European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00061.22M.0629.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Adoptionssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Begründung:
[1] Die minderjährige Zweitantragstellerin wurde am * 2006 in Italien geboren und ist iranische Staatsbürgerin. Ihre Eltern ließen sich 2011 nach iranischem Recht scheiden. Im Jahr 2012 übersiedelte die Zweitantragstellerin mit ihrer Mutter nach Österreich. Später heiratete die Mutter der Zweitantragstellerin den Erstantragsteller, der irischer Staatsbürger ist. Dem Vater der Zweitantragstellerin wurde mit Beschluss vom 15. November 2017 die Obsorge entzogen, sodass die Mutter nunmehr mit der alleinigen Obsorge betraut ist.
[2] Die Antragsteller beantragten die Bewilligung des Adoptionsvertrags vom 22. November 2019, nach welchem der Erstantragsteller die Zweitantragstellerin an Kindes statt annimmt.
[3] Das Erstgericht wies den Antrag ab. Nach § 195 Abs 1 ABGB dürfe eine Adoption nur bewilligt werden, wenn die Eltern des minderjährigen Wahlkindes zustimmen. Nach § 26 IPRG würden sich die Zustimmungserfordernisse nach dem Personalstatut des minderjährigen Wahlkindes richten. Nach iranischem Recht könnten nur Kinder bis zum zwölften Lebensjahr, deren Eltern unbekannt sind oder die einer öffentlichen Einrichtung überlassen wurden, adoptiert werden. Da das iranische Recht keine Zustimmung des leiblichen Elternteils vorsehe und diese Zustimmung daher auch nicht ersetzt werden könne, sei der Antrag auf Bewilligung des Adoptionsvertrags abzuweisen.
[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den Revisionsrekurs im Hinblick auf die Frage zu, ob eine Adoption zulässig ist, wenn das nach dem Personalstatut des minderjährigen Wahlkindes anzuwendende Recht keine Zustimmung des Elternteils vorsieht.
[5] Mit ihrem Revisionsrekurs streben die Antragsteller die Bewilligung des Adoptionsvertrags an, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[7] 1. Die Voraussetzungen der Erwachsenenadoption sind nach § 26 Abs 1 IPRG idF des FamErbRÄG 2004 nach dem Personalstatut des Annehmenden und dem Personalstatut des Kindes zu beurteilen. Bei der Erwachsenenadoption müssen deshalb die Adoptionsvoraussetzungen beider Rechtsordnungen kumulativ erfüllt sein (RIS‑Justiz RS0124501; Verschraegen in Rummel 3 § 26 IPRG Rz 3). Eine Erwachsenenadoption ist damit auch in Österreich nicht möglich, wenn das anzuwendende fremde Recht eine solche nicht oder nur unter restriktiven Bedingungen vorsieht (RS0119783). Der Gesetzgeber des FamErbRÄG 2004 wollte dadurch einem Missbrauch der Erwachsenenadoption zur Erlangung fremdenrechtlicher Aufenthaltstitel entgegenwirken (ErlRV 471 BlgNR 22. GP 10 und 34).
[8] 2. Für die Minderjährigenadoption wurde aber auch nach dem FamErbRÄG 2004 die bisherige Regelung beibehalten: Die Voraussetzungen der Adoption eines nicht entscheidungsfähigen Kindes richten sich deshalb nach § 26 Abs 1 IPRG nach dem Personalstatut des Annehmenden und nur hinsichtlich der Zustimmung des Kindes oder eines Dritten, zu dem dieses in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, nach dem Personalstatut des Kindes. Die Einhaltung allfälliger im ausländischen Recht vorgesehenen Zustimmungserfordernisse dient dem zusätzlichen Schutz des Kindes, soll aber Adoptionen nicht verhindern (Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht2 [2017] Rn 07.19). Auch ein minderjähriges Kind, dessen Heimatstaat das Rechtsinstitut der Adoption nicht kennt, wie dies in manchen Staaten mit islamischer Rechtsordnung der Fall ist, kann deshalb adoptiert werden, wenn die Voraussetzungen nach dem Personalstatut des Annehmenden erfüllt sind (ErlRV 471 BlgNR 22. GP 35).
