OGH 1Ob160/22v

OGH1Ob160/22v14.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L* GmbH, *, vertreten durch Mag. Wolfgang Steiner und Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. A* L*, vertreten durch die Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH & Co KG in Gänserndorf, und dessen Nebenintervenientin P* GmbH, *, vertreten durch die Bischof Zorn + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 172.800 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. Juni 2022, GZ 13 R 4/22m‑59, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00160.22V.0914.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Revisionsrekurswerberin behauptet einen Verfahrensfehler, der darin liegen soll, dass es das Erstgericht unterlassen habe, nach dem Antrag der Klägerin auf Zurückweisung ihrer Nebenintervention mit ihr darüber zu verhandeln. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt schon deshalb nicht vor, weil – anders als in dem der Entscheidung 3 Ob 2022/96s zugrundeliegenden Fall – das Erstgericht nach dem Inhalt des Protokolls der Verhandlung vom 19. 10. 2021 über den Zurückweisungsantrag mit ihr mündlich verhandelte und – anschließend an das Vorbringen der Klägerin, dass dem streitverkündenden Beklagten im Verfahren über die Zulässigkeit der Nebenintervention keine Mitwirkungsbefugnis zukomme – die Zulässigkeit des Beitritts der Nebenintervenientin erörterte. Der Rechtsvertreter der Nebenintervenientin erstattete in diesem Zusammenhang jedoch kein (weiteres) Vorbringen.

[2] 2. Ob das erforderliche rechtliche Interesse am Streitbeitritt besteht, kann nur anhand der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden (RS0035724 [T8]). Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts zeigt die Rechtsmittelwerberin nicht auf:

[3] 2.1. Ein rechtliches Interesse im Sinn des § 17 Abs 1 ZPO hat der Nebenintervenient nach der Rechtsprechung dann, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich‑rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Das rechtliche Interesse muss ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgeht (RS0035724). Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RS0035638). Das rechtliche Interesse muss aber konkret sein; die bloße Möglichkeit, dass die Entscheidung die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berühren könnte, reicht nicht aus (RS0106173 [T1]). Der Nebenintervenient muss auch einen zu befürchtenden Rückgriff plausibel darlegen (RS0035638 [T8]).

[4] 2.2. Nach § 18 Abs 1 ZPO hat der Nebenintervenient das Interesse, das er am Obsiegen einer Prozesspartei hat, bestimmt anzugeben. Die Zulässigkeit der Nebenintervention darf nicht aus anderen als den vom Nebenintervenienten zum Betritt vorgebrachten Tatsachen abgeleitet werden (RS0035678 [T1]). Es ist nicht zulässig, über die Erklärung des Nebenintervenienten hinausgehende Tatsachen und Rechtsüberlegungen der Entscheidung zugrunde zu legen (RS0035678 [T3]).

[5] 2.3. Grundlage der vorzunehmenden Prüfung ist daher allein die beim Beitritt gegebene Begründung des Interventionsinteresses der Nebenintervenientin. Auf einen möglichen Regressanspruch des Beklagten hat sie sich nicht gestützt, sodass auf ein allfälliges darin begründetes Beitrittsinteresse, das nunmehr im Revisionsrekurs behauptet wird, nicht einzugehen ist (vgl 6 Ob 41/21d mwN).

[6] Die Revisionsrekurswerberin erklärte aus „Vorsichtsgründen“ ihren Beitritt als Nebenintervenientin, verwies auf zwei getrennt zu beurteilende Rechtsverhältnisse, nämlich einerseits eine allfällige (Makler‑)Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beklagten und andererseits eine (nicht rechtswirksame) Vereinbarung zwischen ihr und dem Beklagten, die mit dem (Makler‑)Vertrag der Parteien dieses Verfahrens nichts zu tun habe. „Ob ein [...] rechtliches Interesse im vorliegenden Fall“ vorliege, argumentierte sie abschließend, sei vom Gericht zu prüfen und zu entscheiden. In der Beurteilung des Rekursgerichts, dass darin keine nach § 18 Abs 1 Satz 2 ZPO erforderliche „bestimmte“ Angabe des Beitrittsinteresses zu erblicken sei, lege die Beitrittswerberin doch nur dar, warum ihre Inanspruchnahme durch den Beklagten auch im Fall dessen Prozessverlusts nicht in Betracht komme, liegt keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung.

[7] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO).

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