OGH 3Ob92/22h

OGH3Ob92/22h22.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A*, vertreten durch Hudelist/Primig Rechtsanwälte OG in Feldkirchen in Kärnten, gegen die beklagte Partei K*gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch MMag. Dr. Elisa Florina Ozegovic, Dr. Ernst Maiditsch, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 5.328,50 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 17. Dezember 2021, GZ 4 R 337/21g‑19, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 28. September 2021, GZ 15 C 7/21t‑15, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00092.22H.0622.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin, die im Jahr 2020 gemeinsam mit ihrer Mutter ein Doppelhaus errichten ließ, schloss bereits vor dessen Fertigstellung mit der Beklagten am 7. August 2020 einen Vertrag über die Lieferung und Montage einer zuvor von einem Mitarbeiter der Beklagten geplanten Einbauküche und leistete eine Anzahlung in Höhe von 5.244,50 EUR. Die Elektrogeräte für diese Küche wollte die Klägerin nicht bei der Beklagten, sondern anderswo erwerben. Dabei sollte es sich um Standardgeräte handeln, deren Dimensionen bekannt waren.

[2] Dem Mitarbeiter der Beklagten war bei Vertragsabschluss bekannt, dass das Haus der Klägerin noch nicht stand und insbesondere die Installations- und Elektroanschlüsse erst hergestellt werden mussten. Vereinbart war, dass er den Installationsplan der Klägerin in der Folgewoche übermitteln werde. Ihre konkrete Geräteauswahl war dafür keine Voraussetzung.

[3] Anfang September 2020 benötigte die Klägerin den Installationsplan bereits dringend, um alle Elektroinstallationen und sanitären Installationen herstellen lassen zu können. Da ihr der Installationsplan von der Beklagten nicht übermittelt wurde, erklärte sie mit Schreiben vom 7. Oktober 2020 unter Setzung einer 14‑tägigen Nachfrist zur Übermittlung der Planunterlagen den Rücktritt vom Vertrag.

[4] Der zuständige Mitarbeiter der Beklagten erhielt davon zeitnah Kenntnis. Er erstellte am 9. Oktober 2020 einen Anschlussplan für Wasser und Strom. Die Klägerin hat diesen Plan jedoch nie erhalten. Sowohl am 13. als auch am 19. Oktober 2020 versuchte sie erfolglos, den Mitarbeiter der Beklagten telefonisch zu erreichen. Mit 20. Oktober 2020 übergab sie die Angelegenheit ihrem Rechtsvertreter. Dieser kontaktierte die Beklagte mit Schreiben vom 28. Oktober 2020 mit der Aufforderung, die geleistete Anzahlung rückzuerstatten. Die Beklagte wies in ihrem Antwortschreiben die Rücktrittserklärung zurück. Ihr sind durch den Rücktritt keine Kosten entstanden, weil die Küche noch nicht bestellt worden war. Auch bei der Herstellerin sind keine Kosten aufgelaufen. Im Februar 2021 bestellte die Klägerin bei einem anderen Unternehmen eine Einbauküche, nachdem dieses zuvor einen Installationsplan erstellt hatte. Der Klägerin entstanden im Zusammenhang mit zwei Besprechungsterminen bei der Beklagten Fahrtkosten in Höhe von 84 EUR.

[5] Die Klägerin begehrt nach Klageeinschränkung die Zahlung von 5.328,50 EUR sA. Da ihr vereinbarungswidrig der dringend benötigte Elektro- und Installationsplan nicht übermittelt worden sei, habe sie berechtigt unter Setzung einer angemessenen Nachfrist den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Die Beklagte habe die Nachfrist ungenützt verstreichen lassen, weshalb der Vertragsrücktritt wirksam sei. Die Klägerin habe daher Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung und auf Ersatz ihrer frustrierten Fahrtkosten.

[6] Die Beklagte wendete ein, der Vertragsrücktritt der Klägerin sei rechtsgrundlos erfolgt. Für die Erstellung des Installationsplans wären noch weitere Gespräche zur Feinabstimmung notwendig gewesen, die die Klägerin jedoch abgesagt habe. Dennoch sei der Klägerin am 9. Oktober 2020 ein Installationsplan übermittelt worden.

[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Bei der vereinbarten Erstellung des Installationsplans habe es sich um eine wesentliche Nebenverpflichtung der Beklagten gehandelt, die sie nicht erfüllt habe. Die Klägerin sei daher wirksam vom Vertrag zurückgetreten.

