OGH 14Os46/23f

OGH14Os46/23f1.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. August 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Mair in der Strafsache gegen * M* wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, AZ 32 U 227/21g des Bezirksgerichts Floridsdorf, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 2023, AZ 132 Bl 84/22i, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, und des Verteidigers Mag. Haas zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00046.23F.0801.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In der Strafsache AZ 32 U 227/21g des Bezirksgerichts Floridsdorf verletzt das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 2023, AZ 132 Bl 84/22i, § 39 Abs 1 StGB und § 270 Abs 4 Z 2 StPO iVm § 291 StPO.

Dieses Urteil sowie der zugleich ergangene Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der diesbezüglichen Probezeit werden aufgehoben und es wird dem genannten Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 25. April 2022, GZ 32 U 227/21g‑12, aufgetragen.

 

Gründe:

[1] Mit Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 25. April 2022, GZ 32 U 227/21g‑12, wurde * M* des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt und zu einer – bedingt nachgesehenen (§ 43 Abs 1 StGB) – Freiheitsstrafe verurteilt (I). Mit zugleich ergangenem Beschluss wurde vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht abgesehen (§ 494a Abs 1 Z 2 StPO; II/1) und (ohne gesonderte Ausfertigung – siehe aber Danek/Mann,WK‑StPO § 270 Rz 50 mwN) die Bewährungshilfe angeordnet (§ 50 Abs 1 StGB; II/3).

[2] Der dagegen von der Staatsanwaltschaft (zum Nachteil des Angeklagten) erhobenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 14) wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 2023, AZ 132 Bl 84/22i, Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 39 Abs 1 StGB nach § 127 StGB (unter Beibehaltung bedingter Strafnachsicht) erhöht (I). Weiters wurde mit zugleich ergangenem Beschluss der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und – gestützt auf „§ 53 Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 6 StPO“ – vom Widerruf der mit Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 7. Oktober 2021, AZ 10 U 147/21p, gewährten bedingten Nachsicht einer Freiheitsstrafe abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert (II).

Rechtliche Beurteilung

[3] Das Urteil des Berufungsgerichts steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang.

[4] Die Vorschriften über den Inhalt der Urteilsausfertigung (§ 270 Abs 2 und 4 StPO) sind – in analoger Anwendung des § 291 StPO – auch für die Ausfertigung von Rechtsmittelentscheidungen der Landesgerichte gegen Urteile der Bezirksgerichte anzuwenden (Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 28 mwN; zur analogen Anwendung des § 291 StPO im Zusammenhang mit der Protokollführung in der Berufungsverhandlung s RIS‑Justiz RS0125853; instruktiv 12 Os 37/10y, 62/10z; Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 471 Rz 3).

[5] Nach § 270 Abs 4 Z 2 StPO (hier iVm § 291 StPO analog) hat die Urteilsausfertigung im Fall einer Verurteilung (unter anderem) die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in gedrängter Darstellung zu enthalten. Darunter ist auch die erforderliche Sachverhaltsgrundlage zur Beurteilung des – hier vom Rechtsmittelgericht angenommenen (US 1, 3) – Vorliegens der Voraussetzungen für eine Strafschärfung nach § 39 Abs 1 StGB zu verstehen (vgl 13 Os 49/21m, 50/21h [Rz 15 mwN]; vgl 12 Os 97/20m; RIS‑Justiz RS0134000).

[6] Derartiges ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen. Denn es enthält zwar Ausführungen zu Strafbemessungsgründen, verweist dabei jedoch lediglich auf „die einschlägigen Vorstrafen“ sowie auf die Feststellungen des Erstgerichts (US 2), welches seinerseits ebenfalls bloß „das Vorhandensein dreier einschlägiger Vorstrafen“ unter expliziter Anführung (nur) der seit 12. Oktober 2021 rechtskräftigen Verurteilung des M* durch das Bezirksgericht Donaustadt vom 7. Oktober 2021, AZ 10 U 147/21p, „wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 1 Monat“ feststellte (ON 12 S 2 f), ohne weitere für die genannte Strafschärfung maßgebliche Umstände anzuführen. Solcherart verletzt es § 39 Abs 1 StGB und § 270 Abs 4 Z 2 StPO iVm § 291 StPO.

[7] Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, die Feststellung dieser Gesetzesverletzungen gemäß § 292 letzter Satz StPO auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen, weil eine nachteilige Wirkung für den Verurteilten nicht auszuschließen ist (zur Aufhebung [auch] des Beschlusses gemäß § 494a StPO vgl RIS-Justiz RS0101886; Jerabek/Ropper, WK‑StPO § 494a Rz 11 und § 498 Rz 8).

[8] Vom aufgehobenen Urteil rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten gleichermaßen als beseitigt (RIS‑Justiz RS0100444).

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