OGH 2Ob112/23v

OGH2Ob112/23v27.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD. Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*, vertreten durch Dr. Wolfgang Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei T*, vertreten durch Dr. Sabine Prantner, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen 30.000 EUR sA und Feststellung über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. April 2023, GZ 1 R 185/22y‑87, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00112.23V.0627.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen gaben dem Schadenersatz- und Feststellungsbegehren der Klägerin gegen die beklagte Rechtsträgerin eines Universitätsklinikums statt, weil die behandelnden Ärzte die bei der operativen Entfernung der Gebärmutter entstandene, schicksalhafte Schädigung des Harnleiters trotz anhaltender Beschwerden postoperativ nicht erkannt und behandelt hätten. Ein Mitverschulden treffe die Klägerin nicht.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[3] 1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[4] 2. Das Mitverschulden im Sinne des § 1304 ABGB setzt kein Verschulden im technischen Sinne voraus. Auch Rechtswidrigkeit des Verhaltens ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr eine Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern, worunter auch die Gesundheit fällt (RS0022681). Mitverschulden kann auch in vorwerfbarer Untätigkeit liegen (RS0022681 [T3]). Voraussetzung ist, dass dem Geschädigten sein Verhalten, auch entsprechend seinem Wissensstand, subjektiv vorwerfbar (RS0022681 [T8]) und es für die Entwicklung des Schadens kausal ist (RS0022831 [T2, T3]).

[5] 3. Die Frage, ob dem Geschädigten ein Mitverschulden an dem von ihm geltend gemachten Schaden trifft, erfüllt – soweit nicht eine grobe Fehlbeurteilung vorliegt – wegen der Einzelfallbezogenheit regelmäßig nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO (RS0087606 [T11, T25]; RS0044088 [T30]).

[6] 4. Die Klägerin nahm einen präoperativ zur Abklärung ihrer Schmerzmittelunverträglichkeit vereinbarten Termin wegen einer Erkrankung nicht wahr. Mangels eines vereinbarten Kontrolltermins und im Vertrauen auf die Auskunft der behandelnden Ärzte, ihre schon während des Krankenhausaufenthalts geschilderten Schmerzzustände samt aufgeblähtem Bauch seien postoperativ normal, suchte sie erst neun Tage nach ihrer Entlassung wegen anhaltend massiver Unterbauchschmerzen und Übelkeit ihren Hausarzt auf, der eine umgehende Transferierung ins Krankenhaus veranlasste.

[7] Wenn das Berufungsgericht auf dieser Sachverhaltsgrundlage vorwerfbare Sorglosigkeiten der Klägerin in eigenen Angelegenheiten verneint hat, ist dies jedenfalls vertretbar.

[8] 5. Soweit die Beklagte auch argumentiert, den Ärzten sei bis zur Entlassung die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen nicht erkennbar gewesen, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt.

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