OGH 5Ob125/22a

OGH5Ob125/22a7.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. Ing. F*, 2. DI (FH) M*, und 3. D*, alle vertreten durch Mag. Claudia Vitek, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin I* GmbH, *, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, sowie die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft *, wegen § 52 Abs 1 Z 6 WEG, über die Revisionsrekurse der Antragsteller und der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. März 2022, GZ 40 R 206/21x‑62, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 15. Juni 2021, GZ 45 MSch 2/18g‑58, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00125.22A.1207.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

 

Spruch:

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Die auf die Revisionsrekursbeantwortungen entfallenden Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

 

Begründung:

[1] Die Antragsteller sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft, die im hier maßgeblichen Zeitraum von der Antragsgegnerin verwaltet wurde.

[2] Die Antragsteller begehrten die Überprüfung der Abrechnungen für die Jahre 2011 bis 2016.

[3] Das Erstgericht trug der Antragsgegnerin unter Androhung einer Geldstrafe von 1.000 EUR auf, den Antragstellern ordentliche und richtige Abrechnungen für den Zeitraum 1. 1. 2014 bis 31. 12. 2016 zu übermitteln. In diesem Punkt blieb seine Entscheidung unbekämpft. Die darüber hinausgehenden Sachanträge wies es ab.

[4] Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Antragsteller teilweise Folge, trug der Antragsgegnerin unter Androhung einer Geldstrafe von 2.000 EUR auf, eine ordentliche und richtige Betriebskosten‑ und Rücklagenabrechnungen für die Jahre 2014 bis 2016 zu legen, indem in der Betriebskostenabrechnung 2014 die unter „Strom Stiegenlicht“ verrechnete Position vom 26. 3. 2014 mit der Bezeichnung „14.1.2013–26.3.2014 [...]“ über 2.153,07 EUR zu entfallen habe, in sämtlichen Abrechnungen auf der Einnahmenseite die Sollvorschreibungenan die Miteigentümer (nach den monatlichen Gesamtsummen) angeführt werden und in jeder Abrechnung aufgelistet werde, welche Miteigentümer sich gegebenenfalls mit welchem Betrag in Rückstand befänden. Die übrigen Anträge wies es ebenfalls ab. Den Revisionsrekurs erklärte es für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof – soweit überblickbar – „bislang noch nicht gesichert zur Frage Stellung genommen hat, wie dem Verwalter vorwerfbare Unrichtigkeiten der Abrechnung zu behandeln sind, wenn sie in Folgejahren transparent und nachvollziehbar korrigiert werden“.

[5] Gegen diese Entscheidung richten sich die jeweils von der Gegenseite beantworteten Rechtsmittel der Antragsteller und der Antragsgegnerin, die entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 71 Abs 1 AußStrG), nicht zulässig sind.

I. Allgemein:

Rechtliche Beurteilung

[6] 1.1 Nach § 20 Abs 3 WEG hat der Verwalter den Wohnungseigentümern nach den Regelungen des § 34 eine ordentliche und richtige Abrechnung zu legen.

[7] 1.2 In einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 iVm §§ 20 Abs 3, 34 Abs 3 WEG ist zu prüfen, ob die gerügte Ausgabeposition der Abrechnung durch Vereinbarung oder Gesetz gedeckt und daher als Aufwendung für die Liegenschaft iSd § 32 WEG zu qualifizieren ist (5 Ob 228/17s mwN; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 34 WEG Rz 20). Als Vorfrage ist auch die materielle Richtigkeit und Berechtigung von in die Abrechnung aufgenommenen Forderungen in einem solchen Verfahren zu prüfen (RIS‑Justiz RS0119057). Es genügt nicht, sich mit der Kontrolle der Vollständigkeit und Richtigkeit der Zahlen und Belege zu begnügen, sondern es ist bei jeder in Frage gestellten Ausgabe oder Einnahme auch zu prüfen, ob sie pflichtgemäß getätigt wurde, also dem durch Gesetz und Vereinbarung definierten Auftrag einer ordentlichen Verwaltung entspricht (RS0119057 [T3]; RS0117889 [T4]). Ergebnis der Abrechnung muss das tatsächlich Geschuldete sein (RS0117889; RS0119057).

