OGH 3Ob216/22v

OGH3Ob216/22v15.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Mag. Johannes Koman, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei S*, vertreten durch Dr. Wolfgang Hochsteger und andere Rechtsanwälte in Hallein, wegen 10.981,97 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 29. September 2022, GZ 53 R 150/22y‑19, womit das Teil‑ und Zwischenurteil des Bezirksgerichts Hallein vom 23. Mai 2022, GZ 1 C 97/22h‑11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00216.22V.1215.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Begründung:

[1] Der in Spanien geführten Lebensgemeinschaft der Streitteile entstammt ihr im Jahr 2016 in Spanien geborener Sohn. Nach Beendigung der Lebensgemeinschaft schlossen sie im Juli 2019 vor dem zuständigen Gericht in Spanien eine Trennungsvereinbarung, wonach das Sorgerecht für das Kind von beiden Eltern ausgeübt wird, die (aus Österreich stammende) Beklagte jedoch für seine alltägliche Betreuung zuständig ist. Diese Befugnis beinhaltet nicht das Recht, allein über den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen.

[2] Im Sommer 2021 fuhr die Beklagte in Absprache mit dem Kläger gemeinsam mit dem Kind auf Heimaturlaub zu ihren Eltern nach Österreich. Dort entschloss sie sich, nicht mehr nach Spanien zurückzukehren. Aufgrund eines vom Kläger daraufhin eingeleiteten Verfahrens nach dem HKÜ wurde das Kind letztlich nach Spanien zum Vater zurückgeführt. Im Zuge dieses Verfahrens entstanden dem Kläger Kosten von zumindest 7.000 EUR.

[3] Das Erstgericht gab dem Schadenersatzbegehren des Klägers im Umfang von 7.000 EUR sA statt und fällte über den darüber hinausgehenden Teil des Klagebegehrens ein Zwischenurteil.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß ein Elternteil im Fall einer unverständlichen Unterlassung der Rückführung des Kindes an seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor der Entführung gegenüber dem in seinem Sorgerecht verletzten Elternteil zu haften habe. Es bedürfe einer Klarstellung der in RS0126872 dargelegten Rechtsansicht, insbesondere im Lichte des dort zu T2 festgehaltenen Rechtssatzes.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[6] 1. Nach gesicherter Rechtsprechung dient § 159 ABGB zwar in erster Linie dem Schutz des Kindeswohls, aber auch jener Personen, deren im Familienrecht begründete, auch absolut geschützte Rechtsstellung durch ein missbilligtes Verhalten beeinträchtigt wird. Verhaltenspflichten, die sich aus dem Schutz des Eltern-Kind-Verhältnisses ergeben, schützen also auch den anderen Elternteil; deren schuldhafte Verletzung kann daher zu Schadenersatzansprüchen führen (RS0126872 [T1]). Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf Verfahrenskosten, wie etwa Reisekosten, Anwaltskosten und Kosten eines HKÜ‑Verfahrens (3 Ob 23/19g; 7 Ob 100/22i).

[7] 2. Der zum Rechtssatz RS0126872 vordergründig in Widerspruch stehende, aus der Entscheidung 2 Ob 180/17k gebildete Beisatz T2 („Schadenersatzpflichtig kann nur ein in das grundrechtlich geschützte Verhältnis zwischen Eltern und Kindern eingreifender Dritter werden, nicht der berechtigte bzw verpflichtete Elternteil oder das Kind, die den Kontakt verweigern.“) bezieht sich, wie sich der genannten Entscheidung entnehmen lässt, nicht auf eine Verletzung des Wohlverhaltensgebots des § 159 ABGB, sondern vielmehr auf die Beistandspflicht gemäß § 137 ABGB, ist hier also in Wahrheit nicht einschlägig.

[8] 3. Dass die Vorinstanzen den allein mit einem einzigen Vorfall während des Heimaturlaubs – einer einmaligen, unerklärlichen (Über‑)Reaktion des Kindes auf das Pfeifen eines fremden Mannes – begründeten Verbleib der Beklagten mit dem Kind in Österreich alsrechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in die Mitobsorge des Klägers werteten, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar, zumal sich das Kind anschließend wieder beruhigte, kein solches Verhalten mehr zeigte und es die Beklagte auch nicht für notwendig erachtete, medizinische oder therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

[9] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO. Bei Bestätigung eines „stattgebenden“ Zwischenurteils kommt ein endgültiger Kostenzuspruch nicht in Betracht (RS0035896).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte