OGH 8Ob29/23g

OGH8Ob29/23g27.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart in der Rechtssache der klagenden Partei R* GmbH, *, vertreten durch die Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. V* und 2. B*, beide vertreten durch die ZFZ Zeiler Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 49.260 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 28. Februar 2023, GZ 2 R 26/23s‑49, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 9. Dezember 2022, GZ 57 Cg 53/21d‑44, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00029.23G.0627.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin errichtete in der Nähe eines bestehenden Hotels eine Chalet-Anlage. Die Beklagten erwarben von der Klägerin eines dieser Chalets um 774.000 EUR. Im Kaufvertrag wurde vereinbart, dass das Chalet als Teil einer Ferienanlage betrieben und von den Käufern als Wertanlage mit der Verpflichtung erworben wird, die touristische Weitervermietung im Rahmen eines mit der A* GmbH abzuschließenden Betreibervertrags zuzulassen.

[2] Das Chalet wird nunmehr von den Beklagten über die Betreibergesellschaft vermietet. Im Jahr 2021 informierte die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau die Beklagten darüber, dass die Grundstücke im Flächenwidmungsplan als Gebiet für Beherbungsgroßbetriebe mit mehr als 120 Gästezimmern oder 240 Gästebetten ausgewiesen seien. Da das Hotel und die Chalets nicht vom selben Betreiber geführt würden, liege eine widmungswidrige Nutzung vor, weshalb beabsichtigt sei, den Eigentümern und der A* GmbH die Nutzung der Chalets zu untersagen, wobei im Fall des Zuwiderhandelns Verwaltungsstrafen verhängt und weitere Zwangsmaßnahmen gesetzt würden.

[3] Die Klägerin begehrt 49.260 EUR sA an noch ausständigem Kaufpreis. Die Beklagten hätten gegenüber der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau selbst angegeben, dass keine widmungswidrige Nutzung vorliege. Auch sei die Nutzung der Chalets bislang nicht untersagt worden, weshalb kein Mangel vorliege und den Beklagten kein Leistungsverweigerungsrecht zustehe.

[4] Die Beklagten wenden ein, dass das Kaufobjekt mangelhaft sei, weil sich im Chalet entgegen der Zusage einer Mitarbeiterin der Betreibergesellschaft nur sieben statt zwölf Betten befinden würden. Der zugesagte Kinderspielplatz sei nicht errichtet worden, der Wellnessbereich des Hotels könne nicht mitbenutzt werden und der Zugang zum Chalet sei nicht barrierefrei. Darüber hinaus drohe der Anlage die behördliche Schließung, weil das Projekt nur unter der Voraussetzung bewilligt worden sei, dass das Hotel und die Chalets vom selben Betreiber geführt würden, was derzeit aber nicht der Fall sei. Die Beklagten seien daher nach § 1052 ABGB berechtigt, den Kaufpreis bis zur Behebung dieser Mängel zurückzubehalten.

[5] Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Klägerin habe den Beklagten weder weitere Betten, noch eine Nutzungsmöglichkeit des Wellnessbereichs im Hotel, einen barrierefreien Zugang oder einen Kinderspielplatz zugesagt. Auch wenn nunmehr die behördliche Schließung der Anlage drohe, habe die Klägerin ihre Leistung vertragsgemäß erbracht.

[6] Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung dahin ab, dass die Klage abgewiesen wurde. Es liege ein Rechtsmangel vor, weil eine behördliche Schließung der Anlage im Raum stehe, wodurch die Beklagten das Chalet nicht mehr wie im Kaufvertrag vorgesehen gewerblich vermieten könnten. Den Beklagten würde deshalb ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 ABGB zustehen. Die ordentliche Revision sei mangels einer Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zulässig.

[7] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidung des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt und der Klage stattgegeben werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[8] Die Beklagten beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist zulässig, weil der Frage, ob die behördliche Androhung der Schließung des Betriebs einen Rechtsmangel begründen kann, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Revision ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[10] 1. Sachmängel sind Beeinträchtigungen der Sachsubstanz (1 Ob 105/08k; 8 Ob 113/21g). Demgegenüber liegt ein Rechtsmangel vor, wenn dem Erwerber nicht die geschuldete rechtliche Position verschafft wird (3 Ob 5/07t; 10 Ob 21/08y; 5 Ob 26/17k). Unter Rechtsmängel fallen auch öffentlich-rechtliche Fehler, insbesondere das Fehlen einer baubehördlichen (1 Ob 105/08k) oder gewerberechtlichen (7 Ob 184/03i) Bewilligung. Auch eine gegen jederzeitigen Widerruf erteilte Baubewilligung begründet einen Rechtsmangel, weil nach der Verkehrsauffassung das Vorhandensein einer unwiderruflichen Genehmigung vorausgesetzt wird (RIS‑Justiz RS0029427).

