OGH 6Ob49/23h

OGH6Ob49/23h17.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Mag. Christof Alexander Mörtl, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wider die beklagte Partei C*, vertreten durch Dr. Alexander Mirtl, M.B.L., Rechtsanwalt in Linz, wegen 10.080 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. November 2022, GZ 32 R 70/22b‑19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Urfahr vom 29. Juni 2022, GZ 3 C 9/22w‑14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00049.23H.0517.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Verfahrens ist die von der Klägerin als Immobilienmaklerin vom Beklagten begehrte Vermittlungsprovision für eine Wohnung in Italien.

[2] Das Interesse des Beklagten am Objekt wurde über ein auf einer Online‑Plattform geschaltetes Inserat geweckt. Seine Ehefrau nahm am 22. 7. 2021 über diese Online‑Plattform Kontakt zur inserierenden Maklerin, der Klägerin, auf und ersuchte um Übermittlung näherer Informationen. Im daraufhin folgenden Telefonat wurde ein Besichtigungstermin vereinbart und wurde zwischen der Klägerin und dem Beklagten auch schon die Provisionshöhe besprochen. Dem Beklagten war damals bewusst, dass bei Inanspruchnahme der Maklerdienste der Klägerin bei Kaufvertragsabschluss ein Provisionsanspruch entstehen kann. Die Klägerin übermittelte die gewünschten Informationen inklusive der Grundrisse und Preise aller im Objekt zur Verfügung stehenden Wohnungen per E-Mail. Es wurden am 1. 9. 2021 die im Objekt verfügbaren Wohnungen (im Rohbau) vom Beklagten und seiner Frau in Anwesenheit der Klägerin und des Maklers der Verkäuferin besichtigt. Letztlich entschied sich der Beklagte schon einen Tag später für eine dieser Wohnungen und teilte dies der Klägerin über WhatsApp mit. Nach Übermittlung der Nebenkosten per E‑Mail begab sich der Beklagte am 3. 9. 2021 erstmals in die auch als Büro genutzten Privaträume der Klägerin, wo er das Kaufanbot für diese Wohnung und eine schriftliche Provisionsvereinbarung unterfertigte. Er verweigerte dann aber den Abschluss des Vorvertrags (ua wegen divergierender Auffassungen über die bereitzustellenden Unterlagen und Differenzen bezüglich des Gesamtkaufpreises bzw der Nebenkosten).

[3] Eine Information durch die Klägerin über ein Rücktrittsrecht nach dem FAGG erfolgte zu keinem Zeitpunkt. Der Beklagte erklärte in der Tatsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 27. 4. 2022 den Rücktritt vom Maklervertrag.

[4] Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der im Fernabsatz zustande gekommene Maklervertrag sei zwischen der Klägerin und dem Beklagten spätestens anlässlich des Telefonats über den Besichtigungstermin zustande gekommen. Die spätere Unterfertigung der schriftlichen Provisionsvereinbarung habe nur mehr die bereits zuvor geschlossene Vereinbarung bekräftigt. Mangels Aufklärung über sein Rücktrittsrecht nach dem FAGG sei der Beklagte rechtzeitig vom Maklervertrag zurückgetreten.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:

[6] 1. Anlässlich der Qualifikation eines Vertrags, der nach Bewerbung der Ware (einer hochwertigen Uhr) auch über eine Online-Plattform und ohne weiteren persönlichen Kontakt per E-Mail zustande gekommen war, als Fernabsatzvertrag hat der Oberste Gerichtshof erst unlängst (und zeitlich nach der Entscheidung des Berufungsgerichts) zu Online-Plattformen als Teil eines im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungs-systems Stellung genommen (2 Ob 44/23v [Rz 8 f]). Er hat dazu insbesondere auf ErwGr 20 der RL 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2022 (Verbraucherrechte‑RL) verwiesen. Danach werden unter für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystemen nicht nur solche verstanden, die der potentielle Vertragspartner des Verbrauchers selbst betreibt, sondern auch (wie hier) von einem Dritten angebotene Fernabsatz- oder Dienstleistungssysteme. ErwGr 20 nennt an dieser Stelle eine Online-Plattform ausdrücklich als Beispiel dafür (siehe auch Dehn in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 3 FAGG Rz 12; Holzapfel, Die Verbraucherrechte‑Richtlinie und ihre Auswirkungen auf den Maklervertrag, immolex 2014, 181 ff [183]; Kepplinger, Der Maklervertrag mit dem Interessenten und das FAGG, immolex 2018, 134 ff [134]; ders, Zur [fehlenden] Bestandskraft von Maklerverträgen im Lichte des FAGG, wobl 2019, 189 ff [189]; BGH I ZR 30/15 [Rz 48 ff], I ZR 68/15 [Rz 48 ff]). Schon anlässlich des zu 1 Ob 127/19m entschiedenen Falls wurde ein (strittiger) Maklervertrag, der nach Anbieten der Immobilie per Inserat im Internet (wobei dies nach dem von den [damaligen] Vorinstanzen breiter als wiedergegeben festgestellten Sachverhalt über dieselbe Online-Plattform wie im vorliegenden Fall geschah) im Wege der Fernkommunikation abgeschlossen worden sein soll, als im Fernabsatz geschlossen beurteilt.

