OGH 1Ob248/22k

OGH1Ob248/22k20.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F* M*, vertreten durch Mag. Raimund Lackner, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 130.011,30 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2022, GZ 14 R 141/22s‑20, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00248.22K.1220.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Angebliche Feststellungsmängel können den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO nicht begründen (RS0043304).

[2] 2. Das für die Berechtigung von Amtshaftungsansprüchen erforderliche Verschulden eines Organs ist dann zu verneinen, wenn seine Entscheidung auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbarer Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht (RS0049974 [T2]; RS0050216 [T2]). Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0110837). Eine solche läge nur vor, wenn den Vorinstanzen eine im Interesse der Rechtssicherheit korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl RS0044088).

[3] 3. Eine solche Fehlbeurteilung zeigt der Revisionswerber nicht auf:

[4] 3.1. Sowohl das Erstgericht als auch – hilfsweise – das Berufungsgericht gingen von der Vertretbarkeit der Beurteilung der Gerichte im Anlassprozess aus, dass der dort beklagte Verein wirksam vertreten gewesen sei, weswegen der Antrag des (auch dort) Klägers auf Erlassung eines Versäumungsurteils zutreffend abgewiesen worden sei. Das Erstgericht verwies dabei auf die Entscheidung zu 9 Ob 24/15t, 9 Ob 25/15i (Pkt I.7), in der der Oberste Gerichtshof festgehalten hatte, dass infolge der Neuwahl am 20. 12. 2013 eine bestimmte Person zum Landesobmann des beklagten Vereins gewählt worden und dieser seitdem der gesetzliche Vertreter des Vereins gewesen sei. Der neu gewählte Landesobmann habe den für den beklagten Verein einschreitenden Rechtsanwälten – die auch im zeitlich nachfolgenden Anlassprozess den Verein vertraten – wirksam Prozessvollmacht erteilen können; die Vertretungsbefugnis dieses Landesobmanns sei auch aus dem im Anlassverfahren vorgelegten Vereinsregisterauszug ersichtlich gewesen.

[5] 3.2. Der Revisionswerber vermag mit dem von einem Dritten gegen den Verein noch vor der Neuwahl des Vorstands am 20. 12. 2013 erwirkten Anerkenntnisurteil, wonach „das Urteil ihres Organs Landesschiedsgericht Nr 1/2013 vom 22. 8. 2013“ und „die Beschlüsse, die am 5. 11. 2013 in der Landesvorstandssitzung gefasst wurden, nichtig und rechtsunwirksam“ seien, nicht aufzuzeigen, dass der neue Landesobmann nicht wirksam gewählt worden sein soll. Nach den Feststellungen im Anlassprozess wurden weder diese Wahl noch die ihre Rechtmäßigkeit bestätigende „Entscheidung“ der Schlichtungseinrichtung des Vereins („Landesschiedsgericht“) vom 26. 2. 2014, wonach der Landestag (Mitgliederversammlung) vom 20. 12. 2013 „ordnungsgemäß war“, die dortabgehaltenen Wahlen und gefassten Beschlüsse „standardkonform“ durchgeführt bzw gefasst worden seien und der Landestag „standardkonform“ (gemeint jeweils statutenkonform) einberufen worden sei, bekämpft. Damit ist die Beurteilung des Erstgerichts, die Gerichte des Anlassprozesses seien vertretbar davon ausgegangen, dass seit diesem Zeitpunkt der neu gewählte Landesobmann den Verein vertreten habe und die Prozessvertreter wirksam bevollmächtigenkonnte, nicht zu beanstanden.

[6] 3.3. Der Behauptung des Revisionswerbers, dem früheren Landesobmann des beklagten Vereins sei die „Frist zur Kandidatur“ nicht bekannt gewesen, steht schon das in der Revision zitierte Protokoll der Sitzung des Landesvorstands vom 16. 12. 2013 entgegen, an der der damalige Landesobmann teilnahm und aus dessen Tagesordnung ersichtlich ist, dass sich die Teilnehmer mit der „rechtswidrigen Ausrufung eines Landestages am 20. 12. 2013“ befassten. Wenn er argumentiert, der Wahl des neuen Landesobmanns sei dessen vorangegangener Ausschluss entgegengestanden, übergeht er die Feststellung, dass die Schlichtungseinrichtung des im Anlassprozess beklagten Vereins diesen Ausschluss als nichtig aufgehoben hat.

[7] 4. Auf die in der Revision bekämpfte (Haupt‑)Begründung des Berufungsgerichts kommt es unter diesen Umständen nicht an.

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