OGH 8Ob82/21y

OGH8Ob82/21y25.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* H*, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei T* I* GmbH, *, vertreten durch Dr. Ernst W. Ortenburger, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.584.516,69 EUR sA, über die Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 1.267.613,35 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse 316.903,34 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2021, GZ 11 R 167/19p‑62, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. Juni 2019, GZ 42 Cg 92/16v‑44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00082.21Y.0525.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

1. Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

2. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 1.584.516,69 EUR samt 4 % Zinsen seit 6. 9. 2016 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 28.510,62 EUR (darin 4.751,77 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.“

3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 43.331,22 EUR (darin 2.888,87 EUR USt und 25.998 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger bezahlte der beklagten Immobilienmaklergesellschaft aufgrund eines zwischen den Streitteilen bestehenden Maklervertrags den Klagsbetrag als Provision für die Vermittlung zweier Liegenschaften an eine mit ihm verbundene Kapitalgesellschaft. Über die Provisionspflicht war davor zwischen den Parteien ein Rechtsstreit anhängig, in dem die hier klagende Partei unterlag.

[2] Der Vertreter der hier beklagten Partei stellte das erstinstanzliche Urteil und die Rechtsmittelentscheidung aus dem Provisionsprozess einem Journalisten der Zeitschrift „Profil“ zur Verfügung. Im September 2016 erschien dort ein kritisch gehaltener Artikel über den Kläger und den streitgegenständlichen Immobilienkauf.

[3] Nach Rechtskraft des Urteils im Provisionsprozess stellte der Beklagtenvertreter, aus Versehen noch während offener Leistungsfrist, einen Exekutionsantrag gegen den Kläger, den er ebenfalls dem Journalisten übermittelte, allerdings mit der Auflage, ihn im Artikel nicht zu verwenden. Tatsächlich bezahlte der Kläger seine Judikatschuld innerhalb der Leistungsfrist.

[4] Während des noch anhängigen Berufungsverfahrens im Provisionsprozess hatte die Beklagte im Dezember 2015 gegen den Kläger eine Strafanzeige wegen Verdachts des schweren Betruges zulasten der Beklagten gestellt. Sie warf ihm darin vor, seine wirtschaftliche Verbindung mit der Käufergesellschaft tatsachenwidrig verneint zu haben, um sich der Provisionspflicht zu entziehen. Im Februar 2016 brachte die Beklagte eine weitere Strafanzeige gegen den Kläger wegen des Vorwurfs der Abgabenhinterziehung ein, die sie damit begründete, dass er die von seiner Gesellschaft erworbenen Liegenschaften zu nicht fremdüblichen Bedingungen privat nutze.

[5] Der Kläger begehrt, gestützt auf § 3 Abs 4 MaklerG, die Rückzahlung der bezahlten Provision. Der Provisionsanspruch der Beklagten sei entfallen, weil sie als Immobilienmaklerin mehrfach massiv gegen ihre auch nach Abschluss der Tätigkeit fortbestehende Interessenwahrungs- und Verschwiegenheitspflicht verstoßen habe.

[6] Die Beklagte wandte unter anderem ein, sie habe nicht rechtswidrig, sondern im berechtigten Interesse einer effizienten Durchsetzung ihrer Provisionsforderung gehandelt. Darüber hinaus wären Gründe für eine Minderung der Provision bereits im Vorverfahren geltend zu machen gewesen.

[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt. Es beurteilte die Informationsweitergabe an die Presse und die Erstattung der zweiten Strafanzeige als Verstöße der Beklagten gegen ihre Berufspflichten, die berechtigte Interessen des Klägers verletzt hätten und insgesamt eine Mäßigung der Provision im Ausmaß von 20 % rechtfertigten.

[8] Das Berufungsgericht gab den Rechtsmitteln beider Streitteile keine Folge.

