OGH 1Ob47/23b

OGH1Ob47/23b25.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T* GmbH, *, vertreten durch Mag. Markus Miedl, LL.M., Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei F* Gesellschaft mbH, *, vertreten durch die GLO Gößeringer Löscher Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, wegen 50.057 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 8.688 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2023, GZ 1 R 101/22m‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00047.23B.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Revisionsverfahren noch ein Mietentgelt von insgesamt 8.688 EUR sA für die über die vereinbarte Vertragsdauer hinausgehende Zurverfügungstellung eines Baukrans. Dabei stützt sie sich auf folgende, in ihrem Vertragsformblatt unter „Abrechnung“ enthaltene Vertragsbestimmung:

„Bei Zahlungsverzug der laufenden Kranmieten wird darauf hingewiesen, dass vor der Abholung des Krans sämtliche Mietrechnungen einschließlich der Montage- u. Demontagekosten zu begleichen sind. Anderenfalls wird der Kran erst nach Eingang sämtlicher offenen Rechnungen zur Abholung eingeteilt. Die dadurch verursachten Verzögerungstage gelten als Mietzeitraum und werden entsprechend in Rechnung gestellt.“

[2] Das Berufungsgericht wies das Begehren ab, weil die Vertragsklausel gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB und damit nichtig sei.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision der Klägerinzeigt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[4] 1. Der Einwand der Klägerin, die Zahlung des Mietentgelts sowie des Transport‑ und Montageaufwands durch den Mieter einerseits und die Lieferung, Montage und Überlassung zum Gebrauch sowie die Demontage samt Abtransport andererseits seien die vereinbarungsimmanenten Hauptleistungspflichten der Streitteile aus dem Kranmietvertrag und die Vertragsbestimmung daher von der im § 879 Abs 3 ABGB verankerten Inhaltskontrolle ausgenommen, verfängt nicht:

[5] Die Ausnahme von der Inhaltskontrolle – die Festlegung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten – ist möglichst eng zu verstehen und soll auf die (erstmalige) individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen beschränkt bleiben (RS0016908). Nur Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen, sollen der Inhaltskontrolle entzogen sein, nicht jedoch Klauseln, die das eigentliche Leistungsversprechen einschränken, verändern oder aushöhlen (RS0016931 [T2]). Bei einer Klausel, die – wie hier – eine Vertragsverlängerung im Fall des Zahlungsverzugs des Schuldners fingiert, handelt es sich aber um nichts anderes als eine nachträgliche Veränderung der ursprünglichen Hauptleistungspflicht (vgl zur Regelung der bei Unterlassung der Kündigung eintretenden automatischen Vertragsfortsetzung: RS0016908 [T7]).

[6] 2. Im Übrigen meint die Klägerin, die Vereinbarung sei einem Zurückbehaltungsrecht im Sinn des § 471 ABGB oder auch einem Leistungsverweigerungsrecht bzw einer Unsicherheitseinrede nach § 1052 Satz 1 und Satz 2 ABGB gleichzuhalten. Sie habe sich angesichts des Zahlungsverzugs der Beklagten daher zu Recht geweigert, den Kran abzuholen.

[7] Unter Zurückbehaltungsrecht im weiteren Sinn (zu der auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gehört) versteht man das Recht des Schuldners, die von ihm geschuldete Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung zu verweigern (Hofmann in Rummel, ABGB3 § 471 Rz 1). Bei ihren Ausführungen übersieht die Klägerin, dass sich die Klausel keineswegs auf ein Leistungsverweigerungsrecht beschränkt, sondern darüber hinaus auch eine Verlängerung des (befristeten) Dauerschuldverhältnisses zu Lasten der Beklagten fingiert, die den von der Klägerin genannten Zurückbehaltungsrechten im weiteren Sinn (§ 471 ABGB bzw § 1052 ABGB) fremd ist. Tatsächlich versucht die Klägerin hier weniger eine Leistung zurückzubehalten, als vielmehr der Beklagten aufzudrängen; (vermeintliche) Verbindlichkeiten sollen nicht abgesichert, sondern als Druckmittel offenbar vergrößert werden. Der von der Klägerin bemühte Vergleich geht schon aus diesem Grund fehl.

[8] 3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Vertragsbestimmung sei gröblich benachteiligend, weil sie der Beklagten nicht nur das Recht nehme, unberechtigte Rechnungen der Klägerin zu bestreiten bzw nicht zu bezahlen, sondern auch völlig unklar bleibe, wie die Beklagte Demontagekosten der Klägerin begleichen solle, die noch gar nicht entstanden und aufgrund der vertraglichen Vereinbarung (Bezahlung „nach Aufwand“) im Vorhinein nicht einmal bestimmbar und auch nicht fällig seien, ist jedenfalls vertretbar. Die Behauptung der Klägerin, die Rechtsfolge trete bei berechtigter Bestreitung der laufenden Kranmieten nicht ein, ergibt sich so nicht aus der Klausel. Dass die Höhe der Demontagekosten im Voraus nicht eindeutig ist, räumt die Klägerin mit dem Hinweis auf die Nachverrechnung eventueller Demontageerschwernisse selbst ein.

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