[11] 2. Die Klägerin macht geltend, dass kein Rechtsmangel vorliege, weil die Beklagten das Chalet bislang ohne Einschränkungen nutzen haben können, und beruft sich dazu auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 3 Ob 5/07t, wonach die bloß theoretische Aufheb- oder Abänderbarkeit eines Bescheids nach § 68 Abs 3 AVG nicht mit einer unzureichenden Genehmigung gleichgestellt werden darf. Der Oberste Gerichtshof verweist in dieser Entscheidung darauf, dass die nachträgliche – überdies nur ex nunc wirkende – Beseitigung eines Bewilligungsbescheids schon deshalb keine Gewährleistungsansprüche begründen kann, weil nach § 924 erster Satz ABGB nur für bei der Übergabe vorhandene Mängel Gewähr zu leisten ist.

[12] 3. Im vorliegenden Fall stützen sich die Beklagten aber nicht bloß auf den drohenden Entzug einer behördlichen Bewilligung, sondern auch auf die Vorgaben der Raumordnung. Nach § 30 Abs 1 Z 11 Salzburger Raumordnungsgesetz sind auf den als „Gebiet für Beherbergungsgroßbetriebe“ gewidmeten Flächen Bauten für „Beherbergungsgroßbetriebe“ zulässig. Das sind nach § 33 Abs 1 Salzburger Raumordnungsgesetz Gastgewerbebetriebe mit mehr als 120 Gästezimmern oder 240 Gästebetten.

[13] 4. Nach § 19 Abs 2 Salzburger Baupolizeigesetz dürfen bauliche Anlagen nur so verwendet werden, dass die Nutzung in Übereinstimmung mit den raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen steht. Stellt die Baubehörde eine diesen Grundsätzen widersprechende Benützung fest, so hat sie nach § 20 Abs 7 Salzburger Baupolizeigesetz die zur Abstellung der festgestellten Missstände erforderlichen Verfügungen zu treffen, also die Benützung des Objekts zu untersagen (VwGH Ra 2019/06/0143). Der Verstoß gegen ein solches Benützugsverbot kann nach § 23 Abs 1 Z 24 Salzburger Baupolizeigesetz mit Verwaltungsstrafen geahndet werden.

[14] 5. Darf das von den Beklagten erworbene Chalet aufgrund des Flächenwidmungsplans nicht zu dem im Kaufvertrag vereinbarten Zweck, nämlich zur touristischen Vermietung im Rahmen eines mit der A* GmbH abgeschlossenen Betreibervertrags verwendet werden, so liegt ein Rechtsmangel vor, weil die Klägerin den Beklagten nicht die nach dem Vertrag geschuldete rechtliche Position verschafft hat. Dies gilt unabhängig davon, ob die Behörde bereits eingeschritten ist oder nicht, weil eine widmungswidrige Nutzung des Objekts jedenfalls rechtswidrig ist und ein Einschreiten der Behörde deshalb jederzeit zu befürchten ist. Umgekehrt begründet aber die bloße Androhung der Behörde, die Anlage zu schließen und den Beklagten die Nutzung des Chalets zu untersagen, keinen Rechtsmangel, wenn dafür tatsächlich keine rechtliche Grundlage besteht.

[15] 6. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen keine hinreichenden Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die touristische Vermietung des Chalets im Rahmen eines mit der A* GmbH abgeschlossenen Betreibervertrags gegen die Vorgaben der Raumordnung verstößt. Der bloße Verweis auf ein Schreiben der Gewerbebehörde reicht dafür nicht aus. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die Vorgaben des Flächenwidmungsplans mit den Parteien erörtern und daraufhin Feststellungen zur Beschaffenheit und zum Betrieb der dortigen Anlage treffen müssen.

[16] 7. Weiters wird zu berücksichtigen sein, dass das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 ABGB einen Verbesserungsanspruch des Käufers voraussetzt (RS0019929). Die Zurückbehaltung des Kaufpreises bis zur gehörigen Erfüllung des Vertrags soll den Verkäufer nämlich dazu veranlassen, seine mangelhafte Leistung zu verbessern (RS0018507). Ist ein Mangel aber nicht behebbar oder lässt der Käufer die Verbesserung nicht zu, wird der Werklohn fällig (RS0019929 [T8, T9]). Demgegenüber besteht bei unbehebbaren Mängeln nur das Recht zur Wandlung oder Preisminderung (RS0019929 [T13]). Da die Frage der Behebbarkeit des behaupteten Rechtsmangels im erstinstanzlichen Verfahren nicht thematisiert wurde, wird das Erstgericht dies für den Fall, dass ein Rechtsmangel zu bejahen ist, im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien erörtern und entsprechende Feststellungen treffen müssen.

[17] 8. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

[18] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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