OGH 14Os61/22k

OGH14Os61/22k24.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. August 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Turner in der Strafsache gegen * M* und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten M* und * I* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 23. März 2022, GZ 12 Hv 2/22y‑101, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00061.22K.0824.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * M* (zu I) und * I* (zu I und II) jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter „und/oder 6. Fall“, Abs 4 Z 3 SMG (teils auch durch sonstigen Beitrag nach § 12 dritter Fall StGB) schuldig erkannt.

[2] Danach haben in A* und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar

I/ M*und I* im September 2020

‑ im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB), indem sie im Auftrag des * D* dem * K* Mitgewahrsam an 1.500 Gramm Heroin (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 10,69 % Heroin), das in der zunächst nur von den Angeklagten benützten Wohnung gelagert und von diesen portioniert und verpackt worden war, zwecks anschließenden Weiterverkaufs einräumten sowie eine nicht festgestellte Menge Heroin und Kokain an teils bekannte (im angefochtenen Urteil namentlich genannte), teils unbekannte Abnehmer gewinnbringend verkauften, weiters

‑ I* alleine, indem er (wie zuvor mit D* vereinbart, US 4) Einnahmen aus Suchtgiftverkäufen kassierte und nach Serbien transferierte sowie die Miete für die als Suchtgiftlager verwendete Wohnung bezahlte und diese weiteren Suchtgiftverkäufern zur Verfügung stellte,

‑ M* alleine, indem er ebenfalls (wie zuvor mit D* vereinbart, US 4) Einnahmen aus Suchtgiftverkäufen nach Serbien transferierte und I* mit dem Pkw „zur Abwicklung von Suchtgiftgeschäften und Abholung von Suchtgifterlösen“ chauffierte;

II/ I* vom 27. Juli bis zum 9. August 2021 dadurch, dass er Heroin (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 23,42 % Heroin) zwei namentlich genannten und weiteren unbekannten Abnehmern verkaufte sowie einen Beitrag zum Überlassen weiteren Suchtgifts durch andere leistete, indem er den Ankauf zweier „für die Abwicklung der Suchtgiftgeschäfte“ verwendeten SIM‑Karten in die Wege leitete.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen von den Angeklagten M* aus Z 5 und 11 sowie I* aus Z 5, 5a und 9 lit a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht im Recht.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*:

[4] Feststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge bekämpfbar, als sie für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage oder die Strafbefugnisgrenze entscheidend sind (RIS-Justiz RS0117499).

[5] Dies trifft auf die unter dem Aspekt fehlender oder offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) kritisierte Sachverhaltsannahme, der Beschwerdeführer habe selbst Suchtgift teils namentlich genannten, teils unbekannten Abnehmern verkauft (US 4 f), nicht zu. Denn das Erstgericht ging hinsichtlich beider Angeklagter (gerade noch deutlich genug erkennbar [vgl US 6]) je von der Begehung des Verbrechens des Suchtgifthandels im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit aus. Auf dieser Basis trägt aber bereits das festgestellte Überlassen von 1.500 Gramm Heroin (Reinsubstanz 160,35 Gramm Heroin) durch Einräumung von Mitgewahrsam zwecks weiteren Suchtgiftverkaufs (US 5 iVm US 11 f) den Schuldspruch (in der Subsumtion auch nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG), weshalb der angestrebte Wegfall einzelner weiterer Ausführungshandlungen keine entscheidende Tatsache betrifft (RIS‑Justiz RS0127374).

[6] Gleiches gilt für den Einwand, der Beschwerdeführer habe „bloß“ Beteiligungshandlungen (gemeint offenbar im Sinn des § 12 dritter Fall StGB), die als „eher untergeordnet anzusehen“ seien, gesetzt (vgl [zur Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen] RIS‑Justiz RS0117604).

[7] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) verstößt die erschwerende Wertung der die Qualifikationsgrenze (§ 28a Abs 4 Z 3 SMG) „um ein Vielfaches“ (US 24; anhand des Urteilssachverhalts jedenfalls um mehr als das Doppelte) überschreitenden Suchtgiftmenge, die vom Beschwerdeführer überlassen wurde, nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), weil dieser Umstand die Strafdrohung nicht bestimmt (RIS‑Justiz RS0088028, RS0131986).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten I*:

[8] Ob der Beschwerdeführer Suchtgift (auch) drei als Zeugen vernommenen Abnehmern verkaufte, ist – aus den zum Mitangeklagten dargelegten Gründen – nicht entscheidend, weshalb der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) den gesetzlichen Bezugspunkt verfehlt.

[9] Der weitere Einwand (Z 5 fünfter Fall), entgegen der Darstellung im Urteil habe der Zeuge K* nicht „beinahe ein Dutzend mal“ behauptet, „alleine gehandelt zu haben“ (vgl US 13), sondern lediglich dreimal angegeben, „niemand anderer hat mit dem zu tun“, macht keine erheblich (also mit Bezug auf eine entscheidende Tatsache) unrichtige Wiedergabe des Inhalts dieses Beweismittels geltend (RIS‑Justiz RS0099408). Damit wird bloß die Annahme des Erstgerichts von der fehlenden Glaubhaftigkeit der von diesem Zeugen in der Hauptverhandlung (im Widerspruch zur früher den Beschwerdeführer belastenden) abgelegten Aussage nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (vgl § 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung kritisiert.

[10] Gleiches gilt für das Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a), das aus den von den Tatrichtern angeführten Prämissen (den ohnehin erörterten Aussagen der Zeugen * S*, * E*, * Er* [jeweils US 21], * F* [US 21 f] und K* [US 10 ff] sowie des Mitangeklagten [US 16 ff]) für den Beschwerdeführer günstige Schlussfolgerungen zieht (RIS‑Justiz RS0099674).

[11] Da auch die Tatsachenrüge (Z 5a) eine Bekämpfung nur von Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen ermöglicht (erneut RIS-Justiz RS0117499), bedarf der Hinweis auf den Umstand, dass ein im Urteil genannter Suchtgiftabnehmer des Beschwerdeführers diesen bei seiner Vernehmung „überhaupt nicht erwähnt“ habe, (mit Blick auf die erstgerichtliche Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit) keiner näheren Erörterung.

[12] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) lässt nicht mit Bestimmtheit erkennen, ob sie einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet, in welchem Fall sie die dazu getroffenen Feststellungen (US 6) übergeht (RIS-Justiz RS0099810) oder die – von ihr zitierte – Begründung (US 22) als offenbar unzureichend kritisiert (der Sache nach Z 5 vierter Fall; vgl für diesen Fall [zur Zulässigkeit eines vom Erstgericht gezogenen Schlusses von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen] RIS‑Justiz RS0116882).

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[14] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

[15] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

[16] Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die vom Erstgericht alternativ in den Raum gestellte (vgl US 2: „und/oder 6. Fall“) Annahme einer Verwirklichung des Verschaffens von Suchtgift zwar (materiell‑)rechtlich ohne Konsequenz bleibt (zur Gleichwertigkeit im Verhältnis zum Überlassen vgl RIS-Justiz RS0116676 [T9], RS0114037 [T6]), jedoch im Urteilssachverhalt keine Deckung findet (vgl US 5 iVm US 11 f) und hier der Verständlichkeit des Urteils abträglich ist (zur Tatbildlichkeit der Einräumung von Mitgewahrsam an Suchtgift im Sinn des Überlassens vgl RIS‑Justiz RS0115882, RS0088330; Schwaighofer in WK2 SMG § 27 Rz 39; Hinterhofer/Tomasits in Hinterhofer, SMG2 § 27 Rz 55).

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