[8] 1.3 Ob eine Betriebskosten‑Abrechnung den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen entspricht, ist regelmäßig nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl 5 Ob 192/17x). Fragen von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG stellen sich daher in diesem Zusammenhang im Allgemeinen nicht. Vielmehr schließt die Kasuistik des Einzelfalls in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus (RS0042405 [T2]).

II. Zum Revisionsrekurs der Antragsgegner:

[9] 1. Die Antragsgegnerin spricht in ihrem Rechtsmittel die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage nicht an.

[10] 2. Der Fachsenat hat bereits klargestellt, dass jeder einzelne Wohnungseigentümer ein Anrecht darauf hat zu erfahren, wie hoch die Erträgnisse der Liegenschaft sind und in welchem Umfang jedes Gemeinschaftsmitglied zu den Aufwendungen der Liegenschaft beiträgt (5 Ob 114/14x). Das erfordert eine Gegenüberstellung der Solleinnahmen (Vorschreibungen) mit den tatsächlichen Zahlungseingängen zumindest in der Form, dass bei jedem einzelnen Mitglied der Gemeinschaft oder jedem einzelnen Wohnungseigentumsobjekt ausgewiesen wird, ob das Konto ausgeglichen ist oder ein Rückstand besteht (so schon 5 Ob 108/93).

[11] 3. Die Antragsgegnerin zieht weder diese Grundsätze noch den Umstand in Zweifel, dass der ihr vom Rekursgericht erteilte Auftrag die Erfüllung dieser Anforderung an eine ordnungsgemäße Abrechnung bezweckt, sie kann damit auch keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen. Ihre Argumentation, sie habe dem ohnedies entsprochen, weil nach den Feststellungen „Jahresfehlbeträge aus der Betriebskosten- und Rücklagenabrechnung [...] den Eigentümern mit einer Sondervorschreibung vorgeschrieben oder eingezogen [wurden]“, geht schon deswegen fehl, weil die Vorschreibung von Fehlbeträgen einzelnen Wohnungseigentümern gegenüber nicht den Anforderungen an die vom Verwalter geschuldete ordentliche und richtige Abrechnung entspricht.

[12] 4. Unrichtig ist eine Abrechnung etwa dann, wenn Auslagen einbezogen sind, die nicht die Gemeinschaft, sondern einzelne Miteigentümer treffen (5 Ob 37/03g; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 34 WEG Rz 7). Hier steht fest, dass die in der Jahresabrechnung 2014 enthaltene Rechnungsposition „Strom Stiegenlicht“ vom 26. 3. 2014 über 2.153,07 EUR die Energiekosten für das Magazin eines Miteigentümers betrifft, sodass diese Forderung auch nicht auf einem Vertrag der Eigentümergemeinschaft mit dem Energielieferanten beruht. Dadurch unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von der Entscheidung zu 5 Ob 274/08t, auf die sich die Antragsgegnerin beruft und der eine durch gefälschte oder unrichtige Belege nachgewiesene Forderung an die Eigentümergemeinschaft zugrunde lag. Eine im Einzelfall allenfalls aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Gericht zweiter Instanz kann die Antragsgegnerin mit ihrer Argumentation daher nicht aufzeigen.

III. Zum Revisionsrekurs der Antragsteller:

[13] 1. Die Kapitaltilgung und der Aufwand für die Zinsenlast sowie die aushaftende Restschuld sind in die Abrechnung aufzunehmen (Schatzl/Spruzina in Böhm/Plätzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht II § 34 WEG Rz 18). Beträge zur Darlehenstilgung sind nach Kapital und Zinsen ziffernmäßig auszuweisen; die zum Stichtag aushaftende Darlehensschuld ist anzugeben (EMHausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 34 WEG Rz 13 mwN). Die Anforderungen aneine ordentliche und richtige Abrechnung gelten daher insoweit auch für die Abrechnung von Darlehen (vgl 5 Ob 1068/95; 5 Ob 114/14x [jeweils zur Abrechnung geförderter Darlehen]; Prader, WEG6.02 § 34 E 40).

