OGH 2Nc52/22b

OGH2Nc52/22b5.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei R*, vertreten durch Grama Schwaighofer Vondrak Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Ö*, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Widerruf einer Bankgarantie (Streitwert 1.050.400 EUR), über die Befangenheitsanzeige des * im Verfahren zu AZ * den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020NC00052.22B.1205.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Es besteht ein zureichender Grund, die Unbefangenheit des * in der zu * anhängigen Rechtssache in Zweifel zu ziehen.

 

Begründung:

[1] Das im Spruch genannte Verfahren ist im *. Senat des Obersten Gerichtshofs angefallen, dessen Mitglied * ist. Er zeigt den objektiven Anschein seiner Befangenheit an. Verfahrensgegenständlich sei die Frage, ob die Beklagte eine Bankgarantie zu Recht gezogen habe oder nicht. Die Stellung dieser Bankgarantie sei im Zusammenhang mit dem von der Klägerin (ursprünglich) angestrebten Ankauf von Baugrundstücken in einem Wiener Stadtentwicklungsgebiet erfolgt. Die Beklagte als Eigentümerin der Baugrundstücke werde in allen Angelegenheiten der Liegenschaftsentwicklung von der Ö* GmbH vertreten. Die Lebensgefährtin des Anzeigers sei als Projektleiterin bei dieser GmbH für das betroffene Stadtentwicklungsgebiet zuständig.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die Befangenheitsanzeige ist begründet:

[3] 1. Nach § 19 Z 2 JN kann ein Richter abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Nach § 22 Abs 2 GOG haben Richter Gründe anzuzeigen, die ihre Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen geeignet sind; darüber ist nach § 22 Abs 3 GOG auch ohne Ablehnung durch eine Partei im Verfahren nach den §§ 23 bis 25 JN zu entscheiden.

[4] 2. Ein zureichender Grund, die Unbefangenheit eines Richters iSv § 19 Z 2 JN in Zweifel zu ziehen, liegt nach ständiger Rechtsprechung schon dann vor, wenn bei objektiver Betrachtungsweise der äußere Anschein der Voreingenommenheit – also der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche Motive (RS0045975) – entstehen könnte (RS0046052 [T2, T10]; RS0045949 [T2, T6]), dies auch dann, wenn der Richter tatsächlich (subjektiv) unbefangen sein sollte (RS0045949 [T5]). Dabei ist zur Wahrung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzuwenden (vgl RS0045949).

[5] 3. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der objektive Anschein der Befangenheit gegeben, weil ein Verfahrensbeteiligter den Eindruck gewinnen könnte, die Willensbildung des * könnte durch seine Lebensgemeinschaft mit der Projektleiterin, in deren Zuständigkeitsbereich die den Hintergrund des Verfahrens bildende (geplante) Liegenschaftstransaktion fiel, beeinflusst werden.

[6] 4. Aus diesem Grund ist iSd § 19 Z 2 JN auszusprechen, dass ein zureichender Grund vorliegt, die Unbefangenheit des * in Zweifel zu ziehen. Das schließt seine Mitwirkung an der Entscheidung in der im Spruch genannten Rechtssache aus.

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