[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin habe unstrittig bei Abschluss des Kaufvertrags den Küchenplan erhalten. Üblicherweise wäre es den von ihr beauftragten Professionisten leicht möglich gewesen, bereits aufgrund dieses Plans die Wasser- und Elektroanschlüsse zu positionieren. Die Übermittlung eines zusätzlichen Plans für die Erstellung der Elektro- und Wasseranschlüsse durch die Beklagte habe eine unselbständige (nicht äquivalente) Nebenpflicht dargestellt. Deren Verletzung rechtfertige im Regelfall nicht den Rücktritt vom Vertrag gemäß § 918 ABGB. Nur ausnahmsweise werde das Recht zum Rücktritt anerkannt, wenn die Verletzung der Nebenpflicht sogleich eine schwere Vertrauenserschütterung bewirke oder das Interesse an der Erfüllung des Vertrags überhaupt beseitige. Solches habe die Klägerin aber gar nicht behauptet. Vielmehr stehe fest, dass die Klägerin noch im Februar [richtig:] 2021, also knapp ein halbes Jahr nach dem Vertragsrücktritt, Interesse an der Lieferung einer Einbauküche gehabt habe, weil sie eine solche bei einem anderen Unternehmen bestellt habe. Es sei auch nicht ersichtlich, inwieweit durch den Verzug mit der Lieferung des Installationsplans die Erbringung der Hauptleistung verzögert oder gefährdet worden sein könnte, weil es der Klägerin leicht möglich gewesen wäre, anhand des Küchenplans die Detailplanung für Wasser- und Elektroanschlüsse von dritter Seite zu beschaffen. Allfällige daraus entstehende Kostenbelastungen hätte sie allenfalls der Beklagten in Rechnung stellen können. Unter diesen Umständen erweise sich ihr Vertragsrücktritt als nicht berechtigt, sodass das Klagebegehren abzuweisen sei, ohne dass es auf die Richtigkeit der von der Beklagten bekämpften Feststellungen ankäme.

[9] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil es den Einwand der Klägerin, der Beklagten stehe gemäß § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB jedenfalls nur ein reduzierter Entgeltanspruch zu, nicht beachtet habe.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision der Klägerin ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

[11] 1. § 918 ABGB gewährt dem Gläubiger ein Rücktrittsrecht bei nicht gehöriger Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung des Schuldners. Die Beklagte ist nach den – von ihr in der Berufung bekämpften – Feststellungen des Erstgerichts zwar nicht mit der Lieferung und dem Einbau der bestellten Küche (also der Hauptpflicht) in Verzug geraten, wohl aber mit der Übermittlung des Installationsplans, die sie, ohne dass es weiterer Besprechungen mit der Klägerin bedurft hätte, für die Woche nach Vertragsabschluss zugesagt hatte. Ist die Erfüllung als unteilbar anzusehen, hat auch die sogenannte äquivalente Nebenleistung, somit jene mit eigenem Verkehrswert, kein anderes Schicksal als die Hauptleistung. Die Nebenpflicht wird dann jedenfalls zur wesentlichen, deren Verletzung zum Rücktritt vom gesamten Vertrag berechtigt (RS0018438 [T3]). Die Frage der Teilbarkeit oder Unteilbarkeit der Erfüllung ist nach dem Willen beider Parteien bzw nach dem dem Kontrahenten bei Vertragsabschluss bekannten oder erkennbaren Willen einer Partei zu beurteilen (RS0018438).

[12] 2. Während im Regelfall die Planung einer Einbauküche das Vorliegen eines genauen Küchenplans voraussetzt, aus dem die vorhandenen Elektro- und Wasseranschlüsse hervorgehen, war im vorliegenden Fall bei Bestellung der Küche mit der Errichtung des Hauses der Klägerin erst begonnen worden, weshalb die von ihr beauftragten Professionisten einen Installationsplan benötigten, um die Anschlüsse passend zu der von der Beklagten geplanten Einbauküche herstellen zu können. Unter diesen Umständen handelte es sich aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bei der Verpflichtung zur fristgerechten Übermittlung des Installationsplans nicht bloß um eine unwesentliche Nebenpflicht des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrags (zu dieser rechtlichen Qualifikation des Vertrags über die Lieferung einer – wie hier – individuell geplanten Einbauküche vgl 1 Ob 122/19a mwN). Die Mutmaßung des Berufungsgerichts, es wäre der Klägerin leicht möglich gewesen, anhand des ihr bereits übergebenen Küchenplans die Detailplanungen für Wasser- und Elektroanschlüsse von dritter Seite zu beschaffen, ist weder durch die Feststellungen noch durch das in erster Instanz erstattete Vorbringen der Beklagten gedeckt, stellte diese doch in diesem Zusammenhang ausschließlich die – nach den Feststellungen allerdings nicht erwiesenen – Behauptungen auf, dass ihr die Erstellung des Installationsplans ohne weitere Informationen durch die Klägerin nicht möglich gewesen sei und dass sie den Installationsplan ohnehin innerhalb der gesetzten Nachfrist übermittelt habe.

[13] 3. Ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen erweist sich das Klagebegehren daher als berechtigt. Dennoch kann das Ersturteil nicht sogleich wiederhergestellt werden, weil das Berufungsgericht aufgrund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht die Beweisrüge der Beklagten nicht erledigt hat. Dies wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.

[14] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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