[14] Hier steht fest, dass das von der Antragsgegnerin namens der Eigentümergemeinschaft im Jahr 2011 aufgenommene Darlehen zunächst einem falschen (nicht der Eigentümergemeinschaft zuzurechnenden) Konto zugezählt wurde, von dem dann noch im selben Jahr Beträge zur Begleichung von Kosten für Erhaltungsarbeiten und für Forderungen der Vorverwaltung verwendet wurden. Über dieses Konto wurde zunächst auch die Kreditrückführung abgewickelt. Eine (Nach‑)Erfassung sowohl der Kreditzuzählung, der darauf entfallenden Tilgung und der mit der Kreditsumme getätigten Zahlungen erfolgte in den Rücklagenabrechnungen für die Jahre 2015 und 2016, nachdem die Antragsgegnerin ihren Irrtum bemerkt hatte. Nach Ansicht der Antragsteller entspricht eine solche Vorgangsweise nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße und richtige Abrechnung; der Verwalter habe vielmehr die betreffenden Abrechnungen neu aufzurollen und eine formal richtige Zuordnung der Geldflüsse vorzunehmen.

[15] 2. Der Umstand, dass der Kreditbetrag auf das von ihr zur Verwaltung einzelner Objekte, die sie über gesonderten Auftrag einzelner Wohnungseigentümer vorgenommen hat, geführte Anderkonto überwiesen und davon Transaktionen vorgenommen und Tilgungsraten abgebucht wurden, ist zweifellos auf einen Irrtum der Antragsgegnerin zurückzuführen. Das hatte zunächst zur Folge, dass weder die Ausgaben für Erhaltungsarbeiten, die mit einem Teil der Kreditsumme beglichen worden sind, noch der Aufwand für die Zinsenlast oder die aushaftende Restschuld in die Abrechnungen der Jahre 2011 bis 2014 Eingang gefunden haben.

[16] 2.1 § 34 Abs 1 WEG trifft als ausführendes Spezialrecht zu §§ 1012, 830, 837 ABGB (RS0019408) eine sowohl hinsichtlich der Verjährungsfrist als auch der Fälligkeit von den Grundsätzen des allgemeinen Zivilrechts abweichende Regelung. Der Anspruch der Wohnungseigentümer auf Rechnungslegung verjährt in drei Jahren ab dem Ende der Abrechnungsfrist. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt mit der Fälligkeit der Abrechnung, also sechs Monate nach Ablauf der Abrechnungsperiode (5 Ob 133/18x; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht²³ § 34 WEG Rz 3).

[17] 2.2 Bereits das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Anspruch der Antragsteller auf Rechnungslegung für die Jahre 2011 bis 2013 verjährt ist. Dagegen wenden sich die Antragsteller auch nicht. Dem von den Antragstellern geforderten Aufrollen der Abrechnungen, um die Darlehensschuld sowie die Zinsenlast (und daraus resultierend die jeweilige Restschuld) sowie die damit beglichenen Aufwendungen ab Zuzählung der Kreditvaluta vollständig und formal richtig für die Jahre danach zu erfassen, in denen sie tatsächlich angefallen sind, steht damit die Verjährung ihres Anspruchs auf Legung einer Abrechnung für die Jahre 2011 bis 2013 entgegen.Selbst wenn man ihre Revisionsrekurserklärung einschränkend so verstehen wollte, dass lediglich die Abrechnungen für die Jahre 2014 bis 2016 zu korrigieren seien, bliebe als Ergebnis immer nur die Erfassung von einzelnen Positionen in Abrechnungen über Perioden, in denen sie nicht angefallen sind. Das ist aber nach den Feststellungen ohnedies geschehen, wobei die Antragsteller die Ansicht des Rekursgerichts, dass die Antragsgegnerin dabei transparent und nachvollziehbar vorgegangen ist, auch nicht in Zweifel ziehen.

