OGH 7Ob166/22w

OGH7Ob166/22w25.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* GmbH, FN *, vertreten durch Berger Ettel Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. L* und 2. C*, Unternehmer, beide *, beide vertreten durch Reiffenstuhl & Reiffenstuhl, Rechtsanwaltspartnerschaft OG in Wien, wegen 1.239.525,27 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 23. Juni 2022, GZ 6 R 30/22h‑49, mit dem das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Feldbach vom 20. Mai 2021, GZ 1 C 366/20k‑43, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00166.22W.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin betreibt drei Gewächshäuser und ist auf Tomatenproduktion spezialisiert. Die Beklagten sind auf die Aufzucht von Jungpflanzen spezialisiert. Die Klägerin beauftragte die Beklagten am 5. 6. 2019 mit der Aufzucht von 72.552 Stück verschiedener Sorten spezieller Tomatenjungpflanzen.

[2] Mit dem Auftrag vereinbart waren die Allgemeinen Lieferungs‑ und Zahlungsbedingungen für Jungpflanzen (idF: AGB) der Beklagten.

[3] Diese lauten auszugsweise:

5. Reklamationen:

Reklamationen betreffend die Qualität, sowie der angelieferten Menge der Jungpflanzen müssen sofort bei der Anlieferung erfolgen, spätestens aber innerhalb von 2 Tagen nach dem Erhalt der Lieferung direkt beim Verkäufer eingehen. Dies gilt auch, wenn der Käufer bei der Lieferung nicht anwesend war, und den Erhalt nicht auf dem Lieferschein bestätigen konnte.

Später können nur Reklamationen berücksichtigt werden, wenn sie während dieser Frist nicht erkennbar waren.

Bei Falschlieferung, Unvollständigkeit oder Mängel unserer Lieferung können wir vorerst nach unserer Wahl Ersatz liefern.

Ist ein Ersatz oder eine Nachbesserung nicht möglich oder dem Kunden nicht zumutbar oder von uns abgelehnt, kann der Kunde den Rücktritt vom Vertrag verlangen.

Eine Haftung des Verkäufers für eine etwaige Infektion von Tomatenjungpflanzen mit bakterieller Tomatenwelke (Clavibacter michiganensis ssb. Michiganensis) wird sowohl hinsichtlich einer Gewährleistung wie auch eines Schadenersatzes in jeder Hinsicht ausgeschlossen. Der Käufer erklärt sich mit dieser Haftungsfreizeichnung des Verkäufers ausdrücklich einverstanden.

Der Verkäufer haftet für keine entstehenden Ertragseinbußen oder Folgeschäden.

6. Lieferpflicht:

Durch höhere Gewalt, z. B. Frost‑, Hagel‑, Sturm‑ oder Überschwemmungsschäden, oder andere ungewöhnliche Witterungsverhältnisse oder durch Misslingen der Kulturen, die sich dem Einfluss des Verkäufers entziehen, wird der Verkäufer von der Lieferpflicht entbunden.

Dies erstreckt sich auch auf besondere Misserfolge oder Ausfälle bei der Anzucht von Jungpflanzen.

Falls die Lieferung einer bestimmten Sorte nicht möglich sein sollte, hat der Verkäufer das Recht, eine weitestgehend gleichwertige Sorte zu liefern oder den Auftrag zu stornieren.

Ersatzansprüche wegen Nichterfüllung oder verspäteter Lieferung an den Verkäufer sind nicht möglich. Ersatzansprüche aufgrund von Falschlieferungen oder Misslingen der Kultur bzw. Sortenverwechslungen können nur bis zum Prozentsatz des entstandenen Schadens bzw. Ausfalls erfüllt werden, die der falsch gelieferten Pflanzenmenge entsprechen und können den Kaufpreis der falsch gelieferten Pflanzen nicht übersteigen.

Sollte der Käufer dem Auftrag nach erfolgter Aussaat annullieren, hat der Verkäufer das Recht den vollen Kaufpreis in Rechnung zu stellen.

Diese trifft nicht zu, falls die Aufzucht infolge grober Fahrlässigkeit des Verkäufers misslungen ist.

