OGH 14Os112/22k

OGH14Os112/22k25.10.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Oktober 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kornauth in der Strafsache gegen * T* und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 15, 12 zweiter Fall StGB, § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 63 Hv 77/21k des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 11. November 2021 (ON 46) ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Mag. Ramusch LL.M., LL.M., zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00112.22K.1025.000

 

Spruch:

 

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. November 2021, GZ 63 Hv 77/21k‑46, verletzt

I/ im Schuldspruch zu III/ § 27 Abs 3 SMG sowie § 270 Abs 4 Z 1 iVm Abs 2 Z 4 und § 260 Abs 1 Z 1 sowie § 270 Abs 4 Z 2 iVm § 488 Abs 1 StPO, weiters

II/ im Strafausspruch § 39 Abs 1 StGB und § 270 Abs 4 Z 2 StPO iVm § 488 Abs 1 StPO.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch zu III/, demgemäß auch im T* betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen (gemäß § 270 Abs 4 iVm § 488 Abs 1 StPO) gekürzt ausgefertigtem Urteil wurde – soweit hier relevant – * T* unter anderem mehrerer Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (I/1/ und II/) und „eines Vergehens“ des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 15, 12 zweiter Fall StGB, § 27 Abs 1 achter Fall, Abs 3 SMG (III/) schuldig erkannt und nach § 27 Abs 3 SMG unter Anwendung des § 39 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

[2] Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) hat er in W*

I/1/ am 17. April 2021 * B* mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich dem Verkauf von Suchtgift, zu nötigen versucht, indem er ihm zwei Faustschläge gegen den Kopf versetzte und durch im Urteil näher bezeichnete Äußerungen zumindest eine Verletzung am Körper ankündigte, wenn er nicht für ihn arbeiten und Suchtgift verkaufen werde, wobei er zur Bekräftigung eine Machete hervorholte und auf seinen Arm schlug;

II/ am 26. April 2021 B* durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich dem Verkauf von Suchtgift, zu nötigen versucht, indem er ihm eine im Urteil näher bezeichnete Sprachnachricht schickte, in welcher er ihm eine Verletzung am Körper ankündigte, wenn er nicht für ihn arbeite;

III/ durch die zu I/1/ und II/ genannten Handlungen versucht, „B* zum vorschriftswidrigen gewerbsmäßigen (§ 70 StGB) Überlassen von Suchtgift“, nämlich THCA und Delta‑9‑THC enthaltendem Cannabiskraut, zu bestimmen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dieses Urteil steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt – mit dem Gesetz mehrfach nicht im Einklang:

[4] Nach § 270 Abs 4 StPO (der gemäß § 488 Abs 1 erster Satz StPO auch im Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter Anwendung findet) hat eine gekürzte Urteilsausfertigung die in § 270 Abs 2 StPO genannten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe (Z 1) sowie im Fall einer Verurteilung unter anderem die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung (Z 2) zu enthalten. Es muss daher aus einer gekürzten Urteilsausfertigung insgesamt – also unter Einbeziehung des Referats der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) – hervorgehen, welcher Tat der Angeklagte für schuldig befunden wurde, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände, worunter nichts anderes zu verstehen ist als die für die Subsumtion entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0125764; Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 60).

[5] Die Qualifikation des § 27 Abs 3 SMG ist gegeben, wenn der Täter eine Straftat nach Abs 1 dieser Bestimmung gewerbsmäßig begeht. Das angefochtene Urteil enthält indes in den – grundsätzlich angeführten (ON 46 S 5) – als erwiesen angenommenen Tatsachen (§ 270 Abs 4 Z 2 StPO) keine Aussage zu diesem Tatbestandsmerkmal, also weder zum Vorliegen der objektiven Voraussetzungen des § 70 Abs 1 StGB noch zu einer Absicht des T*, sich selbst (vgl RIS‑Justiz RS0092444) durch die wiederkehrende Begehung der angelasteten Taten längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen. Dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor wiederum, das sich in der Anführung des Gesetzesbegriffs – „gewerbsmäßig (§ 70 StGB)“ – im Zusammenhang mit dem nicht erfolgreich zum Überlassen von Suchtgift verleiteten B* erschöpft, ist nicht (mit der gebotenen Klarheit) zu entnehmen, dass dieses subjektive Tatbestandsmerkmal (näher dazu Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 19) in Bezug auf T* erfüllt sei (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO).

[6] Das angefochtene Urteil verletzt daher § 27 Abs 3 SMG sowie § 270 Abs 4 Z 1 iVm Abs 2 Z 4 und § 260 Abs 1 Z 1 und § 270 Abs 4 Z 2 iVm § 488 Abs 1 StPO.

[7] Die gekürzte Urteilsausfertigung hat weiters die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in Schlagworten zu enthalten (§ 270 Abs 4 Z 2 StPO). Darunter ist auch die erforderliche Sachverhaltsgrundlage zur Beurteilung des – hier angenommenen – Vorliegens der Voraussetzungen der Strafschärfung nach § 39 Abs 1 StGB zu verstehen (13 Os 49/21m, 50/21h; vgl 12 Os 97/20m; RIS‑Justiz RS0134000; [zu § 39 StGB idF vor BGBl I 2019/105] RIS‑Justiz RS0111831 [T2]).

[8] Da das angefochtene Urteil zwar Ausführungen zu Strafbemessungsgründen enthält, dabei jedoch lediglich auf „einschlägige Vorstrafen“ sowie darauf verweist, dass „T* bereits wegen Nötigungen unter Verwendung einer Machete verurteilt wurde“, ohne (sonstige) für die genannte Strafschärfung maßgebliche Umstände anzuführen (ON 46 S 5), verletzt es § 39 Abs 1 StGB und § 270 Abs 4 Z 2 iVm § 488 Abs 1 StPO.

[9] Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, die Feststellung dieser Gesetzesverletzungen gemäß § 292 letzter Satz StPO auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen, weil eine nachteilige Wirkung für den Verurteilten T* nicht auszuschließen ist.

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