OGH 2Ob129/23v

OGH2Ob129/23v25.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am * 2021 verstorbenen D*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Witwers D*, vertreten durch Mag.Antonia Cermak, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 19. April 2023, GZ 20 R 82/23h‑61, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00129.23V.0725.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Erblasserin setzte ihre Kinder testamentarisch zu Erben ein. Der Rechtsmittelwerber ist der pflichtteilsberechtigte Witwer. Er beantragte die Inventarisierung des Nachlasses und stellte noch vor Errichtung des Inventars den Antrag, mehrere (strittige) Forderungen der Erblasserin gegen ihn nicht in das Inventar aufzunehmen.

[2] Das Erstgerichtordnete an, diese Forderungen in das Inventar aufzunehmen.

[3] Das Rekursgericht wies einen dagegen gerichteten Rekurs des Witwers zurück.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Witwers zeigt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht auf:

[5] 1. Als „Revisionsrekurs“ erfasst § 62 AußStrG alle Rekurse gegen „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangene“ Beschlüsse des Rekursgerichts und damit auch die Zurückweisung des Rekurses wegen § 45 Satz 2 AußStrG (RS0120565 [T16]).

[6] 2. In Verlassenschaftsverfahren liegt regelmäßig ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur vor (RS0122922), wobei sich die Bewertung regelmäßig an der Höhe der Aktiva und Passiva zu orientieren hat (RS0122922 [T5]). Dies gilt auch im Fall verfahrensrechtlicher Entscheidungen (RS0122922 [T2]).

[7] Das Rekursgericht hätte ausgehend davon gemäß § 59 Abs 2 AußStrG einen Bewertungsausspruch vornehmen müssen. Aufgrund der Aktenlage ist von 30.000 EUR eindeutig übersteigenden Aktiva auszugehen, auch die Höhe der strittigen Forderungen übersteigt 30.000 EUR bei Weitem. Insgesamt kann damit eine Rückstellung an das Rekursgericht unterbleiben (RS0007073 [T10]).

[8] 3. Beschlüsse, die im Verfahren zur Errichtung des Inventars gefasst werden, haben grundsätzlich verfahrensleitenden Charakter und sind daher nicht selbständig anfechtbar. Ihre Richtigkeit kann in gewissen Fällen mittelbar dadurch überprüft werden, dass eine Partei nach Errichtung des Inventars einen Antrag nach § 166 Abs 2 AußStrG oder einen auf formale Mängel des Inventars (Substanzlosigkeit, fehlende Nachvollziehbarkeit, Missachtung der Rahmenbedingungen für die Bewertung) gestützten Antrag nach § 7a GKG stellt. Über solche Anträge ergehende Beschlüsse sind nach den allgemeinen Grundsätzen anfechtbar (RS0132172).

[9] 4. Die gegen die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall durch das Rekursgericht vorgebrachten Argumente überzeugen nicht:

[10] 4.1. Entgegen der Behauptung im Revisionsrekurs hatte der Gerichtskommissär das Inventar zum relevanten Zeitpunkt der Antragstellung des Witwers (2 Ob 19/20p Rz 11) ausgehend von der eindeutigen Aktenlage noch nicht errichtet.

[11] 4.2. Die Ausführungen im Revisionsrekurs bieten keinen Anlass, von der unter Punkt 3. dargelegten, gefestigten Rechtsprechung des Fachsenats abzugehen, die auf der ausführlich begründeten und – soweit ersichtlich – in der Lehre nicht auf Kritik gestoßenen Entscheidung 2 Ob 64/18b (2 Ob 65/18z) beruht. Den vom Gesetzgeber mit den Neuregelungen zur Inventarerrichtung im Rahmen des AußStrG 2005 verfolgten Zweck hat der Fachsenat in dieser Entscheidung unter Bezugnahme auf die Materialien unter anderem in einer Beschleunigung des Verfahrens durch formlosere Gestaltung gesehen. Dem hält der Revisionsrekurs nichts Stichhaltiges entgegen.

[12] 4.3. Das im Revisionsrekurs behauptete Rechtsschutzdefizit liegt nicht vor, steht es doch dem pflichtteilsberechtigten Witwer nach Vorliegen des Inventars offen, entsprechende Anträge zu stellen (2 Ob 200/20f Rz 5) und den über diese Anträge ergehenden Beschluss als „Entscheidung über die Sache“ iSd § 45 AußStrG zu bekämpfen (2 Ob 64/18b [2 Ob 65/18z] Punkt A.3.3.). Auf die im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage zu den Möglichkeiten eines Pflichtteilsberechtigten, den Einantwortungsbeschluss zu bekämpfen (vgl dazu etwa 2 Ob 183/15y Punkt 2.5.), ist mangels Entscheidungsrelevanz damit nicht näher einzugehen.

[13] 5. Insgesamt war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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