[4] Vereinbarter Liefertermin war die Kalenderwoche 22.–28. 7. 2019. Am 27. 6. 2019 wurden die Gewächshäuser der Beklagten, in denen sich zu diesem Zeitpunkt die für die Klägerin bestimmten Jungpflanzen befanden, durch Hagel und Starkregen beschädigt. Dadurch verwelkte ein Großteil der Jungpflanzen; die Streitteile kamen deshalb am 1. 7. 2019 überein, den gesamten Pflanzenbestand zu entsorgen und eine neue Aussaat vorzunehmen. Ca 4.000 Pflanzen der Sorte „Reddery“ wurden dabei nicht entsorgt.

[5] Die Klägerin beauftragte die Beklagten, den Lieferausfall vollständig durch eine zweite Aussaat zu ersetzen; die Lieferung war für die Kalenderwoche 34/2019 vereinbart.

[6] Die 4.000 Pflanzen der Sorte „Reddery“, die nach dem Hagelereignis von den Beklagten nicht vernichtet wurden, wurden neben den Pflanzen der zweiten Aussaat der Klägerin aufgezogen. Bei der Weiterkultur dieser 4.000 Pflanzen „Reddery“ haben die Beklagten keine zusätzlichen Pflanzenschutzmaßnahmen durchgeführt. Eine hygienisch einwandfreie Kultur wäre nur mit einem engmaschigen Pflanzenschutzplan möglich gewesen. Von der Sorte „Reddery“ ging in der Folge ein Pilzbefall der gesamten Kultur aus. Am 13. 8. 2019 begann die Auslieferung der Pflanzen durch die Beklagten, davor wurden die Pflanzen mit Insektiziden und dem Pflanzenschutzmittel Previkur behandelt; dies war aber zur Verhinderung des bereits begonnenen Pilzbefalls zu spät.

[7] Die Klägerin hatte aufrechte Lieferverträge für die aus den bestellten Jungpflanzen zu erntenden Tomaten, wobei es sich dabei um spezielle Sorten gehandelt hat. Um einen größeren Schaden aus den sonst nicht zu erfüllenden Lieferverträgen zu vermeiden, beschloss die Klägerin daher, die pilzbefallenen Pflanzen solange zu retten, bis die schnellstmöglichste Zwischenpflanzung fertig sein werde. Durch zahlreiche aufwendige Maßnahmen – wie etwa das Anbringen spezieller Manschetten um die Pflanzen – konnten die befallenen Pflanzen noch einen Teil des Ertrags erbringen; einen Teil der zur Erfüllung ihrer Lieferpflichten benötigten Tomaten musste die Klägerin zukaufen. Der Minderertrag wurde durch die Maßnahmen der Klägerin von 90 auf ca 30 % reduziert.

[8] Die Klägerin begehrt den Ersatz der erhöhten Personal‑ und Sachkosten für einerseits die teilweise Rettung eines Teils des Ertrags aus den pilzbefallenen Pflanzen und andererseits erhöhte Personal‑ und Sachkosten für die vorgenommene Zwischenpflanzung sowie den dennoch eingetretenen entgangenen Gewinn.

[9] Im Einzelnen fordert sie an Ersatz der erhöhten Personalkosten zur Rettung der Kultur: Pilzbehandlung 12.231,04 EUR, Personalmehraufwand für die Zwischenpflanzung 122.057,86 EUR, Mehraufwand Personal für Entsorgung 21.245,02 EUR, in Summe daher 155.533,92 EUR an Mehraufwand Personal sowie Sachkosten, 2.171,52 EUR für ARGES Analysen und Kosten für Pflanzen und Schutzmaßnahmen von 8.215,95 EUR, Saatgut für die Zwischenpflanzung 73.731,46 EUR, Kosten für die Zwischenpflanzung durch Dritte im Ausmaß von 148.091,47 EUR, Sachkosten dafür von 26.361,31 EUR, Entsorgungskosten von 17.742,83 EUR, in Summe daher 276.314,54 EUR.

[10] Weiters begehrt die Klägerin den Ersatz der Kosten für Zukaufsware von 281.641,90 EUR sowie den Gewinnentgangaufgrund des insgesamt dennoch niedrigeren Ertrags von 126.034,31 EUR.

