OGH 3Ob164/22x

OGH3Ob164/22x29.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* AG, *, vertreten durch Mag. Hubertus Rohracher und andere Rechtsanwälte in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei F* GmbH, *, vertreten durch Kneissl Tuncer Ebermayer Rechtsanwälte GmbH in Kitzbühel, wegen 100.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungs‑ und Rekursgericht vom 17. August 2022, GZ 3 R 32/22p‑39, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00164.22X.0929.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurswird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der als Nichtigkeit gerügte angebliche Eingriff in die (Teil‑)Rechtskraft des vom Erstgericht in sein Urteil aufgenommenen Beschlusses (ua) über die Unzuständigkeitseinrede liegt nicht vor: Das Gericht zweiter Instanz hat die „Berufungs“ausführungen der Beklagten dahin, dass das Erstgericht die Unzuständigkeitseinrede rechtsirrig verworfen habe, völlig zutreffend inhaltlich als Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluss gewertet.

[2] 2. Dass die Vorinstanzen die in der Klagebeantwortung erhobene Unzuständigkeitseinrede trotz fehlenden Beweisanbots inhaltlich behandelten, begründet schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage, weil sich die Beklagte in diesem Zusammenhang (wenn auch ohne förmliches Beweisanbot) ohnehin auf die – sich aus der von der Klägerin selbst vorgelegten Urkunde Beilage ./A ergebende – Gerichtsstandsvereinbarung berufen hat.

[3] 3.1. Nach dem Grundsatz der „Autonomie der Gerichtsstandsvereinbarung“ bildet diese eine vom Hauptvertrag unabhängige Übereinkunft. Demnach kann gegen ihre Gültigkeit nicht eingewendet werden, der Hauptvertrag sei ungültig. Dies gilt aber nur dann, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung ihrerseits wirksam zustande gekommen ist, denn es ist möglich, dass Gerichtsstandsvereinbarung und Hauptvertrag ausnahmsweise an demselben Wirksamkeitsmangel leiden („Fehleridentität“) (RS0132040). Im – hier gegebenen – Anwendungsbereich des LGVÜ ist das Schriftlichkeitsgebot nach Art 17 Abs 1 lit a erster Fall LGVÜ jedenfalls dann nicht im Sinn der „Unterschriftlichkeit“ zu verstehen, wenn in der die Gerichtsstandsvereinbarung enthaltenden einheitlichen Urkunde zwar die Unterschrift jenes Teils fehlt, von dem die Urkunde ausgestellt wurde, dessen Identität aber feststeht, die Urkunde jedoch vom anderen Teil im Sinne der Zustimmung unterfertigt ist (1 Ob 358/99z = RS0113567).

[4] 3.2. Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ist das Rekursgericht nicht abgewichen, indem es die nur vom Geschäftsführer der Klägerin unterfertigte, aus der Sphäre der Beklagten stammende „Bestellung“, in der als Gerichtsstand und Erfüllungsort Kitzbühel festgelegt ist, als wirksame Gerichtsstandsvereinbarung wertete. Ob die AGB der Beklagten wirksam vereinbart wurden, ist in diesem Zusammenhang ebenso wenig von Relevanz wie die Frage, ob der Kaufvertrag zwischen den Streitteilen wirksam zustande gekommen ist.

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