OGH 1Ob38/23d

OGH1Ob38/23d21.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. I*, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und andere Rechtsanwälte in Peuerbach, gegen die beklagte Partei Land *, vertreten durch Mag. Klaus Fürlinger und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 69.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2023, GZ 4 R 182/22w‑15, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00038.23D.0321.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin, diegegen die Gemeinde bereits ohne Erfolg aus demselben Lebenssachverhalt wie hier abgeleitete Amtshaftungsansprüche erhoben hat (siehe 1 Ob 197/21h), begehrt nunmehr vom beklagten Land Schadenersatz für das Unterbleiben der Kundmachung des aufsichtsbehördlich genehmigten Flächenwidmungsplans 5.21 und die Feststellung der Haftung für ihr daraus noch entstehende Schäden.Die Landesregierung als Aufsichtsbehörde hätte nach Neufassung des § 104 OÖ GemO 1990 durch die Novelle LGBl Nr 91/2018, spätestens jedoch nach Zustellung ihrer Aufsichtsbeschwerde von 2019 dem Bürgermeister die Kundmachung binnen einer Woche auftragen oder aber die Kundmachung im Wege der Ersatzvornahme selbst vornehmen müssen.

[2] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab, weil die Rechtsauffassung der belangten Behörde, dass die vom Gemeinderat 2015 beschlossene Planänderung nur unter der Bedingung wirksam werden sollte, dass das bestehende Gebäude abgetragen werde, und eine Verpflichtung zur Kundmachung vor Eintritt dieser Bedingung von vornherein nicht bestehen könne, jedenfalls vertretbar gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist nicht zulässig.

[4] 1. Seit der Neufassung des § 480 ZPO durch das Budgetbegleitgesetz 2009 ist ein Antrag auf Abhaltung einer Berufungsverhandlung nicht mehr vorgesehen. Das Berufungsgericht entscheidet vielmehr im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens, ob eine mündliche Verhandlung im Einzelfall notwendig ist (RS0126298; RS0127242). Das Unterbleiben der beantragten mündlichen Berufungsverhandlung begründet daher keine Nichtigkeit (RS0125957 [T1]).

[5] 2. Der Fachsenat hat der Klägerin in der Entscheidung 1 Ob 197/21h über ihre gegen die Gemeinde eingebrachte Amtshaftungsklage entgegengehalten, dass „der Beschluss des Gemeinderats … 2015 – und auch der Genehmigungsbescheid – durchaus dahin verstanden werden (kann), dass die im ausschließlichen Interesse der Klägerin gelegene Flächenwidmungsplanänderung nur unter der Bedingung wirksam werden sollte, dass das bestehende Gebäude abgetragen wird. Dies ergibt sich auch aus der in diesem Beschluss enthaltenen Formulierung 'unter Berücksichtigung, dass die Kundmachung der Flächenwidmungsplanänderung erst nach erfolgtem Abbruch des Altbaus durchzuführen ist'. Da jede Verordnung erst mit ihrer Kundmachung wirksam wird, wollte der Gemeinderat damit ersichtlich zum Ausdruck bringen, dass sein Beschluss erst nach Abriss des bestehenden Gebäudes wirksam werden sollte. Der Bürgermeister durfte daher rechtlich vertretbar annehmen, dass noch kein unbedingt wirksamer Gemeinderatsbeschluss bestand und insoweit auch keine Kundmachung zu erfolgen hatte. Die Ansicht des Berufungsgerichts, es sei rechtlich vertretbar gewesen, dass der Bürgermeister schon damals – und umso mehr nach dem Beschluss des Gemeinderats vom ... 2016 – endgültig von einer Kundmachung des ersten Beschlusses Abstand nahm, ist nicht korrekturbedürftig“.

[6] 3. Aus welchen Gründen diese Beurteilung nicht auch auf die auf das Handeln bzw Unterlassen der Aufsichtsbehörde gestützten Amtshaftungsansprüche zutreffen sollte, obgleich die Entscheidung bereits ausdrücklich auch auf das Verständnis des (dem beklagten Land zuzurechnenden) Genehmigungsbescheids Bezug nimmt, zeigt die außerordentliche Revision der Klägerin nicht nachvollziehbar auf.

[7] Die von ihr ins Treffen geführte Unzulässigkeit einer Bedingung für das Wirksamwerden einer Verordnung hätte – wie ihr bereits das Berufungsgericht erwidert hat – nicht den Entfall der Bedingung zur Folge. Vielmehr hätte die Aufsichtsbehörde diesfalls die Genehmigung des Flächenwidmungsplans wegen Gesetzwidrigkeit der Verordnung versagen müssen (vgl etwa VfGH V 53/01). Das wäre der Kundmachung dieses Flächungswidmungsplans 5.21 aber erst recht entgegengestanden.

[8] Ausgehend von der Vertretbarkeit der Rechtsansicht der Gemeindeaufsichtsbehörde, dass die Änderung des Flächenwidmungsplans mangels Eintritts der im Gemeinderatsbeschluss aufgestellten Bedingung nicht kundzumachen war, kommt es auf alle weiteren von der Klägerin aufgeworfenen Fragen, insbesondere auf den Beschluss des Gemeinderats von 2016, mit dem von dieser Änderung „wegen Gesetzwidrigkeit (Verstoß gegen Raumordnungsgrundsätze)“ Abstand genommen wurde, nicht an.

[9] 4. Auf eine fehlerhafte Auskunft des Amtssachverständigen hat sich die Klägerin in der Berufung nicht mehr gestützt. Eine in zweiter Instanz – wenn auch nur in einem bestimmten Punkt – versäumte bzw nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge kann in der Revision nicht erfolgreich nachgeholt werden (RS0043573 [insb T3, T13, T29, T31]).

[10] 5. Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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