[7] Rechtsprechung zu der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage, ob das Inserieren einer Liegenschaft durch eine Immobilienmaklerin auf der Online-Plattform „willhaben.at“ im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems iSd § 3 Z 2 FAGG erfolgt, fehlt damit nicht (mehr).

[8] 2. Ein Fernabsatzgeschäft setzt keinen, wie dies die Klägerin zu meinen scheint, standardisierten Geschäftsabschluss in einem „Webshop“ voraus; auch telefonisch oder per E-Mail zustande gekommene Verträge erfüllen den Tatbestand des Fernabsatzes (9 Ob 39/22h [Rz 19]; 2 Ob 44/23v [Rz 9]). Wesentlich ist für die Qualifikation als Fernabsatzvertrag vor allem, dass „bis einschließlich des Zustandekommens des Vertrags ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet werden“ (§ 3 Z 2 FAGG). Dies können durchaus auch mehrere verschiedene Fernkommunikationsmittel sein. Vom Begriff Fernabsatzgeschäft sind (sogar) Situationen erfasst, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume lediglich zum Zwecke der Information über die Waren oder Dienstleistungen aufsucht und anschließend den Vertrag aus der Ferne verhandelt und abschließt, während ein in den Geschäftsräumen eines Unternehmers verhandelter und letztendlich über ein Fernkommunikationsmittel abgeschlossener Vertrag oder ein über Fernkommunikationsmittel (nur) angebahnter und letztendlich in den Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossener Vertrag nicht als Fernabsatzvertrag gilt (s ErwGr 20 der Verbraucherrechte-RL).

[9] 3. Entscheidend ist damit im vorliegenden Fall der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (schon beim Telefonat oder erst bei Unterfertigung). Die Beurteilung der von der Auslegung von Willenserklärungen abhängigen Frage, ob (und ab wann) zwischen Prozessparteien eine Vertragsbeziehung anzunehmen ist, wirft aber, abgesehen von einer auffallenden Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz, regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0044358 [T31, T32]; RS0042776 [T37]; RS0042555; vgl auch 4 Ob 43/22k [ErwGr 1.4.]); ebenso ist einzelfallabhängig, ob eine Novation vorliegt (RS0032502 [T8]).

[10] Zur Ansicht der Vorinstanzen, der Vertrag sei im vorliegenden Fall ohne physische Anwesenheit beider Parteien und bereits per Fernkommunikationsmitteln auf elektronischem Weg (Anfrage über die Online-Plattform, Telefonat des Beklagten mit der Klägerin) zustande gekommen, und zwar schon bevor sich der Beklagte (nach Übermittlung der Unterlagen über die verfügbaren Wohnungen per E-Mail, deren Besichtigung vor Ort und nach seiner WhatsApp-Mitteilung, für welche der Wohnungen er sich entschieden hatte) erstmals zur Unterfertigung des Kaufanbots und der (nun verschriftlichten) Provisions-vereinbarung in die Geschäftsräumlichkeiten der Klägerin begab, kann die Klägerin in der Revision, in der sie keine einzige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs oder eine der Beurteilung des Berufungsgerichts widerstreitende Lehrmeinung nennt, eine Verkennung der Rechtslage oder ein Abweichen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht darlegen.

[11] 4. Die Behauptung, es sei beim Besichtigungstermin dem Beklagten eine neue, bis dato zu keinem Zeitpunkt vorher bekannte oder telefonisch besprochene oder beworbene Wohnung gezeigt worden (weshalb ein Maklervertrag darüber erst in den Räumlichkeiten der Klägerin geschlossen worden sein soll), entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt. Die Klägerin hatte zudem selbst vorgebracht, dem Beklagten per E-Mail Informationen über „Lage und mögliche Wohnungen in den Geschossen 3–7 und deren Grundriss und Größe übermittelt“ zu haben.

[12] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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