OGH 3Ob85/22d

OGH3Ob85/22d19.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. W* S*, vertreten durch Dr. Herbert Wimmer, Rechtsanwalt in Wildon, gegen die beklagte Partei W* Z*, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufhebung eines Kaufvertrags, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 24. März 2022, GZ 4 R 256/21f‑33, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00085.22D.0519.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger begehrte – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – die Aufhebung und Rückabwicklung des am 14. 3. 2017 mit dem Beklagten als Käufer abgeschlossenen Liegenschaftskaufvertrags wegen laesio enormis.

[2] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die tatsächliche Gegenleistung des Beklagten umfasse dessen gesamte in der Drei-Parteien-Einigung vom 29. 3. 2017 festgehaltene Zahlungsverpflichtung (Gesamtbelastung zur Rückzahlung des von ihm übernommenen Kredits) in Höhe von 1.807.200 EUR, weshalb eine Verkürzung über die Hälfte selbst unter Zugrundelegung des vom Kläger behaupteten Werts der Liegenschaften von 3,2 Mio EUR nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der Kläger vertritt in der außerordentlichen Revision demgegenüber den Standpunkt, dass nur der im Kaufvertrag genannte „nominale Kaufpreis“ für die Ermittlung der Gegenleistung des Beklagten maßgebend sei.

[5] Damit zeigt er keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[6] 1.1 § 934 ABGB räumt demjenigen, der bei zweiseitigen verbindlichen Geschäften nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem anderen gegeben hat, von diesem an gemeinem Wert erhalten hat, das Recht ein, die Aufhebung des Vertrags zu fordern. Diese Bestimmung verlangt ein krasses objektives Wertmissverhältnis; dabei ist im Allgemeinen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen (RS0018871; 5 Ob 29/19d). Das Missverhältnis muss sich allein aus dem Vertragsinhalt, das heißt aus dem Vergleich der vertraglich vereinbarten Leistungen ergeben (2 Ob 210/13s mwN).

[7] Die Ermittlung der Gegenleistung hat durch Vertragsauslegung zu erfolgen, die sich nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien richtet und typisch von den Umständen des Einzelfalls abhängt, was in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RS0042936; RS0112106). Die Vertragsauslegung kann dabei auch zum Ergebnis führen, dass zwei oder mehrere gesondert abgeschlossene Vereinbarungen nach dem übereinstimmenden Parteiwillen ein einheitliches Rechtsgeschäft bilden und bei der Ermittlung der Gegenleistung zu berücksichtigen sind (vgl 5 Ob 144/20t).

[8] 1.2 Im Anlassfall wurde vereinbart, dass der Beklagte zur Berichtigung des Kaufpreises die im Kaufvertrag genannten offenen Kreditschulden des Klägers übernimmt und für die Rechtswirksamkeit des Kaufvertrags die Zustimmung der Bank als Kreditgläubigerin vorliegen muss. In der Folge trafen beide Streitteile und die Bank am 29. 3. 2017 eine (Detail-)Vereinbarung zur Schuldübernahme durch den Beklagten.

[9] Das vom Berufungsgericht erzielte Auslegungsergebnis, dass der Kaufvertrag vom 14. 3. 2017 und die Vereinbarung vom 29. 3. 2017 (im Sinn eines einheitlichen Rechtsgeschäfts) einander bedingten und die vereinbarte Gegenleistung des Beklagten jedenfalls die Gesamtbelastung zur Rückzahlung des übernommenen Kredits nach Maßgabe der Drei-Parteien-Einigung vom 29. 3. 2017 umfasse, ist ausgehend von der festgestellten Vertragslage keine Abweichung von den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Vertragsauslegung. Die dazu gerügten sekundären Feststellungsmängel und der geltend gemachte Verfahrensmangel, der im Übrigen vom Berufungsgericht verneint wurde (vgl RS0042963), liegen nicht vor.

[10] 2.1 Auch mit den Ausführungen zur Rückübereignung eines 40%igen Anteils an den verkauften Liegenschaften an den Kläger zeigt dieser in der außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[11] 2.2 Das Erstgericht hat den Inhalt der dazu getroffenen Vereinbarung (ebenfalls) vom 14. 3. 2017 festgestellt und dazu festgehalten, dass die Rückübereignung an den Kläger erst nach Tilgung des vom Beklagten übernommenen Kredits zu erfolgen habe.

[12] Das Berufungsgericht hat sich – entgegen den Ausführungen in der außerordentlichen Revision – sowohl mit der Beweisrüge des Klägers zu diesen Ausführungen des Erstgerichts befasst als auch eine Auslegung dieser Vereinbarung vorgenommen. Das von ihm dazu erzielte Ergebnis, dass die Streitteile die Rückübereignung der erwähnten Liegenschaftsanteile an den Kläger erst nach Tilgung des vom Beklagten übernommenen Kredits und nicht schon nach Zustandekommen der Finanzierung durch den Beklagten (also mit Unterfertigung der Vereinbarung vom 29. 3. 2017), vereinbart hätten, zumal die Bank jede weitere Geschäftsverbindung mit dem Kläger und auch dessen Miteigentum an den – weiterhin zur Kreditbesicherung dienenden – Liegenschaften abgelehnt habe, ist ebenfalls keine Verkennung der Auslegungsgrundsätze. Davon ausgehend ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der vom Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemachte Rücktrittsgrund nicht bestehe und der dazu behauptete Vertragsrücktritt ins Leere gehe, nicht korrekturbedürftig. Auch dazu liegen keine sekundären Feststellungsmängel vor.

[13] 3. Auf die weiteren in der außerordentlichen Revision bloß erwähnten Themen (Irreführung und Schadenersatz) geht der Kläger inhaltlich nicht weiter ein.

[14] 4. Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

[15] Für die nicht freigestellte und daher zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendige Revisionsbeantwortung des Beklagten gebührt kein Kostenersatz (§ 508a Abs 2 Satz 2 ZPO).

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