OGH 13Os126/22m

OGH13Os126/22m22.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Februar 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Seidenschwann in der Strafsache gegen * N* wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 14. September 2022, GZ 18 Hv 20/22w‑112, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00126.22M.0222.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit ihren Rechtsmitteln werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * N* mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB „in Form der Bestimmungstäterschaft nach § 12, 2. Fall, StGB“ (1 bis 19) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (1 bis 18) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in H* oder andernorts vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-Fache der Grenzmenge übersteigenden Menge als Bestimmungstäter ein- und ausgeführt sowie als unmittelbarer Täter anderen verschafft, indem er mit Hilfe von App-Anwendungen des Krypto-Messenger-Dienstes „Anom“ über eine eigene Plattform verschlüsselter Geräte als Mitglied einer international agierenden serbischen und bosnischen Tätergruppe unter dem Nutzernamen „JID gradliquid“ in wiederholten Fällen mit an die kontinuierliche Tatbegehung geknüpftem Additionsvorsatz die Ein- und Ausfuhr sowie den anschließenden Verkauf und die Übergabe nachgenannter Suchtgiftmengen „mitorganisierte“, und zwar

1) vom 24. Februar 2021 bis zum 26. Februar 2021 den Schmuggel von elfKilogramm Kokain von den Niederlanden nach Deutschland, den weiteren Schmuggel einer Teilmenge von siebenKilogramm Kokain von Deutschland in die Schweiz und einer Teilmenge von zwei Kilogramm Kokain von Deutschland nach Österreich sowie die Übergabe an Drogenabnehmer,

2) Anfang März 2021 den Schmuggel von ca fünfzehn Kilogramm Heroin von Bosnien nach Spanien und die Übergabe an Drogenabnehmer,

3) vom 29. März 2021 bis zum 8. April 2021 den Schmuggel von zwölfeinhalb Kilogramm Kokain von den Niederlanden nach Deutschland, den weiteren Schmuggel von Teilmengen von einem Kilogramm Kokain nach Salzburg, von sechsKilogramm Kokain in die Schweiz und von drei Kilogramm Kokain nach Bosnien sowie die Übergabe an Drogenabnehmer,

4) vom 5. April 2021 bis zum 8. April 2021 den Schmuggel von 21 Kilogramm Heroin von Bosnien nach Kroatien, den weiteren Schmuggel einer Teilmenge von dreizehn Kilogramm Heroin von Kroatien nach Spanien und Schmuggel von Teilmengen von zwei Kilogramm Heroin von Kroatien nach Slowenien sowie von sechsKilogramm Heroin von Slowenien nach Österreich und dreieinhalb Kilogramm Heroin von Österreich in die Schweiz sowie die Übergabe an Drogenabnehmer,

5) vom 9. April 2021 bis zum 25. April 2021 den Schmuggel von 150 Kilogramm Cannabiskraut von Spanien nach Deutschland und die Übergabe an Drogenabnehmer,

6) vom 9. April 2021 bis zum 20. April 2021 den Schmuggel von zwei Kilogramm Heroin von Bosnien nach Slowenien und den weiteren Schmuggel einer Teilmenge von 500 Gramm Heroin von Slowenien nach Wien und die Übergabe an verschiedene Drogenabnehmer,

7) vom 5. April 2021 bis zum 9. April 2021 den Schmuggel von sieben Kilogramm Kokain und einem Kilogramm Heroin von den Niederlanden über Deutschland in die Schweiz und die Übergabe an Drogenabnehmer,

8) vom 14. April 2021 bis zum 23. April 2021 den Schmuggel von zehn Kilogramm Kokain von den Niederlanden nach Deutschland und den weiteren Schmuggel einer Teilmenge von acht Kilogramm Kokain von Deutschland in die Schweiz sowie die Übergabe an Drogenabnehmer,

9) vom 26. April 2021 bis zum 30. April 2021 den Schmuggel von zehn Kilogramm Kokain aus den Niederlanden über Deutschland in die Schweiz sowie die Übergabe von 300 Gramm Heroin in der Schweiz an einen Drogenabnehmer sowie den Schmuggel von eineinhalbKilogramm Heroin von der Schweiz über Österreich nach Deutschland und den weiteren Schmuggel einer Teilmenge von 500 Gramm Heroin von Deutschland nach Österreich sowie die Übergabe an Drogenabnehmer,

10) vom 3. Mai 2021 bis zum 5. Mai 2021 den Schmuggel von sieben Kilogramm Kokain und drei Kilogramm Heroin aus den Niederlanden über Deutschland in die Schweiz und die Übergabe an Drogenabnehmer,

11) vom 6. Mai 2021 bis zum 7. Mai 2021 den Schmuggel von zehn Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach Deutschland, den weiteren Schmuggel einer Teilmenge von sieben Kilogramm Kokain von Deutschland in die Schweiz und die Übergabe an Drogenabnehmer,

