OGH 5Ob65/22b

OGH5Ob65/22b25.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Eigentümergemeinschaft EZ * KG *, vertreten durch Dr. Birgit Streif, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die Antragsgegnerin B* Gesellschaft mbH, *, vertreten durch Dr. Wilhelm Garzon, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechnungslegung und Herausgabe, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 22. Dezember 2021, GZ 2 R 146/21s‑18, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00065.22B.0525.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die antragstellende Eigentümergemeinschaft begehrt, der Antragsgegnerin in ihrer Eigenschaft als abberufene Verwalterin gemäß § 31 Abs 3 WEG iVm § 52 Abs 1 Z 6 WEG aufzutragen, die „vollständige Endabrechnung der Reparaturrücklage einschließlich Schlussbilanz nach § 19b WGG“ für ihre Liegenschaft zu legen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin den sich aufgrund der Rechnungslegung ergebenden Geldbetrag samt Zinsen zu zahlen.

[2] In beim Erstgerichtgesondert eingebrachten und jeweils selbständigen Anträgen stellten weitere 11 Eigentümergemeinschaften jeweils auf ihre Liegenschaft bezogene, im Übrigen aber inhaltsgleiche Anträge.

[3] Die Antragsgegnerin wendete in all diesen insgesamt 12 Verfahren (unter anderem) die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs ein. Das Rechnungslegungsbegehren sei in Wahrheit ein Begehren auf Legung einer Schlussbilanz nach § 19b WGG. Da die Liegenschaft im Gebiet der Stadtgemeinde Innsbruck gelegen sei, hätte daher ein Verfahren bei der Schlichtungsstelle geführt werden müssen. Das Zahlungsbegehren sei im Ergebnis ein Anspruch nach § 14d Abs 5 WGG nF oder § 14d Abs 8a WGG aF, der im streitigen Verfahren durchzusetzen sei.

[4] Das Erstgericht beschloss die Verbindung des vorliegenden Verfahrens (AZ 11 Msch 19/20t) mit den oben genannten weiteren Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Das Verfahren AZ 11 Msch 18/20w erklärte das Erstgericht zum führenden Akt. Die Verbindung sei zweckmäßig und verfahrensökonomisch, weil allen Verfahren der gleiche, rechtlich zu beurteilende Sachverhalt zugrunde liege.

[5] Das Rekursgericht wies den Rekurs der Antragsgegnerin als unzulässig zurück. Verbindungsbeschlüsse seien verfahrensleitend iSd § 45 AußStrG und daher nicht selbständig anfechtbar. Dass die Antragsgegnerin die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs eingewendet habe, ändere daran nichts, weil sich das Erstgericht weder im Spruch noch in den Gründen des angefochtenen Beschlusses mit der Frage der Rechtswegszulässigkeit befasst habe.

[6] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Rekursgericht mit 10.000 EUR übersteigend, den Revisionsrekurs ließ es mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist unzulässig. Weist das Gericht zweiter Instanz – wie hier – den Rekurs gegen einen Beschluss mangels (selbständiger) Anfechtbarkeit zurück, ist dieser Beschluss nur unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar (RIS‑Justiz RS0120565 [T16]; RS0120974 [T11]). Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zeigt der Revisionsrekurs aber nicht auf.

[8] 1. Gemäß § 45 zweiter Satz AußStrG sind verfahrensleitende Beschlüsse, soweit nicht ihre selbständige Anfechtung angeordnet ist, nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung der Sache anfechtbar. Der Ausschluss der selbständigen Anfechtbarkeit wird damit begründet, dass diese Beschlüsse nicht in die Rechtsstellung der Parteien eingreifen (RS0129692 [T2]).

[9] In Rechtsprechung und Lehre haben sich verschiedene Kriterien herausgebildet, die bloß verfahrensleitende Beschlüsse charakterisieren. Danach dienen solche Beschlüsse der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens und haben „kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben“. Das Gericht ist jederzeit in der Lage, sie abzuändern und einer geänderten Situation anzupassen. Als Beispiele werden der Stoffsammlung dienende Aufträge und Verfügungen wie zB die Aktenbeischaffung, aber auch sonstige den Verfahrensablauf betreffende Verfügungen wie die Anberaumung oder Erstreckung einer Tagsatzung genannt (2 Ob 55/15z mwN; RS0120910 [T11, T19]).

[10] Auch Beschlüsse im Zusammenhang mit der Verbindung im Verfahren außer Streitsachen sind verfahrensleitend iSd § 45 zweiter Satz AußStrG (RS0120835); dies gilt auch im Bereich des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens (5 Ob 112/10x [Trennung ehemals verbundener Verfahren]).

[11] 2. Die Revisionsrekurswerberin gesteht selbst zu, dass ein Beschluss auf Verbindung mehrerer wohnrechtlicher Außerstreitverfahren grundsätzlich verfahrensleitend ist. Hier liege jedoch ihrer Auffassung nach deshalb kein bloß verfahrensleitender, sondern ein „sonstiger“ Beschluss vor, weil das Erstgericht mit diesem implizit und für die höheren Instanzen bindend über die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs entschieden habe.

[12] Nach § 42 Abs 3 JN kann die Unzulässigkeit des streitigen oder außerstreitigen Rechtswegs zwar nicht mehr wahrgenommen werden, wenn dem eine – auch von Amts wegen getroffene – bindende Entscheidung des Gerichts entgegensteht (2 Ob 131/19g mwN). Für eine bindende Entscheidung über eine Prozessvoraussetzung iSd § 42 Abs 3 JN ist auch nicht erforderlich, dass das Gericht über ihr Vorliegen ausdrücklich und spruchmäßig entschieden hat (RS0114196). Eine bloß implizite Bejahung der Prozessvoraussetzung durch meritorische Behandlung reicht nach der Rechtsprechung aber nicht aus (RS0114196 [T4, T8, T13]). Sie geht von einer bindenden Entscheidung nur dann aus, wenn das Gericht sich mit dem Vorliegen der Prozessvoraussetzung in den Entscheidungsgründen auseinandergesetzt hat (RS0114196 [T6, T7, T9a]).

[13] Fragen der Auslegung einer gerichtlichen Entscheidung entziehen sich grundsätzlich generellen Aussagen, sodass ihnen keine Bedeutung als erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommen kann, sofern dem Gericht zweiter Instanz nicht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist (3 Ob 156/13g; RS0118891). Dies ist hier nicht der Fall.

[14] Weder der Spruch noch die Begründung des Beschlusses des Erstgerichts enthalten einen Hinweis darauf, dass das Erstgericht damit die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs bejahen hätte wollen. Das Erstgericht ging in seinem Beschluss mit keinem Wort auf den Einwand der Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs ein. Es begründete die Verbindung (Spruchpunkt 1.) lediglich mit Erwägungen zur Zweckmäßigkeit und Verfahrensökonomie, die freilich auch für den Fall gelten, dass das Erstgericht in einer Entscheidung für alle verbundenen Verfahren über das Vorliegen (oder Nichtvorliegen) der Prozessvoraussetzung des außerstreitigen Rechtswegs entscheiden will. Auch dass das Erstgericht mit dem – nicht Gegenstand der Rechtsmittelverfahren bildenden – Spruchpunkt 2. eine Beweisaufnahme durch Einvernahme eines Zeugen im Rechtshilfeweg anordnete, lässt sich nicht als implizite Bejahung der Zulässigkeit des gewählten außerstreitigen Rechtswegs interpretieren.

[15] Die Revisionsrekurswerberin behauptet zwar, dass selbst wenn – wie hier – mangels ausdrücklicher Erwähnung der Thematik im Spruch oder der Begründung der Entscheidung nicht von einer die höheren Instanzen bindenden Entscheidung über die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs auszugehen sein sollte, es sich trotzdem um einen nicht nur verfahrensleitenden, sondern um einen „sonstigen“ Beschluss handle, der gesondert anfechtbar sei. Sie begründet dies aber nicht; sie argumentiert vielmehr mit der Unzulässigkeit des (außerstreitigen) Rechtswegs. Eine Entscheidung darüber steht aber nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Rekursgerichts eben noch aus.

[16] 3. Die Zulässigkeit des (außerstreitigen) Rechtswegs ist vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des ihm hier vorgelegten Rechtsmittelsauch nicht von Amts wegen zu prüfen.

[17] Die Entscheidung trotz Unzulässigkeit des Rechtswegs bildet zwar im Außerstreitverfahren einen im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmenden gravierenden Verfahrensmangel (RS0046249 [T4]; RS0122081 [T4]; RS0046861 [T5]). Von den Rechtsmittelgerichten kann dieser Verfahrensmangel aber nur dann aufgegriffen werden, wenn ein zulässiges Rechtsmittel gegen die davon betroffene Entscheidung vorliegt (RS0007095; RS0041942 [T9, T21]; vgl RS0041940; RS0041884). Dem Rekursgericht kam hier diese Kompetenz daher mangels eines zulässigen Rekurses nicht zu.

[18] Die Kognitionsbefugnis des Obersten Gerichtshofs wiederum ist auf die allein Gegenstand des Rekursverfahrens bildende Frage der Zulässigkeit des Rekurses beschränkt. Die Überprüfung der Entscheidung des Rekursgerichts hat nur im Rahmen der Anfechtung stattzufinden (RS0007416 [T1]). Es ist nicht zulässig, einen dem Hauptverfahren anhaftenden Verfahrensmangel, der auf die Erledigung der angefochtenen Entscheidung ohne Einfluss ist, im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmen (RS0007416); dessen Aufgreifen aus Anlass eines Rechtsmittels kann also immer nur in Ansehung des Entscheidungsgegenstands im Rechtsmittelverfahren erfolgen (RS0005849 [T8]; vgl RS0116888 [Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag]; RS0041856 [Kostenrekurs]). Die Bestätigung der Zurückweisung eines unzulässigen Rechtsmittels ist daher keine Erledigung in der Sache selbst, aus deren Anlass der Verfahrensmangel der Unzulässigkeit des Rechtswegs wahrgenommen werden könnte (RS0007095 [T15]).

[19] 4. Die Kostenentscheidung des Rekursgerichts ist gemäß § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen.

[20] 5. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und zurückzuweisen.

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