[9] 3. Kennt das Heimatrecht des Kindes – wie die meisten islamischen Rechte – also eine Adoption nicht oder jedenfalls nicht in der begehrten Form, und sieht es deshalb auch keine Zustimmungserklärungen vor, so läuft die Verweisung nach § 26 Abs 1 Satz 2 IPRG insoweit ins Leere. Das Zustimmungsstatut hat dann nicht die Macht, das zur Entscheidung über die Adoption berufene Adoptionsstatut zu blockieren. Die Statthaftigkeit der Adoption ergibt sich in einem solchen Fall allein aus § 26 Abs 1 Satz 1 IPRG (zur parallelen deutschen Rechtslage: Hausmann in Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht2 [2018] Kap H Rz 93; Henrich in Staudinger [2019] Art 23 EGBGB Rz 19; Stürner in Erman, BGB16 [2020] Art 23 EGBGB Rz 14).
[10] 4. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen ist § 195 Abs 1 Z 1 ABGB, wonach die Bewilligung der Adoption die Zustimmung der Eltern erfordert, im vorliegenden Fall gerade nicht anwendbar, weil sich die Voraussetzungen der Adoption gemäß § 26 Abs 1 IPRG nach irischem und hinsichtlich einer allenfalls erforderlichen Zustimmung des leiblichen Vaters nach iranischem Recht richten. Sollte im iranischen Recht keine Zustimmung der leiblichen Eltern zur Adoption erforderlich sein, würde die fehlende Zustimmung des Vaters der Zweitantragstellerin der Bewilligung des Adoptionsvertrags nicht entgegenstehen.
[11] 5. Über die Bewilligung des vorliegenden Adoptionsvertrags kann aber noch nicht entschieden werden, weil es die Vorinstanzen verabsäumt haben, das auf den vorliegenden Adoptionsvertrag nach § 26 Abs 1 IPRG anzuwendende irische Recht zu ermitteln. Darüber hinaus haben die Revisionswerber darauf hingewiesen, dass sich die iranischen Vorschriften zur Adoption im Jahr 2013 mit dem „Gesetz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen“ geändert haben, weshalb sich das Erstgericht bei der Ermittlung der Zustimmungserfordernisse des insoweit anzuwendenden iranischen Rechts nicht mit dem Hinweis auf eine Literaturstelle aus dem Jahr 2002 begnügen hätte dürfen.
[12] 6. Da die Vorschriften über die Erwachsenenadoption nach § 26 Abs 1 IPRG anzuwenden sind, sobald das Kind „entscheidungsfähig“ ist, und die Handlungsfähigkeit nach § 12 IPRG nach dem Personalstatut einer Person zu beurteilen ist, hängt die Bewilligung des vorliegenden Adoptionsvertrags auch davon ab, obdie Zweitantragstellerin nach iranischem Recht entscheidungsfähig ist. In diesem Fall wären die Voraussetzungen der Adoption auch nach iranischem Recht zu beurteilen.
[13] 7. Mangelt es an der Ermittlung des fremden Rechts, die nach § 4 Abs 1 IPRG von Amts wegen durchzuführen ist, so liegt darin ein Verfahrensmangel besonderer Art, der dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellen ist und zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führt (RS0116580, RS0040045). Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren sowohl das irische Recht als auch das aktuelle iranische Recht ermitteln müssen, um auf dieser Grundlage neuerlich über die Bewilligung des Adoptionsvertrags zu entscheiden. In diesem Verfahren wird auch der leibliche Vater der Zweitantragstellerin zu beteiligen sein, dem im vorliegenden Adoptionsverfahren – selbst wenn sich herausstellt, dass die Adoption seiner Zustimmung nicht bedarf – nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG jedenfalls Parteistellung zukommt.
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