OGH 15Os25/23z

OGH15Os25/23z19.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. April 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Mag. Gigl als Schriftführerin in der Strafsache des Privatanklägers * N* gegen * R* wegen des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB, AZ 25 Hv 22/22t des Landesgerichts Eisenstadt, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 28. September 2022 erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Leiters der Generalprokuratur, Generalprokurator Dr. Plöchl, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00025.23Z.0419.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Medienrecht

 

Spruch:

 

Im Verfahren des Privatanklägers * N* gegen * R* wegen des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB, AZ 25 Hv 22/22t des Landesgerichts Eisenstadt, verletzt der Beschluss dieses Gerichts vom 28. September 2022 § 37 Abs 1 MedienG.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und es wird dem Landesgericht die neuerliche Entscheidung über den Antrag auf Veröffentlichung einer Mitteilung gemäß § 37 Abs 1 MedienG aufgetragen.

 

Gründe:

[1] Im Verfahren AZ 25 Hv 22/22t des Landesgerichts Eisenstadt erhob * N* Privatanklage gegen * R* wegen des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB, weil diese ihn öffentlich beschimpft habe, indem sie am 22. Februar 2021 auf der öffentlich einsehbaren Facebook‑Seite des Medieninhabers * S* – der ein Foto des Privatanklägers samt Textnachricht veröffentlicht hatte – als Reaktion auf diesen Beitrag einen Kommentar des Inhalts „Für mich sind solche sogenannten 'Polizisten' die größten Feiglinge der Nation, die sich nur an alte Menschen vergreifen und Kinder.“ veröffentlicht habe (ON 2).

[2] Am 7. Juli 2022 beantragte der Privatankläger gemäß § 37 Abs 1 MedienG die Anordnung der Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren „im Medium der Tatbegehung“, wobei er – zum Schutz seiner Identität und „zur Vermeidung einer weiteren Hass-im-Netz-Kampagne gegen ihn“ – anregte, seinen Namen und seine Adresse nicht in die Anordnung aufzunehmen (vgl Antrag samt Formulierungsvorschlag ON 9).

[3] Mit Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 28. September 2022 (ON 15) wurde * S* als Medieninhaber gemäß § 37 Abs 1 MedienG aufgetragen, nachstehende Mitteilung zu veröffentlichen:

„Mitteilung gemäß § 37 Abs 1 MedienG:

Jener Polizist, dessen Bild im nachstehenden genannten Beitrag veröffentlicht wurde, begehrt als Privatankläger und Antragsteller die Bestrafung der * R* wegen § 115 StGB, die Einziehung der die strafbare Handlung begründe[nd]en Stellen der Website gemäß § 33 Abs 1 MedienG sowie die Urteilsveröffentlichung gemäß § 34 Abs 1 MedienG, weil diese zu einem am 22. Februar 2021 am Facebookprofil des Medieninhabers * S* […] veröffentlichtem Bild des Privatanklägers und Antragstellers samt nachstehenden Text:

'Lasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei der Demo in I*. Ein 82 jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet, und Stundenlang verhört. Dieser Polizist ist schuldig.'

einen Kommentar veröffentlicht habe mit dem Wortlaut:

'Für mich sind solche sogenannten 'Polizisten' die größten Feiglinge der Nation, die sich nur an alte Menschen vergreifen und Kinder.'

Der Privatankläger und Antragsteller erblickt in dieser Äußerung die Verwirklichung des Tatbestandes der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB. Das medienrechtliche Verfahren ist anhängig.

Landesgericht Eisenstadt

Abteilung 25, am 28. September 2022“

[4] Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

[5] Durchsetzungsanträge (vgl § 37 Abs 3 iVm § 34 Abs 4 MedienG) des Privatanklägers vom 14. Oktober (ON 16), 14. November (ON 17), 21. November (ON 19), 28. November (ON 20) und 5. Dezember 2022 (ON 21) wurden mit Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 7. Dezember 2022 (ON 22) abgewiesen.

[6] Über die dagegen erhobene Beschwerde des Privatanklägers und Antragstellers (ON 25) hat das Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

 

[7] Der Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 28. September 2022, GZ 25 Hv 22/22t‑15, steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[8] Gemäß § 37 Abs 1 MedienG ist auf Antrag des Anklägers oder des Antragstellers in einem selbständigen Verfahren mit Beschluss die Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren anzuordnen, wenn anzunehmen ist, dass der objektive Tatbestand eines Medieninhaltsdelikts hergestellt worden ist. Die Veröffentlichung kann auch eine Sachverhaltsdarstellung umfassen, soweit diese zur Unterrichtung der Öffentlichkeit erforderlich ist.

