OGH 3Ob68/22d

OGH3Ob68/22d19.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen S*, geboren am * 2012, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter B*, vertreten durch Mag. Maximilian Cabjolsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Februar 2022, GZ 43 R 477/21x‑106, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00068.22D.0519.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der gerügte Mangel des Rekursverfahrens wurde geprüft; er liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[2] 2.1. Während die Entziehung oder Einschränkung elterlicher Rechte und Pflichten nur als äußerste Notmaßnahme gerechtfertigt werden kann und das Gericht nur einzuschreiten hat, wenn ihm Missbrauch oder Vernachlässigung der Erziehung angezeigt oder amtlich bekannt wird und eine konkrete ernste Gefahr für die Entwicklung des Kindes besteht (vgl RS0048699), ist dann, wenn eine Einschränkung der elterlichen Rechte und Pflichten bereits stattfinden musste, bei einem Antrag auf Rückführung des Kindes in Pflege und Erziehung der leiblichen Eltern ein anderer Maßstab anzulegen: Es muss mit großer Wahrscheinlichkeit klargestellt sein, dass nunmehr die ordnungsgemäße Pflege und Erziehung durch den antragstellenden Elternteil, dem schon einmal die Obsorge wegen Gefährdung des Kindeswohls entzogen werden musste, gewährleistet ist und keine Gefahr mehr für das Wohl des Kindes besteht (RS0009676). Dabei ist nicht nur von der aktuellen Situation auszugehen, sondern auch eine Zukunftsprognose anzustellen; ein Obsorgewechsel hat zu unterbleiben, wenn keine sichere Prognose über dessen Einfluss auf das Kind vorliegt (vgl RS0048632). Ob die Voraussetzungen für eine Obsorgeübertragung erfüllt sind, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0115719).

[3] 2.2. Die Vorinstanzen haben die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch auf den vorliegenden Fall angewandt und dabei ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Die Mutter war mit der Anfang Jänner 2017 erfolgten Krisenunterbringung ihres Kindes zunächst einverstanden, hat diese Zustimmung in der Folge zwar widerrufen, aber im Juli 2018 die Obsorgeübertragung an den Kinder‑ und Jugendhilfeträger neuerlich akzeptiert. Der im September 2020 von der Mutter begehrten Rückführung des Kindes und der Rückübertragung der Obsorge steht nach den bindenden Feststellungen entgegen, dass im Zeitpunkt der Krisenunterbringung ihrer Tochter deren Weiterverbleib bei der Mutter dem Kindeswohl widersprochen hätte und derzeit nicht gewährleistet ist, dass keine Gefahr mehr für das Wohl des Kindes besteht.

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