OGH 12Os81/22m

OGH12Os81/22m7.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kastner in der Strafsache gegen *M* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten M* und * B* gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 28. März 2022, GZ 8 Hv 49/21m‑134, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00081.22M.1207.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten * M* und * B* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Relevanz – der Angeklagte * M* jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (A.I.2.b. und G.), des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (D. und E.) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 und 3 SMG (H.) sowie * B* jeweils des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (A.II.), nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (B.I.) und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (B.II.), der Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (C.) und jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 1 und 3 SMG (D.) und der Vorbereitung des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 und 3 SMG (H.) schuldig erkannt.

Danach haben

A. vorschriftswidrig Suchtgift

I. in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge als Mitglied einer kriminellen Vereinigung bestehend aus M*, K* S*, * V*, * F*, den abgesondert verfolgten * J* und * R*, einer unbekannten Person namens „*“ und weiteren unbekannten Mittätern, M* überdies auch als Mitglied einer weiteren kriminellen Vereinigung rund um B*, J*, K* S* und weiteren unbekannten Mittätern,

1. K* S* in mehrfachen Angriffen in Ki* und Be* aus Serbien, Ungarn und teilweise der Slowakei aus- und nach Österreich eingeführt, indem er insgesamt 110 kg Cannabisblüten, enthaltend eine Reinsubstanz von 11 kg THCA und 0,55 kg Delta‑9‑THC, als Fahrzeuglenker des im Urteil näher bezeichneten Schmuggelfahrzeugs nach Österreich brachte, und zwar

a. in der Zeit von 31. Oktober bis 2. November 2020 60 kg Cannabisblüten;

[…]

2. anderen in W* überlassen, und zwar

[...]

b. M*jeweils gewinnbringend am 2. November 2020 zumindest 20 kg der unter A.I.1.a. genannten 60 kg Cannabisblüten an unbekannte Abnehmer und weitere 10 kg an * Se*, am 18. Oktober 2020 und in den Tagen danach 20 kg Cannabisblüten an Se*, an einem unbekannten Tag im Juni 2020 insgesamt 10 kg Cannabisblüten an * Ka*, im Frühjahr 2020 an Ka* 1 kg Cannabisblüten;

II. B*am 28. Dezember 2020 in W* ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar vier Gramm Kokain;

B. B*von einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt bis 27. April 2021 in W*, wenn auch nur fahrlässig, nachfolgende Waffen und Munition besessen, und zwar

I. unbefugt eine Schusswaffe der Kategorie B, nämlich eine Faustfeuerwaffe Kaliber 22,

II. die unter I. genannte Pistole, Munition dafür und eine Repetierbüchse der Marke Mauser, Typ 98, samt drei Stück Magazinen und Munition, obwohl ihm das gemäß § 12 WaffG verboten war;

C. B*am 24. November 2020 in W* versucht, andere, nämlich V* S* und T* St*, durch gefährliche Drohungen zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe von Betten mit Suchtgift, zu nötigen, indem er ihnen gegenüber äußerte: „Ihr alle lügt, ihr habt meine Betten versteckt, ihr habt K* (gemeint S*) versteckt, ich werde euch alle umbringen, ihr werdet schon sehen!“, sie sohin mit einer Verletzung am Körper bedrohte;

D. B* und M*in W* und an anderen Orten andere im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter hinsichtlich 172,87 kg Cannabisblüten, M* alleine hinsichtlich weiterer 50 kg Cannabisblüten, J* und unbekannte albanische Kuriere dazu bestimmt, [vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge um das 25‑Fache übersteigenden Menge, nämlich] insgesamt 222,87 kg Cannabisblüten, beinhaltend 23,486 kg THCA und 1,318 kg Delta-9-THC, aus dem Kosovo über Serbien und Ungarn aus- und nach Österreich einzuführen, indem M* und B* sie gemeinsam beauftragten, die unter A.I.1.a. genannte Menge, M* sie weiters alleine beauftragte, die unter A.I.2.b. genannte Menge sowie M* und B* gemeinsam sie vor dem 22. November 2020 beauftragten, eine weitere Menge von 112,877 kg Cannabisblüten, enthaltend 12,486 kg THCA und 768 g Delta-9-THC, nach Österreich zu bringen, und sie hier gewinnbringend weiterzuverkaufen, wobei B* schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG, nämlich zu AZ * verurteilt worden ist;

E. M*[in W*]gemeinsam mit * F* und dem abgesondert verfolgten * R* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter den ebenfalls abgesondert verfolgten J* und * V* in sieben Angriffen dazu bestimmt, [vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge um das 25‑Fache übersteigenden Menge, nämlich] eine Suchtgiftmenge von insgesamt 139 kg Cannabisblüten, beinhaltend 13,9 kg THCA und 695 g Delta-9-THC, aus Serbien auszuführen und nach Österreich einzuführen, und zwar

I. im Frühjahr 2020 insgesamt 27 kg Cannabis-blüten, beinhaltend 2,7 kg THCA und 135 g Delta-9-THC,

[...]

G. M*in W* außer in den zu A.I.2.b. dargestellten Fällen durch die unter E.I. genannten Beauftragungen und seine Direktiven vor Ort nach Ankunft der Lieferung J* dazu bestimmt, von der unter E.I. genannten Menge 17 kg Cannabisblüten dem * Sz* [vorschriftswidrig] zu überlassen;

H. M* und B*im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter [in W*] K* S* über J* dazu bestimmt, [vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge um das 15‑Fache übersteigenden Menge, nämlich] die unter D. genannte Suchtgiftmenge von 112,877 kg Cannabisblüten in Be*, Ki*, G*, Fi* und an anderen Orten mit dem Vorsatz zu besitzen und zu befördern, dass sie in Verkehr gesetzt werde, indem sie den Auftrag zur Einfuhr und zur Verbringung des Suchtgiftes nach W* erteilten.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden, die M* auf Z 5 und B* auf Z 5, 9 lit a und 10, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, stützen. Keiner von ihnen kommt Berechtigung zu.

[3] Den Mängelrügen (Z 5 vierter Fall) ist vorauszuschicken, dass zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung eines Begründungsmangels konkret jene Feststellungen ausgesprochen werden müssen, auf die sich dieser beziehen soll (RIS‑Justiz RS0130729). Diesem Erfordernis wird weder der Einwand des Angeklagten M*, für den Schuldspruch seien in der Hauptverhandlung (mangels Verlesung) nicht vorgekommene Beweismittel herangezogen worden, noch jener des Angeklagten B*, die „Begründung der Urteilsfakten“ stütze sich auf bestimmte in der Hauptverhandlung nicht vorgekommene Beweismittel, gerecht.

[4] Im Übrigen wäre darzulegen gewesen, dass die Tatrichter nicht anderen Beweismitteln für sich allein volle Überzeugungskraft zugebilligt haben (vgl aber zu M* US 49 ff [zu A.I.2.b.: im Wesentlichen geständige Verantwortung, ZV J*], US 54 ff [zu D.: im Wesentlichen geständige Verantwortung, ZV J*], US 58 f [zu E.: Geständnis hinsichtlich 5 bis 7 Fahrten], US 60 [zu G.: ZV J*], US 61 [zu H.: Geständnis]; vgl zu B* US 52 f [zu A.II.: Geständnis], US 53 [zu B.: Geständnis], US 53 [zu C.: Geständnis], US 54 ff [zu D.: Geständnis hinsichtlich eines Teilakts der tatbestandlichen Handlungseinheit {vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0127374}, ZV St*, ZV J*] und US 61 [zu H.: Geständnis, ZV J*]), sie also das (trotz anderslautender Protokollierung [vgl ON 133 S 95] angeblich) nicht Vorgekommene nicht bloß illustrativ erwähnt haben (RIS‑Justiz RS0113210).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B* im Übrigen:

[5] Der Rechtsrüge zuwider (Z 9 lit a) ergeben sich zu B.I. die Sachverhaltsannahmen zur (rechtlichen) Beurteilung des Besitzes der Schusswaffe als unbefugt hinreichend deutlich aus den Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer wusste, dass er über kein waffenrechtliches Dokument verfügte (US 25), und er die im Zuge der Durchsuchung sichergestellte Waffe „unbefugt besessen“ hatte (US 53). Die Beschwerde zeigt somit einen Rechtsfehler mangels Feststellungen nicht prozessordnungskonform auf (RIS‑Justiz RS0099810).

[6] Gleiches gilt für die (einen Wegfall der Subsumtion der Taten nach § 28a Abs 4 Z 1 SMG [zu D.] und nach § 28 Abs 3 SMG [zu H.] anstrebende) Subsumtionsrüge (Z 10), die hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der kriminellen Vereinigung nicht methodengerecht aus dem Gesetz ableitet (vgl aber RIS-Justiz RS0116565), weshalb über die Feststellungen (US 19 f, 26 f, 31 f) zu der (nicht vorausgesetzten [RIS‑Justiz RS0087910 {T5}]) hierarchischen Organisation, den festgelegten Aufgaben der einzelnen, arbeitsteilig agierenden Mitglieder, der auf den mehrmonatigen Schmuggel von (erkennbar gemeint in die Grenzmenge [§ 28b SMG] übersteigenden Mengen [vgl 14 Os 14/22y] THCA- und Delta‑9‑THC-hältiger) Cannabisblüten über mehrere Staaten und deren gewinnbringenden Verkauf in Österreich gerichteten Zielsetzung sowie dem Vorsatz der Mitglieder, im Rahmen dieser „kriminellen Vereinigung“ Straftaten zu begehen, hinaus Konstatierungen zur „Unterwerfung“ der einzelnen Mitglieder unter den „Willen der Gemeinschaft“ notwendig gewesen wären (vgl 13 Os 47/21t; ähnlich 14 Os 22/22z, 23/22x; vgl zum ins Treffen geführten Rechtssatz RIS‑Justiz RS0087910 den zu 11 Os 44/00, 45/00 [T3] und 11 Os 119/11a [T5] wiedergegebenen, mit den gegenständlichen Feststellungen vergleichbaren Urteilssachverhalt).

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuraturbereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[8] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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