OGH 14Os19/23k

OGH14Os19/23k28.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. März 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M., den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Gigl in der Strafsache gegen * W* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 15. Dezember 2022, GZ 315 Hv 106/22v‑20.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00019.23K.0328.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde * W* mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, § 302 Abs 1 StGB (A./I./) sowie jeweils eines Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB (A./ II./) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (B./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

A./ am 12. Juni 2022 in S*

I./ mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihrem (ersichtlich gemeint [US 6 f]:) Recht auf einen den gesetzlichen Zwecken entsprechenden Strafvollzug (§ 20 Abs 1 StVG) durch Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten in diesem zu schädigen, den Justizwachebeamten * P* wissentlich zu bestimmen versucht, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen, indem er ihn aufforderte, keine Meldung (§ 108 Abs 3 StVG) über die von ihm mehrfach durch Nichtbefolgung von Anordnungen sowie durch Beschädigung der Haftraumkamera begangenen Ordnungswidrigkeiten (§ 107 StVG) zu erstatten;

II./ nachgenannte fremde Sachen beschädigt und dadurch einen 5.000 Euro nicht übersteigenden Schaden herbeigeführt, und zwar

2./ das WC eines besonders überwachten Haftraums der Justizanstalt S*, „sohin einen wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur (§ 74 Abs 1 Z 11 StGB)“, indem er bei der WC‑Spülung ein Stück herausriss;

3./ eine Decke der Justizanstalt S*, indem er diese zerriss;

B./ am 18. November 2022 in K* P* dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB, und der Verletzung einer Amts‑ oder Standespflicht falsch verdächtigte, obwohl er wusste, dass die Verdächtigung falsch war, indem er in der Hauptverhandlung zu AZ 315 Hv 106/22v des Landesgerichts Korneuburg behauptete, er sei am 12. Juni 2022 in S* von P* in den Bauch geschlagen worden.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Die Feststellungen zum objektiven Geschehensablauf am 12. Juni 2022 (US 4 ff) stützte das Schöffengericht auf die Meldung des Justizwachebeamten P* und dessenmit dieser im Einklang stehende, als glaubwürdig erachtete zeugenschaftliche Aussage, die auch von den Zeugen * Pa*, * K* und * Pas* bestätigt wurde (US 8 ff).

[5] Indem die gegen den Schuldspruch A./I./ gerichtete Tatsachenrüge (Z 5a) die Angaben des Zeugen Pa* als „völlig unbrauchbar“ bezeichnet und einzelne Passagen seiner Vernehmung selektiv wiedergibt, gelingt es ihr nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zur Aufforderung des Angeklagten an den Justizwachebeamten P*, dieser solle keine Meldung schreiben (US 6), zu wecken (RIS-Justiz RS0118780).

[6] Soweit sieder Aussage des Zeugen P* „nur geringste Glaubwürdigkeit“ beimisst und eigenständige Beweiswerterwägungen zu den Angaben dieses Zeugen sowie des Angeklagten anstellt, erschöpft sie sich in einer in dieser Form nicht zulässigen Beweiswürdigungskritik (RIS-Justiz RS0119424).

[7] Die Ausführungen zu den aus Sicht der Beschwerde „richtigerweise“ zu treffenden Feststellungen und darauf bezogene Beweiserwägungen sind einer Erwiderung nicht zugänglich (RIS-Justiz RS0099711 [T2]).

[8] Nicht prozessförmig aus den Akten abgeleitet (RIS-Justiz RS0117446 [T1]) ist die gegen den Schuldspruch B./ gerichtete, die Richtigkeit der Feststellungen zu einer vom Wissen des Angeklagten umfassten Falschbelastung (US 8) anzweifelnde Rüge (Z 5a), die auf den Gesundheitszustand des Angeklagten am 12. Juni 2022 hinweist und behauptet, es bestehe „durchaus die Möglichkeit“, dass der Angeklagte aufgrund seines Zustands den Eindruck gehabt habe, geschlagen worden zu sein.

[9] Zur in diesem Zusammenhang erhobenen Kritik, die Tatrichter hätten ihre Annahme, der Angeklagte habe gewusst, dass die Anschuldigungen, P* habe ihn geschlagen, falsch waren (US 8), aus dem äußeren Geschehen undder Aussage des Zeugen P* abgeleitet (US 11), obwohl letzterer zu dieser Tat keine Aussage gemacht habe, genügt der Verweis, dass bei verständiger Lesart der Urteilsbegründung die Aussage des Zeugen P* (nur) als Argument dafür herangezogen wird, dass die Bezichtigung des Angeklagten nicht der Wahrheit entsprochen hat.

[10] Die auch hier erfolgte Reklamation von Ersatzfeststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen entzieht sich einer inhaltlichen Antwort.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[12] Dieses wird zu beachten haben, dass dem Schuldspruch A./II./2./ nicht geltend gemachte Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) anhaftet:

[13] § 126 Abs 1 Z 5 StGB qualifiziert die Sachbeschädigung an einem wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur. Zu letzterer zählen auch die – der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit dienenden (§ 74 Abs 1 Z 11 StGB) – Einrichtungen des Strafvollzugs (§ 8 StVG; RIS-Justiz RS0087478, RS0093452).

[14] Voraussetzung einer schweren Sachbeschädigung nach § 126 Abs 1 Z 5 StGB ist die Betroffenheit eines wesentlichen Bestandteils der kritischen Infrastruktur, also eines solchen, der zur Erfüllung des besonderen (öffentlichen) Zwecks notwendig ist, sodass diekonkrete Funktion der kritischen Infrastruktur (hier: die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit) mit ihren verbleibenden Bestandteilen nicht gleichermaßen erfüllt werden kann (vgl Kienapfel/Schmoller,BT II2 § 126 Rz 18; Rebisant in WK2 StGB § 126 Rz 37 f; siehe auch Stricker in WK2 StGB § 128 Rz 73).

[15] Die Beschädigung einer solchen Sache muss dabei (im Einzelfall) ein für die Funktionsfähigkeit der Sache – und damit die Betriebssicherheit der betroffenen Einrichtung – bedeutsames Ausmaß erreichen, solcherart zumindest abstrakt geeignet sein, die Betriebssicherheit (als solche) zu beeinträchtigen und dadurch eine Gefährdung des besonderen Zwecks (hier: der öffentlichen Sicherheit) hervorzurufen (RIS-Justiz RS0093455, RS0093498, RS0093439, RS0119487; Rebisant in WK2 StGB § 126 Rz 39; vgl zu Bestandteilen von Einrichtungen des Strafvollzugs RIS-Justiz RS0093445).

[16] Nach den Konstatierungen (US 7) riss der Angeklagte in einem besonders gesicherten und mit einer Überwachungskamera ausgestatteten Haftraum „von der WC‑Spülung ein Stück aus“, wodurch an dieser ein Schaden von 290,67 Euro entstand und der Haftraum „nicht mehr seinem Zweck entsprechend verwendbar“ war. Damit fehlen aber Feststellungen, welche die (rechtliche) Annahme einer derartigen Eignung, die Funktionsfähigkeit der Justizanstalt oder deren Aufgabenerfüllung im Interesse der öffentlichen Sicherheit zu gefährden, tragen.

[17] Zu einer amtswegigen Wahrnehmung dieses Subsumtionsfehlers (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) besteht kein Anlass, weil er sich weder bei der Strafrahmenbildung (nach § 302 Abs 1 StGB) noch bei der Strafbemessung (US 14) ausgewirkt hat. Angesichts der vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei seiner Berufungsentscheidung an die fehlerhafte Subsumtion nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

[18] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte