European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00107.22A.1024.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
[1] Am 12. 8. 2019 unterfertigte der gemeinsam mit der Kindesmutter obsorgeberechtigte Kindesvater beim Kinder- und Jugendhilfeträger eine Vereinbarung über die Unterstützung der Erziehung, woraufhin etwa halbjährliche „Hilfeplangespräche“ beim Kinder- und Jugendhilfeträger stattfanden. Der Termin im März 2022 wurde vom Kindesvater mit der Begründung abgelehnt, dass er das Vertrauen in die zuständigen Sachbearbeiter verloren habe.
[2] Der Kinder- und Jugendhilfeträger stellte daraufhin den Antrag, dem Kindesvater aufzutragen, einen persönlichen Gesprächstermin wahrzunehmen, und ihm für den Fall des Zuwiderhandelns eine Ordnungsstrafe von 500 EUR sowie die zwangsweise Vorführung anzudrohen.
[3] Die Vorinstanzen haben diesen Antrag mit der Begründung abgewiesen, dass keine Gefährdung des Kindeswohls vorliege.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.
[5] 1. Nach § 40 Abs 4 Oö KJHG sind die Eltern verpflichtet, eine „Gefährdungsabklärung“ durch den Kinder- und Jugendhilfeträger zu ermöglichen, indem sie die erforderlichen Auskünfte erteilen, notwendige Dokumente und Daten vorlegen sowie die Kontaktaufnahme mit den Kindern und Jugendlichen und die Besichtigung von Räumlichkeiten zulassen, damit sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksverwaltungsbehörde vom Wohl der betroffenen Kinder und Jugendlichen überzeugen können.
[6] 2. Verfügungen des Pflegschaftsgerichts nach § 181 Abs 1 ABGB setzen eine Gefährdung des Kindeswohls voraus (RIS‑Justiz RS0127207). Der Oberste Gerichtshof hat deshalb bereits zu 5 Ob 17/17m und 1 Ob 179/17f ausgesprochen, dass die Verletzung von Mitwirkungspflichten gegenüber dem Kinder- und Jugendhilfeträger kein Tätigwerden des Pflegschaftsgerichts rechtfertigen kann, wenn keine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt. Dass es im vorliegenden Fall zu einer Gefährdung des Kindeswohls gekommen wäre, wird auch vom Kinder- und Jugendhilfeträger nicht behauptet.
[7] 3. Eine analoge Anwendung des § 106a Abs 2 AußStrG, wonach das Gericht gegen Personen, die ihre Pflicht zur Mitwirkung an Erhebungen der Familiengerichtshilfe verletzen, Zwangsmittel anordnen kann, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Familiengerichtshilfe nach § 106a Abs 1 AußStrG das Gericht bei der Sammlung der Entscheidungsgrundlagen unterstützt. Die Tätigkeit der Familiengerichtshilfe erfolgt deshalb im Rahmen der pflegschaftsgerichtlichen Verfahren (7 Ob 129/15v). Demgegenüber obliegt die Gefährdungsabklärung nach § 40 Abs 1 Oö KJHG unmissverständlich dem Kinder- und Jugendhilfeträger, sodass es – worauf der Oberste Gerichtshof bereits hingewiesen hat – für eine Auslagerung dieses Verfahrens an das Pflegschaftsgericht an jeder Rechtsgrundlage fehlt (5 Ob 17/17m;1 Ob 179/17f).
[8] 4. Auf § 107 Abs 3 AußStrG kann sich der Kinder- und Jugendhilfeträger schon deshalb nicht berufen, weil solche Maßnahmen nach ständiger Rechtsprechung nur im Zusammenhang mit einem Obsorge- oder Kontaktrechtsverfahren angeordnet werden dürfen (RS0131142).
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