OGH 3Nc12/23d

OGH3Nc12/23d19.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn und die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Ordinationssache der betreibenden Partei G* K*, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei M* Limited, *, Malta, wegen 60.466,10 EUR sA, über den Antrag auf Ordination nach § 28 JN den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030NC00012.23D.0719.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 28 JN für die beabsichtigte Exekution wird abgelehnt.

Der Antrag der betreibenden Partei auf Kostenzuspruch wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Nach dem Vorbringen im Ordinationsantrag hat die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin, eine Gesellschaft mit Sitz in Malta, ein rechtskräftig und vollstreckbares Urteil offenbar auf Rückzahlung von Spielverlusten erwirkt. Da sich die Antragsgegnerin weigere, das Urteil zu erfüllen, beabsichtige die Antragstellerin, die Domains „www.m*.at“ und „www.g*.com/at“ zu pfänden und zu verkaufen. Zudem wolle sie das Kontoguthaben der Antragsgegnerin bei der „Bank of Valletta“ pfänden. Bisher sei die Ordination in vergleichbaren Fällen abgelehnt worden (vgl 3 Nc 22/20w). Zwischenzeitlich habe sich die Sach- und Rechtslage jedoch geändert, weil Malta ein (in Kraft getretenes) Gesetz verabschiedet habe, das besage, dass rechtskräftige und vollstreckbare Urteile aus Österreich gegen Gesellschaften in Malta, die über eine maltesische Glücksspiellizenz verfügten, nicht vollstreckt werden dürften.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die Voraussetzungen für eine Ordination nach § 28 JN liegen nicht vor.

[3] 1. Eine Ordination ist auch in Exekutionssachen zulässig, wenn es an einem örtlich (bzw international örtlich) zuständigen inländischen Gericht mangelt (RS0053178) und eine der in § 28 Abs 1 JN normierten Voraussetzungen vorliegt. Im vorliegenden Fall kommt als Rechtsgrundlage für die Bestimmung eines zuständigen Gerichts § 28 Abs 1 Z 2 JN in Betracht. Danach ist die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof (nur) dann zulässig, wenn die betreibende Partei ihren Wohnsitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder nicht zumutbar wäre (3 Nc 5/21x).

[4] Im Anwendungsbereich der EuGVVO ist eine Ordination für Verfahren gegen Rechtssubjekte, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, aber nur in Ausnahmefällen möglich (RS0053178 [T3 und T7]; 3 Nc 5/21x). Eine solche Ausnahme käme vor allem dann in Betracht, wenn der Versuch einer Exekutionsführung im Ausland gescheitert wäre oder die beabsichtigte zwangsweise Rechtsdurchsetzung nach der Rechtsprechung im anderen Mitgliedstaat generell nicht bewilligt werden würde (3 Nc 5/21x).

[5] 2. Davon ist im Anlassfall nicht auszugehen.

[6] 2.1 Zum einen ist ungeklärt, wie die maltesischen (Exekutions-)Gerichte das von der Betreibenden ins Treffen geführte neue Gesetz Nr XXI/2023 zur Anpassung des Glücksspielgesetzes auslegen. Dieses Gesetz enthält mehrere unbestimmte Gesetzesbegriffe und knüpft die Unzulässigkeit einer Klage oder eines Exekutionsantrags gegen einen legitimen maltesischen Glücksspielanbieter an die Voraussetzung, dass die Klage/der Antrag mit „der Rechtmäßigkeit“ der Bereitstellung von Glücksspieldienstleistungen aus Malta in Konflikt steht bzw sich auf eine Tätigkeit eines solchen Anbieters bezieht, die nach dem maltesischen Glücksspielgesetz „und anderen anwendbaren regulatorischen Instrumenten“ rechtmäßig ist.

[7] Soweit sich die „Rechtmäßigkeit des Glücksspielangebots“ nach der Rechtsprechung der maltesischen Gerichte auch auf das Unionsrecht beziehen sollte und ausländische Urteile daher nur dann nicht vollstreckt werden, wenn sie im Widerspruch zum übergeordneten Unionsrecht stehen, müssten österreichische Urteile, mit denen die Rückzahlung von Spielverlusten aus in Österreich konzessionslos veranstalteten Glücksspielen angeordnet wird, auch vollstreckt werden.

[8] 2.2 Zum anderen ist unklar, ob und auf welche Weise die maltesischen (Exekutions-)Gerichte das in Rede stehende neue maltesische Gesetz zur Anpassung des Glücksspielgesetzes anwenden. Die Antragstellerin geht mit guten Gründen selbst davon aus, dass das neue Gesetz unionsrechtswidrig ist und gegen die Freizügigkeit europäischer gerichtlicher Entscheidungen, insbesondere gegen Art 36 ff und Art 45 f EuGVVO 2012 verstößt. Davon ausgehend liegt es durchaus nahe, dass die maltesischen Gerichte das in Rede stehende Gesetz bei einem Antrag auf Vollstreckung eines österreichischen Urteils gegen einen maltesischen Glücksspielanbieter entweder gar nicht anwenden oder die Frage der möglichen Unionsrechtswidrigkeit des maltesischen Gesetzes im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vom EuGH klären lassen. Die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens durch maltesische Gerichte ist auch zweckmäßig, zumal diese besser in der Lage sind, allfällige Rechtfertigungsgründe, die die maltesische Regierung zur Rechtfertigung der angeordneten „Klags- und Vollstreckungssperre“ heranziehen will, vor dem EuGH vorzutragen.

[9] 3. Angesichts dieser Rechtslage sind die Voraussetzungen für eine Ordination gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN derzeit nicht erfüllt.

[10] Im Ordinationsverfahren findet kein Kostenersatz statt, weil es sich dabei um ein einseitiges Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof handelt, dem der Gegner nicht beigezogen wird (vgl RS0114932).

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