OGH 4Ob234/22y

OGH4Ob234/22y31.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* Gesellschaft m.b.H. & Co KG, *, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei M* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 45.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. November 2022, GZ 33 R 100/22a-22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00234.22Y.0531.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist Medieninhaberin und Veranstalterin eines TV-Senders, der terrestrisch, über Kabel und via Satellit verbreitet wird. Weiters ist sie Medieninhaberin und Veranstalterin eines Mediendienstes auf Abruf und einer Website.

[2] Die Beklagte ist Medieninhaberin von Tageszeitungen, die in Form von Kaufausgaben und Gratisausgaben vertrieben werden.

[3] Die Klägerin strahlte am 4. 9. 2021 eine Sendung aus. Nach der „Teletest“-Auswertung des Vereins Arbeitsgemeinschaft Teletest (AGTT) hatte diese Sendung in der ersten Stunde eine Durchschnittsreichweite von 1.020 Zusehern und in der zweiten Stunde eine solche von 410 Zusehern. Zusätzlich konnte die Sendung als Live-Stream auf der Website der Klägerin mitverfolgt werden, wobei nicht feststellbar ist, wie viele Personen davon Gebrauch machten. Ebenso wenig feststellbar ist, wie viele Personen die Sendung im klägerischen Mediendienst auf Abruf ansahen.

[4] Die Beklagte veröffentlichte am 6. 9. 2021 in ihren Tageszeitungen einen Beitrag über diese Sendung, der auszugsweise wie folgt lautete:

Peinlich: Nur 1.020 Zuseher … [Der Sender der Klägerin] schaffte … am Samstag-Abend laut Teletest in der ersten Stunde … gerade mal 1.020  (!) Zuseher. In der zweiten Stunde … nur noch 410 (!) Zuseher …

 

[5] Die Klägerin begehrte von der Beklagten im Wesentlichen es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Fernsehsendungen der Klägerin weniger Zuseher zuzuschreiben, als diese tatsächlich gehabt haben, sowie die Veröffentlichung des Urteils, in eventu des Widerrufs. Die Beklagte habe bewusst nur die lineare Reichweite herangezogen, nicht aber die Abrufe über den Internet‑Stream. Dort sei die Sendung über 70.000‑mal abgerufen worden. Die falsche Tatsachenbehauptung der Beklagten verwirkliche den Tatbestand des § 7 Abs 1 UWG. Darüber hinaus liege eine sonstige unlautere Handlung nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG vor.

[6] Die Beklagte wendete ein, ihre Aussagen seien wahr und somit nicht rechtswidrig.

[7] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der maßgebliche Durchschnittsleser beziehe die beanstandete Aussage nur auf die lineare (terrestrische, kabel- oder satellitengebundene) Übertragung, nicht aber auf etwaige Internetnutzungen. Insofern liege keine Tatsachenbehauptung vor, die aufgrund der Weglassung aufklärender Umstände unrichtig sei. Beweispflichtig für das Mehr an Zusehern sei die Klägerin. Die Negativfeststellung wirke sich somit zu deren Lasten aus.

[8] Die Klägerin macht mit ihrer außerordentlichen Revision geltend, die Aussage über die Zuseherzahl sei nur dann vollständig und damit wahr, wenn sie alle Verbreitungswege berücksichtige. Der Leser müsse annehmen, dass im beanstandeten Artikel nicht bloß eine Teilmenge (lineare Reichweite) der Reichweite der Sendung abgebildet worden sei. Es wäre an der Beklagten gelegen zu beweisen, dass die Sendung von niemandem als Live‑Stream gesehen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

[9] Damit zeigt die Klägerin keine erheblichen Rechtsfragen auf; die Revision ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.

[10] 1.1. Ankündigungen dürfen nicht zergliedernd betrachtet werden; vielmehr muss darauf abgestellt werden, welchen Gesamteindruck der Durchschnittsinteressent bei flüchtiger Betrachtung erhält (RS0078948).

[11] 1.2. Bei der Beurteilung, ob Tatsachen verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch ermittelten Gesamteindruck an, die die inkriminierten Äußerungen hinterlassen. Hiefür ist auf den maßgeblichen Gesichtspunkt des verständigen Erklärungsadressaten abzustellen (RS0032489 [T4]).

[12] 1.3. Bei der Ermittlung der Verkehrsauffassung ist ein durchschnittlicher Maßstab anzulegen, entscheidend kann immer nur jene Bedeutung der Angabe sein, die sich beim flüchtigen Lesen ergibt, hiebei kommt es immer auf den Gesamteindruck der Mitteilung an (RS0078524).

[13] 1.4. Maßgebend ist der Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung durch einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit (RS0078524 [T9]).

[14] 2.1. Nach § 7 UWG trägt der Beklagte die Beweislast für die Wahrheit seiner Mitteilung (RS0079738 [T3]). Der Wahrheitsbeweis ist schon dann als erbracht anzusehen, wenn er den Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätigt (RS0079738 [T5]; RS0079693).

[15] 2.2. Im vorliegenden Fall lautet die beanstandete Werbemitteilung der Beklagten dahingehend, dass der TV‑Sender der Klägerin laut Teletest eine bestimmte Anzahl von Zusehern gehabt habe. Der von einer dritten Organisation erstellte Teletest umfasst ausschließlich die lineare Übertragung. Andere Übertragungsarten wie etwa Internet‑Streaming werden von diesem Test nicht umfasst. Von welcher Anzahl an Zusehern die Sendung allenfalls über Live-Streaming verfolgt wurde, ist auch nicht bekannt.

[16] 2.3. Die Vorinstanzen haben auf Basis dieser Sachlage das Vorliegen einer unwahren Tatsachenbehauptung vertretbar verneint. Die Beklagte bezog sich in der beanstandeten Äußerung ausdrücklich auf den Teletest, der keine anderen als lineare Übertragungen misst. Somit ist die beanstandete Äußerung prima vista wahr. Eine Unwahrheit durch Weglassung aufklärender Umstände (vgl RS0031675) ist schon deshalb zu verneinen, weil Aufrufzahlen über das Live-Streaming nicht greifbar waren und dem Durchschnittsleser ohnehin bekannt ist, dass zunächst linear ausgestrahlte Sendungen vielfach „on demand“, also auf Abruf (wann immer) verfügbar sind. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht zum Ergebnis kam, dass der Leser damit in der Lage sei, zwischen Zuschauerzahlen laut „Teletest“ und Aufrufzahlen eines Abrufdienstes zu unterscheiden.

[17] 2.4. Da erwiesen ist, dass die beanstandete Aussage, wonach die Sendung 1.020 bzw 410 Fernseh‑Zuseher gehabt habe, zutrifft, wurde der Inhalt der beanstandeten Mitteilung der Beklagten im Wesentlichen bestätigt und ist die Beklagte somit ihrer Beweispflicht nachgekommen (vgl RS0079738 [T5]; RS0079693) und trifft die Beweispflicht für das (von der Klägerin behauptete) Mehr an Zusehern gemäß der allgemeinen Beweislastregel, wonach grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen hat (RS0037797), die Klägerin selbst.

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