, es bedürfe eines gültigen Erwerbsgrundes, mit dem die Gemeinde Eigentum am genannten Grundstück erwerben könne. Dieser müsse mit unbedenklichen Urkunden nachgewiesen werden. Er habe in die Abschreibung nie eingewilligt. Mangels Titels sei die Einverleibung nichtig. Die Beurkundung vom 21. 8. 2022 sei unrichtig.

[4] Das Rekursgericht sprach aus, dass der „Rekurs“ des Eigentümers als Einspruch nach § 20 LiegTeilG zu behandeln sei, und trug dem Erstgericht die Durchführung des darüber vorgesehenen Verfahrens auf. Den Revisionsrekurs ließ es zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehle, ob und unter welchen Voraussetzungen im vereinfachten Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG ein Rekurs, in dem lediglich das fehlende Einvernehmen bzw die fehlende Enteignung geltend gemacht werde, in einen Einspruch umzudeuten sei.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Revisionsrekurs ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG) – nicht zulässig.

[6] 1. Nach § 32 Satz 1 LiegTeilG richtet sich die Anfechtung von Beschlüssen, die sich auf das Ansuchen einer Partei um Bewilligung einer grundbücherlichen Eintragung beziehen, einschließlich solcher Anträge, die vom Vermessungsamt beurkundet werden, nach den Bestimmungen der §§ 122 ff GBG.

[7] 1.2. Nach § 126 Abs 2 GBG gelten für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses die Bestimmungen der §§ 62 ff AußStrG. Als „Revisionsrekurs“ erfasst § 62 AußStrG alle Rekurse gegen „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangene" Beschlüsse des Rekursgerichts (RIS‑Justiz RS0120565).

[8] 1.3 Gegenstand des Antrags, über den das Erstgericht entschieden hat, ist die Abschreibung von Grundstücksteilen nach den Sonderbestimmungen der §§ 15 ff LiegTeilG für die Verbücherung einer in der Natur bereits vollendeten Straßenanlage. Der Eigentümer bekämpfte mit seinem „Rekurs“ die vom Erstgericht angeordnete lastenfreie Abschreibung von Teilen seiner Liegenschaft. Die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz, mit der es das Rechtsmittel des Eigentümers als Einspruch nach § 20 LiegTeilG deutete und dem Erstgericht die Durchführung des darüber vorgesehenen Verfahrens auftrug, ist damit „im Rahmen des Rekursverfahrens“ ergangen. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist daher nur unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zulässig. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor:

[9] 2. Die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs ist nach ständiger Rechtsprechung unschädlich, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist. In einem solchen Fall wird die Behandlung des Rechtsmittels in einer dem Gesetz entsprechenden Weise nicht gehindert (RS0036258; vgl auch RS0036410; RS0036652). Das ergibt sich für das streitige Verfahren schon aus der Bestimmung des § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO. Wenngleich eine entsprechende Bestimmung im AußStrG fehlt, ist dieser Grundsatz auch im Verfahren außer Streitsachen anzuwenden (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² § 10 Rz 35; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, AußStrG³ § 10 Rz 11 mwN) und kommt zufolge § 75 Abs 2 GBG daher auch im Grundbuchsverfahren zum Tragen.

[10] 2.1. Zu der vom Rekursgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage kann daher auf bereits bestehende Rechtsprechung zurückgegriffen werden (vgl 3 Ob 101/07k).

[11] 2.2. Die Frage, ob ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf nur falsch bezeichnet oder ein der Verfahrensordnung widersprechender Verfahrensschritt beabsichtigt wurde, kann nur durch Auslegung des Vorbringens im Einzelfall beantwortet werden (RS0036258 [T12]). Die Auffassung des Rekursgerichts, dass hier nur eine Fehlbezeichnung vorlag, ist vertretbar und daher nicht revisibel.

[12] 2.3. Nach § 20 Abs 1 Satz 1 LiegTeilG idF der GB‑Nov 2008 kann der Eigentümer oder ein Buchberechtigter, der behauptet, durch die bücherliche Durchführung der Änderungen in seinen bücherlichen Rechten verletzt zu sein, weil weder Einvernehmen über die Rechtsabtretung bzw ein Rechtsverlust besteht, noch ein förmliches Enteignungsverfahren durchgeführt wurde, innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Beschlusses Einspruch erheben. Über den Einspruch hat das Gericht nach § 20 Abs 1 Satz 3 iVm § 14 Abs 1 zweiter bis fünfter Satz und Abs 2 LiegTeilG von Amts wegen nach den Grundsätzen des Außerstreitverfahrens zu entscheiden (5 Ob 126/14m; 5 Ob 153/16k ua). Mit diesem Einspruch kann der Eigentümer oder ein Buchberechtigter die Verletzung seiner bücherlichen Rechte geltend machen. Die Einwendungen im Einspruchsverfahren sind aber beschränkt: Nur das Fehlen des Einvernehmens bzw die fehlende Enteignung kann aufgezeigt werden. Sie können nicht mit Rekurs nach § 32 LiegTeilG geltend gemacht werden (Rassi, Grundbuchsrecht³ Rz 6.28).

[13] 2.4. Der Eigentümer hat seine als Rekurs bezeichnete Eingabe binnen der Frist von 30 Tagen eingebracht und darin sinngemäß geltend gemacht, dass die Antragstellerin über keinen Titel verfüge, um das Eigentum an Teilen seines Grundstücks zu erwerben, und damit eine wirksame Enteignung dieser Teilflächen in Abrede gestellt. Auch habe er in die Abschreibung nie eingewilligt. Dabei handelt es sich um Einwendungen, die dem Einspruch nach § 20 LiegTeilG vorbehalten sind. Es ist damit im Einzelfall auch nicht zu beanstanden, dass das Rekursgericht das Rechtsmittel als Einspruch deutete und dem Erstgericht die Einleitung des Verfahrens darüber auftrug.

[14] 3. Der Eigentümer kann parallel zu einem Einspruch auch einen Rekurs erheben (Rassi aaO Rz 6.28). Ob er in seiner Eingabe allenfalls auch taugliche Rekursgründe geltend gemacht hat, muss aus Anlass des Rechtsmittels der Antragstellerin nicht geprüft werden. Schon deshalb kann sie mit ihren Ausführungen zur Verspätung des Rekurses, weil dieser nach Ablauf der Frist des § 46 AußStrG angebracht worden sei, keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen. Abgesehen davon übergeht sie § 32 Satz 1 LiegTeilG.

[15] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG).

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