OGH 9Ob49/22d

OGH9Ob49/22d14.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei G* GmbH, *, vertreten durch Mag. Karl Komann, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei T* GesmbH, *, vertreten durch Ehrlich-Rogner & Schlögl Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen Feststellung (Streitwert: 229.545,60 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. März 2022, GZ 4 R 146/21a‑28, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00049.22D.0714.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung im Sinn des § 228 ZPO ist für eine negative Feststellungsklage dann anzunehmen, wenn der Beklagte das Recht ernsthaft behauptet, dh sich fälschlicherweise des Rechts berühmt und dadurch die Rechtsstellung des Klägers gefährdet (RS0039096 [T10]; RS0039260; RS0038974). Die begehrte Feststellung muss darüber hinaus auch das zur Beseitigung dieser Gefährdung geeignete Mittel sein (RS0039096 [T8]).

[2] 2. Eine derartige „Berühmung“ sieht die Rechtsprechung ua in der Ausstellung einer Rechnung (4 Ob 19/09m [Pkt 2.2. mwN]; vgl 9 Ob 61/18p [Pkt 2.1. mwN]). Der Kläger muss auf allfällige Schritte der Gegenseite auf gerichtliche Geltendmachung der behaupteten Ansprüche nicht warten, sondern kann durch Feststellungsklage die von der Beklagten geschaffene Rechtsunsicherheit beenden (RS0039096 [T14]; vgl RS0039109). Ob eine die Rechtsstellung des Rechteinhabers gefährdende Berühmung eines Rechts vorliegt, kann regelmäßig nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RS0039096 [T12]).

[3] 3. Die übereinstimmende Bejahung des rechtlichen Interesses an der vorliegenden negativen Feststellungsklage durch die Vorinstanzen entspricht diesen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zeigt die Beklagte in ihrer außerordentlichen Revision nicht auf.

[4] 4. Nach den Feststellungen stellte die Beklagte der Klägerin am 15. 5. 2020 eine Rechnung über 229.545,60 EUR, gegründet auf einen Rückforderungsanspruch wegen einer vereinbarungswidrigen Verrechnung des Charterflugs, weil die Klägerin vereinbarungsgemäß den Einkaufspreis weitergeben hätte müssen. Da diese Vereinbarung nicht festgestellt werden konnte, besteht der behauptete Anspruch der Beklagten nicht zu Recht.

[5] 5. Die in der außerordentlichen Revision aufgeworfene Frage, ob die Bildung von bilanztechnischen Rückstellungen die Bewegungsfreiheit einer natürlichen oder juristischen Person derart einschränkt, dass ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens bzw Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinn des § 228 ZPO gegeben ist, bedarf hier keiner Vertiefung. Schon durch die Rechnungslegung hat sich die Beklagte eines Zahlungsanspruchs der Klägerin gegenüber berühmt. Die Beklagte stand im Übrigen im gesamten Verfahren auf dem Standpunkt, ihr Zahlungsanspruch sei berechtigt; daran hält sie auch noch in ihrer außerordentlichen Revision fest. All dies begründet das rechtliche Interesse der Klägerin an der negativen Feststellungsklage, ohne dass es einer außergerichtlichen Mahnung oder einer konkreten Klagsandrohung bedarf. Die begehrte Feststellung ist auch das geeignete Mittel zur Beseitigung dieser Rechtsunsicherheit.

[6] Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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