European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00073.22A.1024.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin war seit 1999 in der Wäscherei der Beklagten beschäftigt. In der Folge eines Schlaganfalls wurde sie seit April 2019 nur mehr für leichte Arbeiten eingesetzt. Aufgrund von Kniebeschwerden wurde die Klägerin von 13. 12. 2019 bis 7. 2. 2020 krankgeschrieben. Wenige Zeit später erlitt sie einen Meniskusriss, sodass sie ab 24. 2. 2020 neuerlich arbeitsunfähig war. Die für den 1. 4. 2020 geplante Operation wurde wegen der damaligen COVID‑19-Pandemie und trotz der andauernden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin erst am 1. 9. 2020 durchgeführt. Die Beklagte kündigte daraufhin am 7. 9. 2020 das Dienstverhältnis zum 28. 2. 2021. Damals war nicht vorhersehbar, dass die Operation so erfolgreich war, dass die Klägerin ihre Tätigkeit für die Beklagte schon am 11. 10. 2020 wieder aufnehmen konnte und auch für die Zukunft keine weitere Beeinträchtigung ihrer Leistungsfähigkeit zu befürchten ist.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die Vorinstanzen haben die Wirksamkeit der Kündigung verneint und festgestellt, dass das Dienstverhältnis der Klägerin fortbestehe. Mit ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
[3] 1. Nach der Rechtsprechung ist der Dienstgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht verhalten, einem Dienstnehmer, der aus gesundheitlichen Gründen in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, auch leichtere Arbeit zuzuweisen (RIS‑Justiz RS0082303). Der Dienstgeber ist aber nicht verpflichtet, seine Arbeitsorganisation umzustrukturieren oder gar nicht existierende Arbeitsplätze neu zu schaffen (RS0082303 [T4, T7]). Dies ist hier aber nicht der Fall, weil der Klägerin bereits seit April 2019 nur mehr leichte Arbeiten zugewiesen wurden. Auch wenn die Beklagte solche Erleichterungen naturgemäß nur einer begrenzten Anzahl von Dienstnehmern gewähren kann, hat sie nicht dargelegt, dass dies im Fall der Klägerin nicht auch weiterhin möglich wäre.
[4] 2. Nach § 42 Abs 2 Z 2 VBO 1995 ist die Beklagte zur Kündigung eines Bediensteten berechtigt, wenn dieser für die Erfüllung seiner Dienstpflichten gesundheitlich ungeeignet ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Krankenstände auftreten, die den Bediensteten laufend in einem weit über dem Durchschnitt liegenden Maß an der Dienstleistung hindern (RS0081880). Dennoch kommt es nicht allein auf die Dauer und Häufigkeit der in der Vergangenheit aufgetretenen Krankenstände an (RS0081880 [T12, T13]). Entscheidend ist vielmehr, ob daraus abgeleitet werden kann, dass derDienstnehmer für die Erfüllung der Dienstpflichten gesundheitlich nicht geeignet ist (RS0081880 [T12, T16]).
[5] 3. Eine ungünstige Zukunftsprognose scheidet im Allgemeinen aus, wenn nicht davon auszugehen ist, dass der gesundheitliche Zustand des Dienstnehmers auch in Zukunft zu überhöhten Krankenständen führen wird (RS0081880 [T14]). Nach der Rechtsprechung ist der Dienstgeber für das Vorliegen des Kündigungsgrundes nicht nur behauptungs‑ und beweispflichtig, sondern trägt auch das Risiko, dass sich seine Prognose hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung später als unrichtig erweist (RS0081880 [T17, T18]). Dementsprechend kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass der endgültige Erfolg der Operation im Zeitpunkt der Kündigung nicht vorhersehbar war.
[6] 4. Ob die Voraussetzungen der Dienstunfähigkeit nach § 42 Abs 2 Z 2 VBO erfüllt sind, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (RS0081880 [T9]). Angesichts der erfolgreichen Operation der Klägerin hält sich die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die den Kündigungsgrund nach § 42 Abs 2 Z 2 VBO 1995 ungeachtet des langen, davor liegenden Krankenstands verneinten, im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung. Die außerordentliche Revision der Beklagten war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
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