OGH 10ObS68/22f

OGH10ObS68/22f28.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, Wiedner Hauptstraße 84–86, 1051 Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. April 2022, GZ 6 Rs 19/22 v‑13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00068.22F.0728.000

 

Spruch:

I. Der Schriftsatz der klagenden Partei vom 12. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

II. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] I. Jeder Partei steht nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Weitere Nachträge oder Ergänzungen sind unzulässig. Der nach Erhebung der Revision eingebrachte weitere Schriftsatz des Klägers vom 12. Juli 2022 samt der damit erfolgten Urkundenvorlage ist daher zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0041666; RS0100170 [T2]).

[2] II. Mit Bescheid vom 2. April 2019 lehnte die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen den Antrag des Klägers auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit (§ 133a GSVG) ab. In dem daraufhin eingeleiteten gerichtlichen Verfahren (künftig: Vorverfahren) schlossen die Parteien am 2. September 2021 auszugsweise folgenden Vergleich:

Es wird festgestellt, dass beim Kläger Erwerbsunfähigkeit gemäß § 133 Abs 2 GSVG vorliegt.

Der Kläger wird einen Antrag auf Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitspension (Leistung) stellen. […]

Die Beklagte erklärt, dass sie sich ein Jahr an diesen Feststellungsausspruch gebunden erachtet.

[3] Darauf aufbauend anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Februar 2022 den Anspruch des Klägers auf Erwerbsunfähigkeitspension für den Zeitraum von 1. Oktober 2021 bis 30. September 2022.

[4] Mit seiner Klage strebt der Kläger die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitspension ohne zeitliche Befristung an. Aufgrund seines körperlichen Zustands sei dauernde Erwerbsunfähigkeit anzunehmen, sodass ihm die Pension gemäß § 133b Abs 2 GSVG zeitlich unbefristet zuzuerkennen sei.

[5] Das Erstgericht wies die Klage über Einwand der Beklagten zurück. Nach § 133b Abs 3 GSVG dürfe gegen den Ausspruch, dass die Pension zeitlich befristet zuerkannt oder weiter gewährt werde, eine Klage nicht erhoben werden. Für das Begehren des Klägers sei der ordentliche Rechtsweg daher unzulässig.

[6] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers keine Folge. Auch wenn im Vorverfahren gemäß § 133a GSVG die Erwerbsunfähigkeit (mit Vergleich) festgestellt worden sei, führe das nicht dazu, dass gegen die im anschließenden Leistungsfeststellungsverfahren erfolgte Befristung ungeachtet des § 133b Abs 3 GSVG mit Klage vorgegangen werden könne. Einen Zulässigkeitsausspruch hielt das Rekursgericht für entbehrlich, weil ein Revisionsrekurs jedenfalls zulässig sei.

[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, seiner Klage gegen die Befristung der Pension stattzugeben, hilfsweise die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Vorweg ist klarzustellen, dass die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gegen die Bestätigung einer Klagszurückweisung vom Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt (10 ObS 149/20i; RS0044535).

[9] 1.1. Unterbleibt dieser Zulässigkeitsausspruch des Gerichts zweiter Instanz kann eine Zurückstellung unterbleiben, wenn der Rechtsmittelwerber ein außerordentliches Rechtsmittel erhoben und darin gesondert die Gründe für dessen Zulässigkeit dargelegt hat (10 ObS 44/20y SSV‑NF 34/17; RS0002488 [T8] ua). Diesen Anforderungen wird das Rechtsmittel des Klägers (noch) gerecht.

[10] 2. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, dass die zur Zurückweisung der Klage führende Bestimmung des § 133b Abs 3 GSVG schon nach ihrer systematischen Stellung erst dann zur Anwendung gelange, wenn eine dauernde Erwerbsunfähigkeit iSd § 133b Abs 2 GSVG verneint worden sei. Das sei hier nicht der Fall, weil nach den Ergebnissen des Vorverfahrens dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliege und ihm die Pension daher schon nach § 133b Abs 2 GSVG unbefristet zuerkannt werden hätte müssen. Zudem berufe sich das Rekursgericht ausschließlich auf Rechtsprechung zu § 256 Abs 3 ASVG idF BGBl 1996/201 (bzw vor dem SRÄG 2012), wohingegen zu § 133b Abs 3 GSVG höchstgerichtliche Judikatur fehle.

[11] 3. Damit zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

[12] 3.1. Zwar hat der Oberste Gerichtshof zu § 133b Abs 3 GSVG noch nicht explizit Stellung genommen. Es ist jedoch geklärt, dass zur Auslegung des § 133b GSVG die zum früheren § 256 ASVG idF BGBl 1996/201 ergangene Rechtsprechung heranzuziehen ist, zumal beide Bestimmungen den gleichen Regelungsinhalt haben (10 ObS 82/03m). Wenn das Rekursgericht daher auf die zu § 256 Abs 3 ASVG aF ergangene Judikatur zurückgreift, ist das durch höchstgerichtliche Rechtsprechung gedeckt.

[13] 3.2. Der Kläger bestreitet im Grunde nicht, dass der Wortlaut des § 133b Abs 3 GSVG eindeutig ist: Für die auf Zuerkennung einer unbefristeten anstatt einer befristeten Pension gerichtete Klage ist der Rechtsweg ausgeschlossen. Eine Klage ist nur gegen die Ablehnung eines Pensionsantrags oder der Weitergewährung einer befristeten Pension zulässig. Zu Recht hat das Rekursgericht daher betont, dass der Zuspruch einer unbefristeten Pension wegen Erwerbsunfähigkeit statt der zuerkannten befristeten Pension nicht im Wege einer Klage beim Arbeits‑ und Sozialgericht erreicht werden kann. Gegen den Ausschluss der Klagemöglichkeit bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (10 ObS 210/01g SSV‑NF 15/109 [zu § 256 ASVG]; RS0115906).

[14] 3.3. Das vom Kläger angestrebte Verständnis des § 133b Abs 3 GSVG scheitert daher schon am klaren Wortlaut der Bestimmung. Es ist aber auch im Wege der von ihm angesprochenen systematischen Auslegung nicht erzielbar:

[15] Der in § 133b Abs 3 GSVG normierte Ausschluss der Klagemöglichkeit setzt gerade voraus, dass im Verwaltungsverfahren – ob zu Recht oder zu Unrecht – keine dauernde Erwerbsunfähigkeit iSd § 133b Abs 2 GSVG angenommen wurde. Andernfalls hätte es zu einer zeitlich befristeten Zuerkennung der Pension gar nicht kommen können. Die Ansicht des Klägers, § 133b Abs 3 GSVG sei nicht anzuwenden, wenn der Sozialversicherungsträger die Voraussetzungen für eine unbefristete Pension unzutreffend verneint habe, würde der Bestimmung nicht nur weitreichend den Anwendungsbereich nehmen, sondern auch ihren Zweck konterkarieren, ein allein über die Frage der Berechtigung der Befristung geführtes Verfahren vor dem Arbeits‑ und Sozialgericht zu vermeiden (vgl 10 ObS 307/02y SSV‑NF 16/119).

[16] Eine unrichtige Auslegung des § 133b GSVG durch die Vorinstanzen liegt demgemäß nicht vor.

[17] 4. Soweit der Kläger noch die Entscheidung des Berufungsgerichts im Kostenpunkt bekämpft, übergeht er, dass die zweitinstanzliche Kostenentscheidung ausnahmslos unanfechtbar ist (RS0044233 [T11]; RS0053407 [T16]; RS0044228).

[18] 5. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher insgesamt zurückzuweisen.

[19] Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens liegen nicht vor.

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