[11] Insgesamt errechnet die Klägerin daher 1.239.525,27 EUR an Schadenersatz von den Beklagten.

[12] Die Beklagten würden für die Unterlassung einer ausreichendenBehandlung der zu liefernden Tomatenjungpflanzen mit Pflanzenschutzmitteln haften sowie für die unterlassene Kontrolle; sie hätten daher ihren vertraglichen Schutz‑ und Sorgfaltspflichten nicht entsprochen. Sämtliche von der Klägerin gesetzten Maßnahmen seien geeignet gewesen, einen noch größeren Schaden durch einen vollständigen Ertragsentgang zu verhindern. Die in den AGB der Beklagten enthaltene Haftungsfreizeichnung für Folgeschäden und Ertragseinbußen könne aufgrund der groben Fahrlässigkeit der Beklagten nicht zur Anwendung kommen.

[13] Die Beklagten bestritten ein Fehlverhalten sowie die Verursachung der Pilzinfektion. Allenfalls bereits vorhandene Pilzerkrankungen hätten die Beklagten im Rahmen der Auslieferung nicht erkennen können. Die Klägerin habe die Mängel überdies verspätet gerügt. Sie treffe auch ein Mitverschulden, weil sie selbst den Pilzbefall nicht rechtzeitig erkannt habe. Keinesfalls habe die Beklagte grob fahrlässig gehandelt.

[14] Das Klagebegehren sei überdies unschlüssig, die Kosten seien weder angemessen noch notwendig gewesen. Zwischen den Parteien sei durch Vereinbarung der AGB der Beklagten ein wirksamer Haftungsausschluss für entstehende Ertragseinbußen oder Folgeschäden vereinbart worden. Dieser sei – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht für den Fall des Vorliegens grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Ein solcher Haftungsausschluss sei auch nicht sittenwidrig.

[15] Jedenfalls seien die Ersatzansprüche der Klägerin gemäß Pkt 6 der AGB mit dem Kaufpreis der falsch gelieferten Pflanzen begrenzt.

[16] Den ausstehenden Werklohn für die gelieferten Pflanzen im Ausmaß von 114.350,65 EUR wandten die Beklagten als Gegenforderung ein.

[17] Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zur Gänze zu Recht und die Gegenforderung der Beklagten nicht zu Recht bestehe. Die Kostenentscheidung behielt es der Endentscheidung vor.

[18] Die Beklagten seien als Spezialisten für die Aufzucht von Jungtomatenpflanzen gemäß § 1299 ABGB als Sachverständige anzusehen. Sie hätten es unterlassen, den Zustand der Jungpflanzen laufend zu kontrollieren und diese entsprechend zu behandeln. Bereits bei der Aufzucht hätte ihnen ein Behandlungsbedarf auffallen müssen. Jedenfalls hätten die Beklagten vor Auslieferung der Pflanzen die Erkrankung wahrnehmen und von einer Auslieferung absehen können. Aufgrund dieses grob sorgfaltswidrigen Verhaltens würden die Beklagten für sämtliche von der Klägerin geltend gemachten Schäden dem Grunde nach zu haften haben.

[19] Die Klägerin habe die Mängel unmittelbar nach Erkennen gerügt. Auf den Haftungsausschluss für Ertragseinbußen und Folgeschäden nach Pkt 5 der AGB könnten sich die Beklagten nicht berufen, weil die Aufzucht dieser Pflanzen infolge grober Fahrlässigkeit der Beklagten misslungen sei. Es liege gar kein Fall des Misslingens einer Kultur vor, weshalb auch die in Pkt 6 der Allgemeinen Lieferungs‑ und Zahlungsbedingungen enthaltene Begrenzung des Schadenersatzes mit dem Kaufpreis der falsch gelieferten Pflanzen nicht zur Anwendung komme. Die Klägerin sei ihrer Schadensminderungspflicht ausreichend nachgekommen.

