OGH 15Os58/23b

OGH15Os58/23b29.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juni 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz, Dr. Mann und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Eschenbacher in der Strafsache gegen * S* H* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 20. März 2023, GZ 18 Hv 8/23v‑49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00058.23B.0629.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* H* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in V* von September bis zumindest 10. Oktober 2022 vorschriftswidrig zur Einfuhr von Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar von Methamphetamin mit einer Reinsubstanz von zumindest 706 Gramm durch unbekannte Täter namens „Mehdi“ und „Reza“ von Armenien nach Österreich/Kärnten beigetragen, indem er sich in Bezug auf diese Suchtgiftquanten entsprechend der vor der Tat getroffenen Absprache gegen ein Entgelt bereit erklärte, die an seine von ihm bekanntgegebene Wohnadresse adressierte Suchtgiftsendung aus Armenien entgegenzunehmen, zwischenzulagern und schließlich an eine bekanntzugebende Zieladresse weiterzuleiten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, welche sich als nicht berechtigt erweist.

[4] In der Hauptverhandlung beantragte der Angeklagte

• die Vernehmung der Polizeibeamtin Mag. * Ho* als Zeugin „zur Frage, ob auf gültige Weise die Menge des Suchtgiftes festgestellt wurde und wie dies geschehen ist“;

• „die Einholung einer Zeugenaussage des in Armenien befindlichen Hos* zum Beweis dafür, dass dieser Zeuge eine den Angeklagten belastende Aussage nicht getätigt hat,“ und

• „die Ausmittlung und Einvernahme eines unbekannten Sachbearbeiters einer unbekannten Behörde in Jerewan unter Hinweis auf ON 42, zum Beweis dafür, dass der Angeklagte das Suchtgiftpaket weder bestellt noch bei der Übersendung mitgewirkt hat“ (ON 48 S 7).

[5] Entgegen den Ausführungen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung dieser Beweisanträge Verteidigungsrechte nicht verletzt, zielten sie doch allesamt auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS‑Justiz RS0099353).

[6] Die Mängelrüge behauptet, die erstgerichtliche Feststellung, der Angeklagte habe sich gegen ein Entgelt von 300 bis 500 Euro bereit erklärt, die an ihn adressierte Suchtgiftsendung aus Armenien entgegenzunehmen, zwischenzulagern und an eine in der Folge bekanntzugebende Zieladresse weiterzuleiten (US 2 f), wäre undeutlich, unvollständig und unbegründet (Z 5 erster, zweiter und vierter Fall).

[7] Undeutlichkeit im Sinn des ersten Falls der Z 5 ist nur dann gegeben, wenn nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist, wobei stets die Gesamtheit der Entscheidungsgründe und das Erkenntnis in den Blick zu nehmen sind (RIS‑Justiz RS0099425 [T13]). Weshalb die zitierte Feststellung undeutlich sein sollte, wird allerdings nicht klar.

[8] Soweit Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) vorgebracht wird, fehlt es an der Bezeichnung eines in der Hauptverhandlung vorgekommenen (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisses, welches das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung übergangen hätte (vgl RIS‑Justiz RS0118316).

[9] Die Behauptung, die Feststellung wäre unbegründet geblieben (Z 5 vierter Fall), orientiert sich nicht – wie aber geboten – an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370; US 3 ff).

[10] Die weitere Mängelrüge nimmt auf die beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffengerichts Bezug, wonach der in Armenien festgenommene * Hoss* gegenüber den armenischen Behörden bestätigt habe, von seinem Auftraggeber die Anweisung erhalten zu haben, das gegenständliche Paket an den Angeklagten zu übersenden (US 4), und erblickt eine widersprüchliche Begründung (Z 5 dritter Fall), weil betreffend diese Person nur ein englischsprachiger Bericht vorliege, welcher diese Aussage aber gar nicht enthalte (ON 42). Damit zeigt sie einen Begründungsmangel im Sinn des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes nicht auf (vgl dazu RIS‑Justiz RS0117402). Anzumerken bleibt, dass der Bericht ON 42 in der Hauptverhandlung gar nicht vorgekommen ist (vgl ON 48 S 9; vgl jedoch US 4 iVm ON 39 betreffend Hoss*).

[11] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

[12] Mit dem Vorbringen, die mit der Zustellung beauftragten Beamten der Cobra hätten das Suchtgiftpaket dem Angeklagten nicht übergeben, sondern diesen nur nach seinem Namen gefragt und die „selbstbelastenden Angaben“ des Hoss* wären „in Wahrheit nicht vorhanden“, gelingt es jedenfalls nicht, erhebliche Bedenken zu wecken.

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[14] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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