[18] 2.3 Indem sie auf eine Korrektur der Abrechnungen für die Jahre 2014 bis 2016 abstellen, gehen letztlich auch die Antragsteller davon aus, dass die von der Verwalterin in Vertretung der Eigentümergemeinschaft bis zur Umbuchung der Kreditschuld (sowie der mit der Darlehnsvaluta beglichenen Aufwendungen) und deren Verbuchung auf das Konto der Eigentümergemeinschaft sowie der Darstellung dieser Vorgänge in den Abrechnungen der Rücklagen für die Jahre 2015 und 2016 insoweit tatsächlich gegebene Unvollständigkeit der Abrechnungen der Jahre bis 2013 auch nicht rückgängig gemacht werden kann. Soweit sie auf eine Berücksichtigung der „Abwicklung des Kredits und der damit zusammenhängenden Aufwendungen etc“ in den Rücklagenabrechnungen der Jahre 2014 bis 2016 (statt in den Abrechnungen über die Jahre 2015 und 2016) abzielen, anerkennen sie im Ergebnis, dass der der Antragsgegnerin tatsächlich unterlaufene Irrtum durch die Aufnahme der entsprechenden Positionen in die Abrechnung der Rücklagen für spätere Perioden berichtigt werden kann. Insoweit bezweifeln sie in ihrem Revisionsrekurs die Richtigkeit der Lösung dieser Frage durch das Rekursgericht auch gar nicht. Der Oberste Gerichtshof ist aber nicht dazu berufen, theoretisch zu einer Rechtsfrage Stellung zu nehmen, deren Lösung durch die zweite Instanz vom Rechtsmittelwerber gar nicht bestritten wird (RS0102059 [T8, T18]).

[19] 2.4 Bei der Abrechnung nach § 34 WEG handelt es sich nach der Rechtsprechung (5 Ob 123/14w mwN) um die Darstellung der tatsächlichen Zahlungsflüsse in der betreffenden Abrechnungsperiode (im Kalenderjahr). Nach den Feststellungen hat die Antragsgegnerin, nachdem ihr der Irrtum aufgefallen war, die Kreditzuzählung, die darauf entfallende Tilgung und die mit der Kreditsumme getätigten Zahlungen in den Rücklagenabrechnungen für die Jahre 2015 und 2016 nacherfasst. Dem lag nach den Feststellungen eine entsprechende Verbuchung am Konto der Eigentümergemeinschaft zugrunde, über das zuvor weder die Gutschrift (Kreditzuzählung), noch die Ausgaben geflossen sind, sodass letztlich ein Guthaben von 8.803,12 EUR am Rücklagenkonto verblieb. Damit liegen aber Zahlungsflüssen vergleichbare Buchungsvorgänge vor, wobei Anhaltspunkte dafür fehlen, dass diese nicht in den von diesen Abrechnungen erfassten Perioden (und nicht so, wie sie darin von der Antragsgegnerin ausgewiesen wurden) erfolgt wären. Die Antragsteller stellen auch nicht in Frage, dass die Antragsgegnerin berechtigt war, den Kredit im Jahr 2011 namens der Eigentümergemeinschaft aufzunehmen, und die mit der Kreditvaluta beglichenen Ausgaben solche der Verwaltung waren. Ausgehend davon ist es aber nicht zu beanstanden, wenn das Rekursgericht insoweit eine Korrekturbedürftigkeit der Rücklagenabrechnungen für die Jahre 2014 bis 2016 nicht zu erkennen vermochte.

[20] 3. Eine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Rechtsfrage stellt sich damit auch im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel der Antragsteller nicht; vielmehr hält sich die Entscheidung des Rekursgerichts im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Ihr Revisionsrekurs ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

IV. Kostenentscheidung:

[21] Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Sowohl die Antragsteller als auch die Antragsgegnerin wiesen darauf hin, dass das Rechtsmittel der Gegenseite jeweils nicht zulässig ist. Damit entspricht es der Billigkeit, dass die Parteien die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung der jeweiligen Gegenseite ersetzen. Das führt im Ergebnis zur Kostenaufhebung.

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