12) vom 7. Mai 2021 bis zum 8. Mai 2021 die Übergabe von 500 Gramm Heroin in der Schweiz an einen Drogenabnehmer sowie den Schmuggel von einem Kilogramm Heroin aus der Schweiz nach Deutschland und die Übergabe an Drogenabnehmer,

13) vom 9. Mai 2021 bis zum 15. Mai 2021 den Schmuggel von zwölfKilogramm Kokain aus den Niederlanden über Deutschland in die Schweiz sowie den weiteren Schmuggel einer Teilmenge von zwei Kilogramm Kokain von der Schweiz über Österreich nach Slowenien und die Übergabe an Drogenabnehmer sowie die Übergabe von einemKilogramm Heroin in Slowenien an einen Drogenabnehmer,

14) am 19. Mai 2021 den Schmuggel von zweieinhalbKilogramm Heroin und 500 Gramm Kokain von Bosnien über Slowenien nach Österreich sowie einen weiteren Schmuggel einer Teilmenge von einem Kilogramm Heroin von Österreich über Deutschland in die Schweiz und die Übergabe an Drogenabnehmer,

15) vom 19. Mai 2021 bis zum 23. Mai 2021 den Schmuggel von sieben Kilogramm Heroin und zweieinhalb Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach Deutschland, den weiteren Schmuggel einer Teilmenge von zweieinhalb Kilogramm Heroin von Deutschland in die Schweiz, den Schmuggel einer weiteren Teilmenge von viereinhalb Kilogramm Heroin und von einem Kilogramm Kokain von Deutschland nach Österreich und den Schmuggel einer weiteren Teilmenge von drei Kilogramm Heroin von Österreich nach Slowenien sowie die Übergabe an Drogenabnehmer,

16) vom 20. Mai 2021 bis zum 23. Mai 2021 den Schmuggel von zwölfeinhalbKilogramm Kokain und zwei Kilogramm Heroin aus den Niederlanden über Deutschland in die Schweiz sowie von einem Kilogramm Kokain von der Schweiz nach Slowenien und die Übergabe an Drogenabnehmer,

17) vom 25. Mai 2021 bis zum 30. Mai 2021 den Schmuggel von achteinhalbKilogramm Kokain und zwei Kilogramm Heroin aus den Niederlanden über Deutschland in die Schweiz sowie den Schmuggel von eineinhalb Kilogramm Heroin von der Schweiz nach Österreich und die Übergabe an Drogenabnehmer,

18) am 26. Mai 2021 den Schmuggel von 140,5 Kilogramm Marihuana von Spanien nach Deutschland und die Übergabe an Drogenabnehmer sowie

19) vom 27. Mai 2021 bis zum 2. Juni 2021 den versuchten Schmuggel von dreizehneinhalb Kilogramm Kokain durch den in Deutschland abgesondert verfolgten * S* von den Niederlanden nach Deutschland.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die aus Z 3, 4 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde desAngeklagten und die aus Z 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

[4] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil, wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, mit nicht geltend gemachter Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftet ist, die zum Nachteil des Angeklagten wirkt und daher von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[5] Nach § 12 StGB begeht nicht nur der unmittelbare Täter die strafbare Handlung, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beiträgt.

[6] Unmittelbarer Täter (§ 12 erster Fall StGB) ist, wer eine dem Wortlaut des Tatbestands entsprechende Ausführungshandlung setzt (RIS-Justiz RS0117320 [T1]).

[7] Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB ist, wer vorsätzlich einen anderen zur Ausführung einer strafbaren Handlung veranlasst, also den Anstoß zur Tatausführung durch einen anderen gibt (RIS‑Justiz RS0089717).

[8] Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) erfordert ein für den Tatablauf kausales Verhalten, das die Ausführung der strafbaren Handlung durch einen anderen ermöglicht, erleichtert, absichert oder in anderer Weise fördert (RIS‑Justiz RS0090508).

[9] Für die rechtliche Annahme der Deliktsverwirklichung in einer dieser Täterschaftsformen (zu deren Gleichwertigkeit siehe RIS‑Justiz RS0117604, RS0089433 und RS0090765) enthält das Urteil aber keine ausreichende Feststellungsbasis. Welche den Suchtgifthandel (§ 28a SMG) betreffende Ausführungs‑, Bestimmungs‑ oder (sonstige) Beitragshandlung der Angeklagte gesetzt haben soll, bleibt im Dunkeln. Die bloße Wiedergabe der verba legalia („dazu bestimmt“) weist keinen Sachverhaltsbezug auf und ist solcherart nicht geeignet, die vorgenommene Subsumtion zu tragen (RIS-Justiz RS0119090). Auch zum erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer allfälligen Förderungshandlung und den strafbaren Handlungen des jeweiligen unmittelbaren Täters trifft das Gericht keine Aussage.

[10] Der aufgezeigte Rechtsfehler erforderte die Aufhebung des angefochtenen Urteils bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[11] Mit ihren Rechtsmitteln waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

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