OGH 9ObA41/22b

OGH9ObA41/22b30.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Rechtssache der klagenden Partei Betriebsrat der B*, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B*, vertreten durch Dr. Rainer H. Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Interesse: 20.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 22. Februar 2022, GZ 8 Ra 55/21y‑18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00041.22B.0630.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Auch im Sinne des § 54 ASGG setzt das Vorliegen eines rechtlichen Interesses ua voraus, dass es sich unmittelbar aus dem streitigen Rechtsverhältnis ergibt und tatsächlich geeignet ist, die Beeinträchtigung der Rechtssphäre durch den Gegner zu verhindern oder zu beenden. Voraussetzung ist daher eine tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre der betroffenen Arbeitnehmer, die schon darin gelegen ist, dass die beklagte Partei den Anspruch verneint (RS0085548 [T1]).

[2] 2. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen – mangels Bestreitung des festzustellenden Rechts durch die Beklagte – ein rechtliches Interesse des klagenden Betriebsrats, an der von ihm begehrten Feststellung verneint. In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt er keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[3] Der Kläger argumentiert, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, entgegen der seit 1. 6. 2002 bestehenden Dienstzeitregelung durch die „direktorale“ Anordnung vom 20. 3. 2020 einzugreifen, wodurch den Bediensteten ab 16. 3. 2020 das einzelvertraglich zustehende Recht genommen worden sei, Gleitzeitguthaben aufzubauen. Gegenstand seines – den Zeitraum 16. 3. bis 17. 5. 2020 betreffenden – Feststellungsbegehrens ist allerdings nicht die Frage, ob die Beklagte zu dieser direktorialen Anweisung berechtigt war, sondern die Anerkennung von über die Sollarbeitszeit hinausgehenden und nach Ergehen der direktorialen Anweisung tatsächlich erbrachten Arbeitsleistungen als Zeitguthaben, wenn sie notwendig waren und tatsächlich erbracht worden sind (Hauptbegehren) bzw als Mehr- oder Überstunden, wenn sie zumindest schlüssig angeordnet waren (Eventualbegehren).

[4] Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Beklagte die Anerkennung/Aufzeichnung von über die Sollarbeitszeit hinausgehenden Arbeitsleistungen aber gar nicht generell abgelehnt, sondern Zeitguthaben im maßgeblichen Zeitraum nicht anerkannt, die nach ihrer Ansicht aufgrund der individuellen Beschäftigungssituation nicht gerechtfertigt waren. Mehrleistungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sie aufgrund der individuellen Beschäftigungssituation, beispielsweise aufgrund von Fristsetzungen oder Arbeitsaufträgen für notwendig erachtete oder die angeordnet wurden, bestritt und bestreitet die Beklagte hingegen nicht. Für die allfällige Klärung der Frage, ob die Anerkennung solcher Leistungen im Einzelnen zu Unrecht abgelehnt wurde, eignet sich das Feststellungsbegehren nicht. Wenn die Vorinstanzen in diesem daher kein zur Beseitigung der Gefährdung geeignetes Mittel gesehen haben, um die Beeinträchtigung der Rechtssphäre durch den Gegner zu verhindern oder zu beenden, ist dies nicht weiter korrekturbedürftig.

[5] 3. Das Berufungsgericht hat weiter auf die Rechtsprechung hingewiesen, dass in einem Verfahren über eine Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG alle Sachverhaltsfeststellungen in Bezug auf jeden der berechtigten Dienstnehmer, deren Rechte oder Rechtsverhältnisse den Gegenstand des Prozesses bilden, zu treffen und diese Feststellungen rechtlich zu beurteilen sind. Eine solche Konkretisierung des Sachverhalts ist auch für die faktische Wirkung der Entscheidung auf allfällige von den Dienstnehmern zu erhebende Leistungsansprüche erforderlich (RS0085579). Davon ausgehend hat das Berufungsgericht ein solches individualisierbares Vorbringen des Klägers vermisst. Dem hält die Revision nichts entgegen.

[6] 4. Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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