[20] Das Berufungsgerichtgab der Berufung der Beklagen teilweise Folge und hob den Ausspruch über die Gegenforderung der Beklagten auf. Es verwies die Rechtssache in diesem Ausmaß zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück, weil die Entscheidung über die eingewendete Gegenforderung die Anspruchshöhe betreffe.

[21] Im Übrigen (gesamte Klagsforderung) gab es der Berufung keine Folge und bestätigte das Zwischenurteil über die Klagsforderung dem Grunde nach. Sämtliche den Grund des Globalanspruchs betreffenden strittigen Fragen seien geklärt; die Erlassung eines Zwischenurteils setze nicht voraus, dass das Zurechtbestehen jedes einzelnen Anspruchsteils geprüft werde. Der Einwand der Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit gehöre nicht zum Anspruchsgrund, sondern zur Höhe. Die Beklagten hätten durch die Aufzucht der 4.000 Pflanzen der Sorte „Reddery“ grob fahrlässig gehandelt, weil diese den Pilzbefall letztlich verursacht hätten. Weitere Ausführungen zur Mängelrüge würden sich erübrigen, weil § 377 Abs 5 UGB ausschließe, dass der Verkäufer sich auf eine unterbliebene Rüge berufen könne, wenn er den Mangel selbst grob fahrlässig nicht erkannt und deshalb verschwiegen habe.

[22] Die Haftungsbeschränkungen in den AGB der Beklagten kämen nicht zum Tragen, wenn die Aufzucht infolge grober Fahrlässigkeit des Verkäufers misslungen sei.

[23] Da ein Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit daher gar nicht vereinbart worden sei, erübrige sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein solcher sittenwidrig wäre und ob von krasser grober Fahrlässigkeit auszugehen wäre.

[24] Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag dahin, das Klagebegehren abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[25] Mit ihrer – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[26] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig; sie ist im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Zu den geltend gemachten Ansprüchen:

[27] 1.1. Die Klägerin macht Schadenersatzansprüche geltend, die gemäß § 933a ABGB Mangel‑und Mangelfolgeschäden umfassen können. Grundsätzlich zählt zum Mangelfolgeschaden derjenige Schaden, der dem Käufer an seinen übrigen Rechtsgütern außerhalb der Kaufsache – etwa an Gesundheit, Leben, Eigentum, aber auch an sonstigem Vermögen – entstanden ist. Der Mangelschaden umfasst dagegen denjenigen Schaden, der unmittelbar durch die mangelhafte Lieferung verursacht ist; dazu gehören etwa die fehlende oder eingeschränkte Gebrauchstauglichkeit der Kaufsache, die zur Beseitigung der Mängel erforderlichen Aufwendungen (Reparaturkosten), der bleibende Minderwert, Nutzungsausfall und Gewinnentgang (RS0054272).

[28] 1.2. Die Unterscheidung in Mangel‑ und Mangelfolgeschäden ist für die Frage relevant, für welche Schäden der Vorrang der Verbesserung und des Austauschs gilt (vgl 6 Ob 81/20k mwN).

[29] 1.3. Gemäß § 933a Abs 2 ABGB kann der Übernehmer dann Geldersatz verlangen, wenn die Verbesserung unmöglich ist oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre oder der Übergeber die Verbesserung verweigert. Ist der Mangel behebbar, steht dem Übernehmer der Anspruch auf das Erfüllungsinteresse zu. Der Gläubiger ist insgesamt so zu stellen, wie er stünde, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Die Klägerin erstattete hier kein Vorbringen zu den Voraussetzungen ihrer Zahlungsbegehren iSd § 933a ABGB, der Prozessstandpunkt der Beklagten – die zu keinem Zeitpunkt eine Verbesserung in den Raum gestellt hat – ist aber mit der Verweigerung einer Verbesserung gleichzusetzen, soweit diese im konkreten Fall nicht ohnehin als unmöglich anzusehen ist (vgl 3 Ob 191/13d mwN).

[30] Die Beklagtenhätten demnach nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen für den Nichterfüllungsschaden der Klägerin grundsätzlich einzustehen.

