OGH 12Os95/22w

OGH12Os95/22w7.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. November 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in der Strafsache gegen * S* und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten S* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. April 2022, GZ 9 Hv 11/20v‑57, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00095.22W.1107.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Unterstellung der zu Punkt 2.a) des Schuldspruchs des Angeklagten * S* genannten Tat auch unter § 131 erster Fall StGB und demgemäß im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner gegen die Unterstellung der zu Punkt 2.a) genannten Tat unter § 131 erster Fall StGB gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde sowie seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung wird der Angeklagte S* auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten S* fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Relevanz – der Angeklagte * S* des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB (2.a) schuldig erkannt.

[2] Danach hat eram 17. September 2019 in G* mit dem Vorsatz, sich (erkennbar gemeint) durch Zueignung nachfolgend genannter fremder beweglicher Sachen unrechtmäßig zu bereichern (US 6), zur Ausführung der strafbaren Handlung der Mitangeklagten, die Gewahrsamsträgern des Unternehmens Sa* sechs Paar „EarPods“ wegnahm, dadurch beigetragen, dass er vereinbarungsgemäß vor dem Tatort mit einem Fahrzeug auf sie wartete und sie samt Beute vom Tatort wegbrachte (US 5), wobei er bei ihrer Betretung auf frischer Tat Gewalt gegen eine Person anwendete, „um sich oder einem Dritten die weggenommene Sache zu erhalten“, indem er mit dem Fahrzeug losfuhr, wodurch der sie verfolgende Ladendetektiv * F* gezwungen war, die Fahrbahn durch einen Sprung freizumachen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Inhaltlich allein gegen die Subsumtion der zu 2.a) genannten Tat auch nach § 131 erster Fall StGB richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem Schuldspruch zu Punkt 2.a) – wie von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigt – nicht geltend gemachte, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO). Denn die Qualifikation nach § 131 StGB (RIS‑Justiz RS0093828 [T3]; Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 131 Rz 1; Salimi, SbgK § 131 Rz 2; Stricker in WK² StGB § 131 Rz 9) erfordert auf der subjektiven Tatseite in Bezug auf den Erhalt der Sache absichtliches Handeln des Täters (RIS‑Justiz RS0093667). Da es der Angeklagte (bloß) ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, sich und der Mitangeklagten die „Diebesbeute“ zu erhalten (US 6), ist dem Erstgericht aufgrund der dennoch vorgenommenen Subsumtion nach § 131 StGB ein Rechtsfehler unterlaufen.

[4] Eine Entscheidung in der Sache selbst (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO) konnte nicht ergehen, weil sich für eine rechtliche Unterstellung der Tat unter § 105 Abs 1 StGB (vgl zum Verhältnis von § 131 StGB zu § 105 StGB Stricker in WK² StGB § 131 Rz 62)in den Entscheidungsgründen keine (von einem unzweideutig feststehenden Willen der Tatrichter getragenen [vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19; RIS‑Justiz RS0133376]) Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich des abgenötigten Sprungs zur Seite finden.

[5] Dies erforderte die Aufhebung des Urteils in der Unterstellung der zu Punkt 2.a) genannten Tat unter § 131 erster Fall StGB und demgemäß auch im Strafausspruch wie aus dem Spruch ersichtlich bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[6] Mit seiner darauf bezogenen Nichtigkeitsbeschwerde und seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung war der Angeklagte S* auf diese Entscheidung zu verweisen.

[7] Soweit die Beschwerde das Urteil uneingeschränkt bekämpft, inhaltlich aber zu Punkt 2.b) des Schuldspruchs und zur rechtlichen Unterstellung der zu 2.a) genannten Tat unter § 127 StGB nicht argumentiert, war auf sie keine Rücksicht zu nehmen, weil auch bei ihrer Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet wurden (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

[8] In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S* – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[9] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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