[9] Es bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die Beklagte mit der Weitergabe der Gerichtsurteile an die Presse und mit der Erstattung der Strafanzeige wegen eines Finanzdelikts den Rahmen einer zulässigen Durchsetzung ihrer Provisionsansprüche überschritten habe. Der zuerkannte Mäßigungsbetrag sei angemessen.

[10] Gegen diese Entscheidung richten sich die gemäß § 508a ZPO zugelassenen, jeweils von der Gegenseite beantworteten Revisionen beider Streitteile.

[11] Die Revisionen sind zulässig, weil zu der im Verfahren wesentlichen Rechtsfrage, inwiefern eine Mäßigung der Provision des Maklers gemäß § 3 Abs 4 MaklerG auch auf Umstände gestützt werden kann, die sich erst nach dem Abschluss der Tätigkeit des Maklers zugetragen haben, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.

[12] Die Revision der Beklagten ist auch berechtigt. Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[13] 1. Neben der Wiederholung ihres Rechtsstandpunkts, dass das Verhalten ihres Vertreters von vornherein keine Verletztung der Pflichten eines Immobilienmaklers bewirkt habe, macht die Revision der Beklagten auch geltend, dass ihre für den Provisionsanspruch maßgebliche Verdienstlichkeit durch die von den Vorinstanzen angenommenen Verstöße nicht verringert wurde.

[14] Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

[15] Die für den Klagsanspruch maßgebliche Bestimmung des Maklergesetzes lautet:

„§ 3 (1) Der Makler hat die Interessen des Auftraggebers redlich und sorgfältig zu wahren. Dies gilt auch, wenn er zugleich für den Dritten tätig ist.

(2) Der Auftraggeber hat den Makler bei der Ausübung seiner Vermittlungstätigkeit redlich zu unterstützen und eine Weitergabe von mitgeteilten Geschäftsgelegenheiten zu unterlassen.

(3) Makler und Auftraggeber sind verpflichtet, einander die erforderlichen Nachrichten zu geben.

(4) Bei Verletzung der Pflichten nach den Abs. 1 bis 3 kann Schadenersatz verlangt werden. Soweit dem Makler ein Provisionsanspruch zusteht, kann der Auftraggeber wegen Verletzung wesentlicher Pflichten auch eine Mäßigung nach Maßgabe der durch den Pflichtverstoß bedingten geringeren Verdienstlichkeit des Maklers verlangen.

[16] Voraussetzung für den Provisionsanspruch des Maklers ist der Nachweis einer verdienstlichen, also dem Vermittlungsvertrag entsprechenden Tätigkeit, die geeignet ist Vertragspartner aufzufinden – bei Namhaftmachung für das Zustandekommen nützlich war – bzw zum Vertragsabschluss zu bewegen (RIS‑Justiz RS0062747 [T1]; § 6 Abs 1 MaklerG). Bei der Mäßigung nach § 3 Abs 4 MaklerG handelt es sich um eine Art Vertragsstrafe (Prader, MaklerG2.17 § 3). Allfällige Ansprüche auf konkreten Schadenersatz bleiben vom Mäßigungsrecht unberührt.

[17] Eine Mäßigung des Provisionsanspruchs nach § 3 Abs 4 MaklerG hat nur dann zu erfolgen, wenn die Verdienstlichkeit des Maklers durch diesen Pflichtverstoß geringer als ohne diesen einzustufen ist (RS0111058). Die Sanktion der Provisionsermäßigung soll unabhängig von einem konkreten beweisbaren Schaden immer schon dann eintreten, wenn wegen Vorliegens einer wesentlichen Pflichtverletzung davon auszugehen ist, dass der Makler nicht voll verdienstlich tätig geworden ist (4 Ob 242/01v).

[18] Das Ausmaß der Mäßigung hängt davon ab, in welchem Maß die Verletzung einer wesentlichen Pflicht die Verdienstlichkeit des Maklers gemindert hat (RS0111058; RS0109995). Die Mäßigung der Provision ist direkt proportional zu den Pflichtverletzungen des Maklers vorzunehmen (4 Ob 135/01h).