2. Zur Auslegung der Freizeichnungen in den AGB der Beklagten:

2.1. Zu Pkt 5 der AGB:

[31] Dieser Punkt der AGB der Beklagten betrifft Reklamationen. Der letzte Satz lautet: „Der Verkäufer haftet für keine entstehenden Ertragseinbußen oder Folgeschäden.“ Dass sich dieser Satz nur auf die davor geregelte Haftungsfreizeichnung für eine Infektion von Tomatenjungpflanzen mit bakterieller Tomatenwelke beziehen würde, ist nicht nachvollziehbar, weil diese Bestimmung bereits einen gänzlichen Haftungsausschluss enthält und daher ein weiterer Ausschluss keinen eigenen Regelungsgehalt mehr hätte. Nach dem eindeutigen Wortlaut des letzten Satzes in Pkt 5 der AGB der Beklagten soll daher die Haftung der Beklagten für Ertragseinbußen oder Folgeschäden generell ausgeschlossen werden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wird damit auch die Haftung für grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen.

2.2. Zu Pkt 6 der AGB:

[32] 2.2.1. Der in Pkt 6 der AGB enthaltene letzte Satz: „Diese trifft nicht zu, falls die Aufzucht infolge grober Fahrlässigkeit des Verkäufers misslungen ist“ ist nicht mit der davor gesondert geregelten Freizeichnung in Pkt 5 (Reklamationen) zu verbinden.

[33] 2.2.2. Ein sinnvoller Regelungsgehalt unter Berücksichtigung eines bestimmten Substantivs in Pkt 6 der AGB der Beklagten, auf das sich „diese“ beziehen könnte, ist vielmehr nicht erkennbar. Dass, wie die Beklagten argumentieren, durch die Verwendung der weiblichen Endung (diese) auf die Lieferpflicht Bezug genommen wird, überzeugt nicht, weil man – im Sinne der Auslegungskriterien des § 914 ABGB – redlichen Parteien nicht unterstellen kann, bei Vorliegen von grober Fahrlässigkeit auf Seiten der Beklagten diese ohne weiteres von ihrer Lieferpflicht zu entbinden. Damit bleibt die Erklärung undeutlich und die Beklagte muss gemäß § 915 ABGB (RS0017951; RS0109295) diese undeutliche Äußerung insoweit gegen sich gelten lassen, als sie sich im Zweifel auf die in Pkt 6 geregelten Ersatzansprüche (etwa bei Misslingen der Kultur) bezieht.

3. Zum Verschulden der Beklagten:

[34] Die Vorinstanzen haben die Vorgehensweise der Beklagten zu Recht [jedenfalls] als grob fahrlässig beurteilt. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

4. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten:

[35] Die Beschränkung der Ersatzansprüche wegen des „Misslingens der Kultur“ als Pkt 6 der AGB mit dem Kaufpreis der falsch gelieferten Pflanzen ist wegen des Ausschlusses dieser Haftungsfreizeichnung für den Fall grober Fahrlässigkeit nicht anzuwenden. Die Haftungsfreizeichnung in Pkt 5 wird durch den Ausschluss im letzten Satz von Pkt 6 der AGB der Beklagten aber nicht berührt. Damit verbleibt eine dem Wortlaut nach unbeschränkte Haftungsfreizeichnung für Ertragseinbußen oder Folgeschäden. Da ein beidseitiges Unternehmergeschäft vorliegt, kommt das mittlerweile auch für den Individualprozess bejahte Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (vgl RS0128735) hier nicht zum Tragen.

5. Zum zulässigen Umfang der Freizeichnung:

[36] 5.1. Für die Freizeichnung sind – soweit von ihr Mangelschäden betroffen sind – tendenziell die gleichen Argumente wie bei Gewährleistungsauschlüssen zu beachten (P. Bydlinski in KBB6 § 933a ABGB Rz 17). Ein allgemeiner Gewährleistungsausschluss erstreckt sich grundsätzlich auch auf geheime Mängel und solche, die normalerweise vorausgesetzte Eigenschaften betreffen (RS0018564). Er bezieht sich jedoch nicht auf arglistig verschwiegene Mängel oder auf das Fehlen zugesicherter Eigenschaften (RS0018523); dies gilt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch bei schlüssiger Zusage (RS0018561 [T2]).