[9] Der Antrag richtet sich stets gegen den Medieninhaber, und zwar auch dann, wenn das Strafverfahren gegen einen Dritten geführt wird (Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, MedienG4 § 37 Rz 12 sowie Rami in WK2 MedienG § 37 Rz 12).

[10] Das Institut des § 37 Abs 1 MedienG soll – insbesondere in den Fällen der Privatanklage oder der Antragstellung in einem selbständigen Verfahren gemäß § 33 Abs 2 oder § 34 Abs 3 MedienG – dem Bedürfnis des von einem Medieninhaltsdelikt Betroffenen Rechnung tragen, nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens warten zu müssen, um die Medienöffentlichkeit über das zu seinen Lasten begangene „Unrecht“ zu informieren. Zweck der Mitteilung ist es sohin, die Öffentlichkeit möglichst zeitnah zur Ursprungsveröffentlichung darüber aufzuklären, dass der Betroffene nicht gewillt ist, diese Veröffentlichung hinzunehmen, sondern vielmehr wegen der strafrechtlich relevanten Inhalte rechtliche Schritte eingeleitet hat (vgl Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, MedienG4 § 37 Rz 1 und Rami in WK2 MedienG § 37 Rz 2 und 21).

[11] Der Beschluss vom 28. September 2022 trägt dem Medieninhaber die Veröffentlichung einer „Mitteilung gemäß § 37 Abs 1 MedienG“ auf, welche den Namen des Privatanklägers und Antragstellers nicht enthält („Jener Polizist“).

[12] Die Veröffentlichung einer den Namen des Privatanklägers oder Antragstellers nicht nennenden, diesen vielmehr anonymisierenden Mitteilung über das eingeleitete Verfahren widerspricht aber dem gerade in der Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Reaktion des von einer Veröffentlichung konkret Betroffenen gelegenen Telos des § 37 Abs 1 MedienG. Die Nennung des Namens desjenigen, der die Mitteilung begehrt, ist daher inhaltliche Voraussetzung für eine Anordnung nach § 37 Abs 1 MedienG.

[13] Für diese Auslegung des § 37 Abs 1 MedienG spricht insbesondere auch die damit „eng verwandte“ (vgl Rami in WK2 MedienG § 37 Rz 37) Norm des § 8a Abs 5 MedienG und deren Entwicklungsprozess.

[14] Nach § 8a Abs 5 MedienG (idgF) ist im Verfahren über einen selbständigen Antrag auf Entschädigung nach den §§ 6, 7, 7b oder 7c MedienG auf Antrag des Betroffenen die Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren anzuordnen, wenn anzunehmen ist, dass die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen; im Übrigen ist § 37 MedienG sinngemäß anzuwenden.

[15] Die ursprünglich vorgesehene Möglichkeit, eine solche Mitteilung auch in einem wegen § 7a MedienG (Schutz vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen) angestrengten Entschädigungsverfahren zu beantragen, wurde mit Inkrafttreten der Änderung des Mediengesetzes durch BGBl I 2005/49 wieder beseitigt. In den Materialien (ErläutRV 784 BlgNR 22. GP  11) wurde dazu ausgeführt, dass die Mitteilung in einem wegen § 7a MedienG angestrengten Verfahren nicht gerechtfertigt sei, weil von einer solchen Mitteilung keinerlei „Reparaturwirkung“ zu erwarten sei, sondern dies – im Gegenteil – kontraproduktiv sei, weil aufgrund der namentlichen Nennung des Betroffenen die Identität des Betroffenen nur noch weiteren Personen bekannt gemacht werde.

[16] Daraus erhellt, dass für die Anordnung der Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren gemäß § 8a Abs 5 MedienG – und demgemäß auch einer solchen gemäß § 37 Abs 1 MedienG – die Nennung des Namens des Betroffenen, also desjenigen, der die Mitteilung begehrt, Voraussetzung ist.

[17] Der Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt verletzt daher § 37 Abs 1 MedienG.

[18] Da sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil des Medieninhabers * S* (dem gemäß § 41 Abs 6 MedienG die Rechte des Angeklagten zukommen) auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung mit konkreter Wirkung wie aus dem Spruch ersichtlich zu verknüpfen.

[19] Vom aufgehobenen Beschluss rechtslogisch abhängige Verfügungen und Entscheidungen gelten damit gleichfalls als beseitigt (RIS‑Justiz RS0100444).

[20] Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass das – somit neuerlich (vgl Rami in WK2 MedienG § 37 Rz 24) – zur Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung gemäß § 37 Abs 1 MedienG berufene Gericht nicht an den Formulierungsvorschlag des Antragstellers gebunden ist (Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, MedienG4 § 37 Rz 22).

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