OGH 15Ns53/22w

OGH15Ns53/22w15.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Maßnahmenvollzugssachen des * E* wegen bedingter Entlassung aus einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (§ 21 Abs 2 StGB) über den Antrag des Verurteilten auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers und auf Hemmung des Maßnahmenvollzugs nach Einsichtnahme der Generalprokuratur in die Akten nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150NS00053.22W.0915.000

 

Spruch:

Der Antrag des * E* auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers wird abgewiesen.

Der Antrag des Genannten auf Hemmung des Maßnahmenvollzugs wird abgewiesen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

[1] * E* wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 5. November 2015, rechtskräftig seit 5. April 2016, AZ 12 Hv 130/15h, wegen strafbarer Handlungen nach §§ 297 Abs 1 erster Fall und Abs 1 zweiter Fall; 107 Abs 1 und 2; 15, 105 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren, fünf Monaten und zwei Wochen verurteilt.

[2] Weiters wurde * E* mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 14. September 2016, AZ 12 Hv 130/15h, unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das zuvor zitierte Urteil des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen schuldig gesprochen, wobei von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen wurde.

[3] Zudem wurde * E*, gestützt auf die Schuldsprüche wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB, gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

[4] Die aus diesem Verfahren resultierende (Gesamt‑)Strafzeit war am 2. August 2018 durch Anrechnung des Maßnahmenvollzuges verbüßt (§ 24 Abs 1 StGB). Seitdem stellt die Maßnahme, die seit 25. Jänner 2022 in der Justizanstalt Wien‑Mittersteig vollzogen wird, den alleinigen Grund der Freiheitsentziehung dar.

[5] Mit unmittelbar beim Obersten Gerichtshof eingebrachtem Schriftsatz begehrt der Verurteilte die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers „für alle Rechtsmittel/Schritte, einschließlich EuGH, EGMR […] Art 47 GRC, Art 257 AEUV iVm Art 5, 6 EMRK“, weil seit seinem letzten „Überprüfungstermin“ beim Landesgericht Steyr am 7. Juli 2020 bereits über 24 Monate verstrichen seien und er weder vom Landesgericht für Strafsachen Graz noch vom Landesgericht für Strafsachen Wien eine Reaktion auf seine seither gestellten Entlassungsanträge erhalten habe. Weiters beantragt der Verurteilte die Hemmung des Vollzugs durch den Obersten Gerichtshof.

[6] Für unzulässige und solcherart von vornherein offenkundig aussichtslose Anträge (auf Erneuerung des Strafverfahrens) ist Verfahrenshilfe nicht zu gewähren (RIS‑Justiz RS0127077).

[7] Der Verurteilte bezeichnet von vornherein keine konkrete Entscheidung oder Verfügung eines Strafgerichts, bezüglich welcher – nach horizontaler und vertikaler Erschöpfung des Instanzenzugs (vgl dazu RIS‑Justiz RS0122737) – eine Verletzung der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle (§ 363 Abs 1 StPO im erweiterten Anwendungsbereich) geltend gemacht werden soll.

[8] Andere (Grund‑)Rechte könnten von vornherein nicht zum Gegenstand eines Antrags auf Erneuerung (auch im erweiterten Anwendungsbereich) gemacht werden (RIS‑Justiz RS0132365).

[9] Art 5 MRK tangierende Entscheidungen betreffend die (bedingte) Entlassung aus Freiheitsstrafen oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen wären nicht Gegenstand eines Antrags nach § 363a Abs 1 StPO im erweiterten Anwendungsbereich (RIS‑Justiz RS0123350; 13 Ns 38/12k). Art 6 MRK wiederum findet keine Anwendung auf Verfahren über die bedingte Entlassung (RIS‑Justiz RS0105689 [T5]).

[10] Wegen offenkundiger Aussichtslosigkeit war der Antrag somit abzuweisen.

[11] Schon mangels eines auf die Hemmung des Strafvollzugs zustehenden Antragsrechts im Fall eines Erneuerungsantrags (RIS‑Justiz RS0125705) war auch der diesbezügliche Antrag abzuweisen.

[12] Bleibt zudem anzumerken, dass Unterlagen aus der Verfahrensautomation Justiz zufolge seit dem Jahr 2020 bereits mehrfach (abschlägig) über die Frage einer bedingten Entlassung des Verurteilten entschieden wurde (AZ 4 BE 274/20 des Landesgerichts für Strafsachen Graz und AZ 9 Bs 37/21s des Oberlandesgerichts Graz; AZ 4 BE 53/21f des Landesgerichts für Strafsachen Graz und AZ 1 Bs 86/21p des Oberlandesgerichts Graz; AZ 4 BE 163/21g des Landesgerichts für Strafsachen Graz und AZ 9 Bs 34/22a des Oberlandesgerichts Graz; AZ 183 BE 35/22p des Landesgerichts für Strafsachen Wien und AZ 21 Bs 106/22z des Oberlandesgerichts Wien). Ein weiteres Verfahren (AZ 189 BE 29/22z des Landesgerichts für Strafsachen Wien) ist anhängig, zu welchem dem Verurteilten mit Beschluss vom 26. Juli 2022 ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben wurde.

[13] Eine Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs dafür, die Eingabe – wie beantragt – zudem als „Sachverhaltsdarstellung“ an „alle offenbar nicht unzuständigen einschließlich EuGH Behörden weiterzuleiten“, besteht nicht (§ 34 StPO).

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