[37] 5.2. Auch Vereinbarungen über die Beschränkung oder den Ausschluss der Haftung sind nach §§ 914 f ABGB auszulegen (RS0016561 [T2]); es ist daher zunächst vom Wortsinn auszugehen und sodann der Wille der Parteien – das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden – zu erforschen; letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind. Es kommt darauf an, ob es sich um einen Schaden aus den für das Rechtsverhältnis typischen oder wenigstens im Einzelfall nach dessen besonderen Verhältnissen voraussehbaren Gefahren handelt. Ansprüche, an welche die Parteien überhaupt nicht denken konnten, fallen nicht unter derartige Vereinbarungen. Als verzichtbar werden nur voraussehbare und kalkulierbare Risken angesehen (vgl 3 Ob 196/13ihttps://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?ResultFunctionToken=5217a6e5-2d35-4788-85fd-72ffac030c97&Position=1&SkipToDocumentPage=True&Abfrage=Justiz&Fachgebiet=&Gericht=&Rechtssatznummer=&Rechtssatz=&Fundstelle=&Spruch=&Rechtsgebiet=Undefined&AenderungenSeit=Undefined&JustizEntscheidungsart=&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=True&GZ=3Ob196/13i&VonDatum=&BisDatum=11.01.2023&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Dokumentnummer=JJT_20131219_OGH0002_0030OB00196_13I0000_000mwN).

[38] 5.3. Die Privatautonomie gestattet den Vertragspartnern in den durch § 879 ABGB gezogenen Grenzen die im Gesetz geregelten Haftungsbestimmungen vertraglich zu erweitern oder einzuschränken (8 Ob 46/17y; RS0016575 [T1]). Vereinbarungen über den Ausschluss oder die Beschränkung der Haftung sind somit nur insoweit wirksam, als ihr Abschluss oder doch ihre Anwendung im Einzelfall nicht gegen die guten Sitten verstößt. Absichtliche Schadenszufügung kann hiedurch niemals gedeckt werden. Es kommt darauf an, ob es sich um einen Schaden aus den für das Rechtsverhältnis typischen oder wenigstens im Einzelfall aus nach dessen besonderen Verhältnissen voraussehbaren Gefahren handelt. Ansprüche, an welche die Partei überhaupt nicht denken konnte, sei es, dass der Schaden aus einer nicht vorhersehbaren Gefahrenquelle entstanden ist, sei es, dass der Schaden auf einem „so krassen Verschulden“ beruht, dass die krass grobe Fahrlässigkeit im Ergebnis dem (bedingten) Vorsatz gleichzustellen ist, fallen nicht unter derartige Vereinbarungen (vgl RS0038178, RS0016582). Ein Ausschluss der Haftung für schlichte grobe Fahrlässigkeit zwischen zwei Unternehmen ist aber nicht in jedem Fall unwirksam. Diese Frage kann nicht allgemein beantwortet werden, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl 3 Ob 196/13i mwN).

[39] 5.4. Ob den Beklagten hier Vorsatz bzw dem gleichzuhaltende krass grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, und damit der Haftungsausschluss in Pkt 5 der AGB gänzlich unangewendet zu bleiben hätte, lässt sich aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht verlässlich beurteilen. Hätten die Beklagten vor Ablieferung an die Klägerin den Pilzbefall erkannt (und möglicherweise auch deshalb einzelne Pflanzen aussortiert), wäre jedenfalls von einer krass groben, dem Vorsatz gleichzusetzenden Fahrlässigkeit der Beklagten auszugehen. Wäre der Pilzbefall demgegenüber nur erkennbar gewesen, hätten die Beklagten genauer kontrolliert, was sie aber unterlassen haben, wäre von einem derartig schweren Grad an Fahrlässigkeit nicht auszugehen.

[40] 5.5. Das Erstgericht traf dazu teils ungenaue, teils auch widersprüchliche (dislozierte) Feststellungen:

[41] Einerseits stellte es fest, dass bei den Teillieferungen vom 13., 14. und 16. 8. 2019 unterschiedliche Wuchsgrößen zu erkennen waren, vor der Auslieferung Mitarbeiter der Beklagten die Pflanzen nach Größe und nach Entwicklung selektiert hätten und die Beklagten vor Auslieferung eine Sichtkontrolle hätten machen müssen, weil nur gesunde Pflanzen in Verkehr gebracht werden dürften.

