OGH 7Ob198/22a

OGH7Ob198/22a13.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* E*, vertreten durch die Wijnkamp Advocatuur/Advokatur GmbH in Mils bei Imst, gegen die beklagte Partei M* L*, vertreten durch Mag. Alexandra Knapp, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen 19.134,64 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. Oktober 2022, GZ 3 R 112/22v‑55, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00198.22A.1213.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Am 27. Februar 2019 kollidierten der Kläger und der Beklagte als Skifahrer auf einer Piste im Skigebiet „R*“. Durch die Kollision zogen sich beide Schifahrer Verletzungen zu. Sowohl der Kläger als auch der Beklagte lebten zum Zeitpunkt des Unfalls in den Niederlanden und leben nach wie vor dort.

[2] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren unter Heranziehung niederländischen Rechts ab.

[3] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers.

[4] 1. Die Anwendung niederländischen Rechts gemäß Art 4 Abs 2 Rom II‑VO ist als abschließend erledigter Streitpunkt nicht mehr Gegenstand der Revisionsentscheidung (vgl 6 Ob 236/19b; 5 Ob 190/20g; 7 Ob 24/22p).

[5] 2. Im Revisionsverfahren ist auch nicht strittig, dass der Beklagte ausschließlich gegen die FIS-Regel Nr 1 verstoßen hat, wonach jeder Skifahrer sich stets so verhalten muss, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt, da er nach den Feststellungen den Kläger bei verstärkter und frühzeitiger Beobachtung durch Kopfwendung rechtzeitig erkennen und unfallvermeidend reagieren hätte können.

[6] 3. Gemäß Art 17 Rom II‑VO sind bei der Beurteilung des Verhaltens der Person, deren Haftung geltend gemacht wird, faktisch und soweit angemessen die Sicherheits‑ und Verhaltensregeln zu berücksichtigen, die an dem Ort und zu dem Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses in Kraft sind. In Erwägungsgrund 34 der Rom II‑VO wird dargelegt, dass zur Wahrung eines angemessenen Interessenausgleichs und soweit dies angemessen ist, zwischen den Parteien die Sicherheits- und Verhaltensregeln des Staats, in dem die schädigende Handlung begangen wurde, selbst dann beachtet werden, wenn auf das außervertragliche Schuldverhältnis das Recht eines anderen Staats anzuwenden ist. Art 17 Rom II‑VO behandelt daher die Berücksichtigung statutsfremder Regeln.

[7] Hierliegt aber kein solcher Fall vor, weil die FIS-Regeln nicht nur bei Anwendung österreichischen Rechts, sondern auch bei Anwendung niederländischen Rechts als Sorgfaltsmaßstab für Schifahrer herangezogen werden. Auch die niederländischen Gerichte beurteilen bei Anwendung ihres eigenen Rechts das Verhalten von Schifahrern am Maßstab der FIS-Regeln, was der Kläger in seiner Revision auch nicht in Frage stellt.

[8] Entgegen der Ansicht des Klägers ist dann aber die Frage, ob die Verletzung der FIS-Regel Nr 1 zu einer Haftung des Schifahrers führt, ohne Zweifel nach dem gemäß Art 4 Rom II‑VO anwendbaren niederländischen Sachrecht zu beurteilen. Die gegenteilige Ansicht des Klägers würde zu einer Verdrängung des nach Art 4 Abs 2 Rom II‑VO anwendbaren Sachrechts bezüglich des Haftungsgrundes führen, was schon nach dem Wortlaut von Art 17 Rom II‑VO klar auszuschließen ist.

[9] Wenn somit nach dem anwendbaren niederländischen Recht bei Sportunfällen nicht jedes gefährliche Verhalten haftungsbegründend ist und insbesondere die bloße Verletzung der FIS-Regel Nr 1 nicht zu einer Haftung des Beklagten führt – was der Kläger, der wie gesagt lediglich insoweit österreichisches Recht angewendet haben möchte, nicht bestreitet –, so ist die von den Vorinstanzen vorgenommene Klagsabweisung nicht korrekturbedürftig.

[10] 4. Die Einleitung eines Vorabentscheidungs-verfahrens ist nicht erforderlich, weil hier entgegen der Ansicht des Klägers kein Anwendungsfall des Art 17 Rom II‑VO vorliegt und auch im Übrigen keine Auslegungszweifel im Sinn der Rechtsprechung des EuGH (vgl insb Rs 283/81 , CILFIT) vorliegen.

[11] 5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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