European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00176.22A.1102.000
Spruch:
Der Akt wird an das Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
[1] Die Streitteile sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Wohnhausanlage. Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, seine – näher bezeichnete – Wohnung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken zu nutzen, durch Dritte nutzen zu lassen und auf Dritte dahingehend einzuwirken, dass diese die Wohnung nicht zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken nutzen. Sie bewertete dieses Unterlassungsbegehren mit 5.500 EUR.
[2] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Eine formelle Bewertung des Entscheidungsgegenstands findet sich im Spruch des Urteils nicht. In der Begründung führte das Berufungsgericht aus, keinen Grund zu sehen, von der unbeanstandeten Bewertung des Streitgegenstands in erster Instanz für den Bewertungsausspruch nach § 500 Abs 2 ZPO abzugehen.
[4] Die ordentliche Revision ließ es mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
[5] Das mit „Antrag und außerordentliche Revision“ bezeichnete Rechtsmittel der Klägerin legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor, der darüber– jedenfalls derzeit – nicht entscheiden kann.
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Das Berufungsgericht hat es unterlassen, im Spruch seiner Entscheidung ausdrücklich über den Wert des Entscheidungsgegenstands, der nicht ausschließlich aus einem Geldbetrag besteht, abzusprechen (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO). Aus seinen Entscheidungsgründen ist aber eindeutig ersichtlich, dass es sich bei seinem Bewertungsausspruch an der Bewertung der Klägerin orientieren und daher den Entscheidungsgegenstand mit 5.500 EUR bewertet wissen wollte. Einer Nachholung des unterbliebenen Ausspruchs durch das Berufungsgericht bedarf es daher nicht (RIS‑Justiz RS0041371 [T3]; 9 Ob 5/07m).
[7] 2. Die Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Revision richtet sich daher nach § 502 Abs 3 ZPO, weil der berufungsgerichtliche Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR überstieg und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärte. Unter diesen Voraussetzungen ist auch ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Eine Partei kann in einem solchen Fall nur gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag – verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel – ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln.
[8] 3. Erhebt in solchen Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn es als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird, es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist und der Rechtsmittelwerber im Schriftsatz nicht im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RS0109623). Auch in einem solchen Fall darf der Oberste Gerichtshof hierüber erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig ist.
[9] 4. Das Erstgericht wird daher das Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Ob der Schriftsatz – der einen inhaltlichen Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs, wenn auch verbunden mit einer außerordentlichen Revision – enthält, den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.
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