[19] Wie sich die Pflichtverletzung auf die Abwicklung des Geschäfts ausgewirkt hat, ist ohne Bedeutung (RS0115514), es kommt auch nicht darauf an, ob durch die Pflichtverletzung ein Schaden eingetreten ist (RS0109995).

[20] Die Mäßigung der Provision kann auch noch nach Fälligkeit geltend gemacht werden, wenn die Pflichtenverletzung des Maklers erst später zutage getreten ist. Hat der Auftraggeber die Provision bereits bezahlt, kann er den Anspruch auf Mäßigung im Wege eines Rückforderungsanspruchs geltend machen.

[21] Den in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung behandelten Fällen der nachträglichen Minderung einer bereits bezahlten Provision (5 Ob 125/19x – falsche Auskunft über erfolgte Sanierung des Objekts; 1 Ob 75/18p – falsche Auskunft über die Heizkosten; 6 Ob 135/16w – falsche Auskunft über das Alter des Hauses; ebenso 2 Ob 176/10m) lagen jeweils Pflichtenverletzungen zugrunde, die der Makler bereits im Zuge der Erbringung seiner Vermittlungsleistung gesetzt hatte, und die den Auftraggebern erst nachträglich bekannt wurden. Erst durch die spätere Aufdeckung von Mängeln des vermittelten Objekts wurde in diesen Fällen erkennbar, dass die mit der Provision entlohnte Tätigkeit des Maklers zwar zum Abschluss des Geschäfts geführt hatte, aber nicht bloß unerheblich fehlerbehaftet und damit nicht im vollen Ausmaß verdienstlich war.

[22] Der hier zu beurteilende Fall unterscheidet sich davon, weil der Beklagten hier nicht Verletzungen von Aufklärungs- oder anderen Interessenwahrungspflichten im Zuge ihrer mit der Provision entlohnten Vermittlungstätigkeit vorgeworfen werden. Der Beklagten ist die Verletzung nachwirkender Vertragspflichten (§ 7 ImmobilienmaklerVO) vorzuwerfen.

[23] Ein zeitlicher oder inhaltlicher Zusammenhang der verfahrensgegenständlichen Verstöße mit der provisionspflichtigen Vermittlungstätigkeit der Beklagten ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen.

[24] Die mit dem Begriff der Verdienstlichkeit umschriebene Qualität und der Erfolg ihrer für den Geschäftsabschluss adäquat kausalen Bemühungen (RS0062747) wurden als solche dadurch, dass sie später bei der Durchsetzung Ihrer Provisionsforderung unlautere Mittel eingesetzt hat, nicht rückwirkend gemindert. Die festgestellten Verstöße der Beklagten gegen ihre nachwirkende Interessenwahrungspflicht wurden erst nach Schluss der Verhandlung erster Instanz im Provisionsverfahren gesetzt. An den im Vorverfahren über die Provisionspflicht maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen hat sich durch die hier gegenständlichen Vorwürfe nichts geändert.

[25] Unter diesen Umständen lagen die Voraussetzungen für eine Mäßigung der Provision wegen geringerer Verdienstlichkeit gemäß § 3 Abs 4 MaklerG nicht vor.

[26] Der Anspruch auf Ersatz eines allenfalls durch die festgestellte Verletzung nachwirkender Vertragspflichten verursachten Schadens bleibt nach Satz 1 leg cit davon grundsätzlich unberührt. Ein solcher Anspruch war jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

[27] Der Revision der beklagten Partei war daher Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen einschließlich der Kostenentscheidung spruchgemäß abzuändern.

[28] Der Kläger ist mit seinen Revisionsausführungen, mit denen er eine weitergehende Mäßigung der Provision anstrebt, auf die Gründe dieser Entscheidung zu verweisen.

[29] Der Ausspruch über die Verfahrenskosten gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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