OGH 8ObA70/22k

OGH8ObA70/22k21.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Andreas Grad (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Alexander Hanika (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch Dr. Guido Bach, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V* GmbH, *, vertreten durch die Schmidtmayr Sorgo Wanke Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 11.745,96 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 11.695,15 EUR brutto sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. Juli 2022, GZ 10 Ra 5/22m‑38, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00070.22K.1121.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Vom Grundsatz, wonach aus Gründen des Verkehrsschutzes die Gültigkeit des vom Vertreter mit einem Dritten abgeschlossenen Geschäfts grundsätzlich nicht berührt wird, wird dann eine Ausnahme gemacht, wenn der Dritte nicht schutzwürdig ist (RS0019576). Dies wird dann angenommen, wenn der Vertreter und der Dritte kollusiv, also absichtlich zusammengewirkt haben, um den Vertretenen zu schädigen; dem ist gleichzuhalten, dass der Vertreter mit Wissen des Dritten bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelte oder sich der Missbrauch dem Dritten geradezu aufdrängen musste (RS0061587 [insb T1, T4]). Ob ein solcher Sachverhalt vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls.

[2] 2. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass der Kläger als Geschäftsführer der Beklagten und der Obmann der Gesellschafterin der Beklagten zum Nachteil der Beklagten kollusiv zusammengewirkt haben, indem sie ungewöhnliche, für den Kläger günstige Änderungen seines Dienstvertrages vereinbart haben. Diese Rechtsauffassung hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.

[3] 3. Soweit die Revision Feststellungen zum Zweck der getroffenen Vereinbarung vermisst, nämlich „den Sanierungserfolg abzusichern“, übergeht sie, dass der Zweck ausdrücklich festgestellt wurde, nämlich die Absicherung des Klägers. Wurden aber zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können diesbezüglich keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RS0053317 [T1]).

[4] Nicht richtig ist auch, wenn die Revision meint, dass die getroffene Vereinbarung für die Beklagte nicht nachteilig ist. Auch wenn der vorliegende Fall in den Konsequenzen mit denen in der von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung 9 ObA 68/14m nicht unmittelbar vergleichbar ist, wurde durch den vereinbarten Kündigungsverzicht in einer Umbruchphase der Gesellschaft der Beklagten die Möglichkeit zur Disposition über das Arbeitsverhältnis genommen und das zu einem Zeitpunkt, in dem aufgrund des unmittelbar bevorstehenden Endes der Geschäftsführertätigkeit des Klägers auch die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bereits absehbar war. Dazu kommt, dass die Vereinbarung verheimlicht wurde, sodass die Beklagte in Unkenntnis des Kündigungsverzichts diesen nicht bei ihrer Planung berücksichtigen konnte.

[5] 4. Auch die Auffassung der Vorinstanzen, dass die vereinbarte Prämie, die zusätzlich nicht auf das Ergebnis des Geschäftsjahres, sondern nur auf die saisonbedingt umsatzstarke erste Jahreshälfte abstellt, in der wirtschaftlich schlechten Lage der Beklagten zu einer relevanten Schädigung der Beklagten führt, ist nicht korrekturbedürftig.

[6] 5. Ob der Obmann der Gesellschafterin im Innenverhältnis zum Abschluss einer solchen Vereinbarung prinzipiell berechtigt gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben, da, wie das Berufungsgericht vertretbar ausgeführt hat, kurz zuvor ein – auch dem Kläger bekannter – Beschluss des die Geschäfte der Gesellschafterin führenden Vorstands gefasst worden war, mit dem diese Vorgangsweise in Widerspruch stand. Im Übrigen fehlte aber auch die nach den Vereinsstatuten vorgesehene zweite Unterschrift.

[7] 6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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