[42] Das spräche für ein Unterlassen einer ausreichenden Sichtkontrolle, nicht aber für ein tatsächliches Erkennen.

[43] Demgegenüber bezeichnet das Erstgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Aussagen des Geschäftsführers der Klägerin als glaubwürdig, wonach der Erstbeklagte zugegeben habe, dass sie bzw seine Mitarbeiter beim Verpacken bereits gesehen haben, dass die Pflanzen von einem Pilz befallen waren. Das Erstgericht führt weiters im Rahmen der Beweiswürdigung aus, es sei nicht ersichtlich, warum Pflanzen bei den Beklagten aussortiert worden wären, wenn sie nicht krank gewesen wären. Eine eindeutige Feststellung, dass kranke Pflanzen vor Ablieferung aussortiert wurden (und damit der Pilzbefall erkannt und dennoch geliefert worden wäre), trifft das Erstgericht aber nicht, wobei das Erstgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung wiederum ausführt, dass es die Beklagten vor Auslieferung an die Klägerin unterlassen hätten, die Ware ordentlich zu kontrollieren und dabei erkrankte Pflanzen zu selektieren.

[44] 5.6. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren widerspruchsfreie Feststellungen dazu zu treffen haben.

[45] Sollte das Erstgericht zur Feststellung gelangen, der Pilzbefall wäre vor Ablieferung erkannt worden, wäre die Freizeichnung Pkt 5 letzter Satz der AGB nicht anzuwenden. Sollte das Erstgericht dagegen zur Feststellung gelangen, dass die Beklagte (nur) erkennen hätte können, dass die Pflanzen pilzbefallen waren, wäre die Freizeichnung zu beachten. Das würde im konkreten Fall bedeuten, dass die Beklagten nicht für den entgangenen Gewinn und Folgeschäden zu haften hätten. Diesfalls wäre zu klären, welche der eingeklagten Positionen darunter fielen.

[46] 6. Soweit die Beklagten ein Mitverschulden der Klägerin geltend machen, weil die Pflanzen, von denen letztlich die Pilzinfektion ausgegangen ist, auf Wunsch der Klägerin nicht entsorgt worden wären, entfernen sie sich von den Feststellungen. Ein Anhaltspunkt für ein solches Mitverschulden der Klägerin bietet der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt nicht.

[47] 7. Die Beklagten kommen in ihrer Revision auch auf die von ihnen eingewandteUnschlüssigkeit des Klagebegehrens zurück.

[48] Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell‑rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516). Diesen Anforderungen wird die Klage grundsätzlich gerecht; die Klägerin hat ihre Ansprüche ordnungsgemäß aufgeschlüsselt (RS0031014). Inwieweit sich im Hinblick auf die Anspruchshöhe einzelne Anspruchsteile der – soweit ersichtlich – nach Personal- und Sachaufwand getrennten Kosten dennoch teilweise überschneiden sollten oder aus Gründen der Schadensminderungspflicht der Klägerin nicht in voller Höhe zustehen, wird im Rahmen der Beurteilung der Anspruchshöhe zu prüfen sein.

8. Zur Mängelrüge der Klägerin:

[49] Nach den AGB der Beklagten hat die dort vertraglich vereinbarte Mängelrüge binnen zwei Tagen zu erfolgen, was nach den Feststellungen des Erstgerichts (erstmaliges Wahrnehmen am 19. 8. 2019, Rüge am 20. 8. 2019 und Termin mit dem Erstbeklagten am 21. 8. 2019) jedenfalls erfolgte. Dem Einwand des Beklagten, den geltend gemachten Schadenersatzanspruch stehe wegen verspäteter Rüge nicht zu, kommt daher schon aus diesem Grund keine Berechtigung zu.

[50] 9. Der Revision war daher im Sinne ihres Aufhebungsantrags Folge zu geben.

[51] 10. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 3 ZPO.

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