OGH 1Ob86/22m

OGH1Ob86/22m18.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T* Ltd,*, Malta, vertreten durch die BRANDL TALOS Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 17.945,23 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei, gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. März 2022, GZ 11 R 33/22m‑18, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Jänner 2022, GZ 9 Cg 149/21d‑13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00086.22M.0518.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.253,88 EUR (darin enthalten 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte verfügte jedenfalls in dem für dieses Verfahren relevanten Zeitraum über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz. Dennoch bot sie auf ihrer Website auch in Österreich die Teilnahme an verschiedenen Glücksspielen an. Der Kläger nützte dieses Angebot als Verbraucher und ausschließlich von Österreich aus. Bei der Registrierung des Spielerkontos akzeptierte der Kläger unter anderem die damals gültigen AGB der Beklagten. Er spielte Online‑Casinospiele und Poker und verlor im Zeitraum von 23. 12. 2007 bis 23. 5. 2021 insgesamt 17.945,23 EUR.

[2] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der es den Anspruch des Klägers auf Rückzahlung seines Spieleinsatzes für berechtigt erkannte, feststellte, dass eine von der Beklagten erhobene Gegenforderung nicht zu Recht besteht, und diese zur Zahlung des Klagebetrags verurteilte. Die aufgrund des Urteils des EuGH zu C‑64/08 (Engelmann) durch den österreichischen Gesetzgeber vorgenommene Änderung einzelner Bestimmungen des GSpG bedeute nicht, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen gegen das Unionsrecht verstoße. Das angebotene Glücksspiel sei daher gesetzwidrig, weswegen der Kläger berechtigt sei, die ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten zurückzufordern. Die Revision erklärte es für zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob der Betreiber von verbotenen Online‑Pokerspielen, der Einsätze entgegennehme und abzüglich einer Provision an Gewinner auszahle, aus dem Rechtsgrund der ungerechtfertigten Bereicherung passiv legitimiert sei.

[3] Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), nicht zulässig. Das ist kurz zu begründen:

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage entfällt, wenn sie durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RIS‑Justiz RS0112921 [T5]).

[5] 2. Der Oberste Gerichtshof hat in der ebenfalls die hier beklagte Partei betreffenden Entscheidung zu 6 Ob 229/21a vom 2. 2. 2022 klargestellt, dass zwar das in § 21 Abs 1 Z 1 GSpG (bzw § 14 Abs 1 Z 1 GSpG) idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 normierte Sitzerfordernis, nicht aber das Konzessions‑ bzw Monopolsystem an sich unionsrechtswidrig (gewesen) sei. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts betreffend die Rechtslage bis 31. 12. 2010 habe zwar zu einem Wegfall des in § 14 Abs 2 Z 1, § 21 Abs 2 Z 1 GSpG normierten Sitzerfordernisses geführt, die übrigen Voraussetzungen für den Erhalt einer Konzession und das Konzessions‑ bzw Monopolsystem an sich seien aber unberührt geblieben. Dass die Beklagte jemals um eine Konzession angesucht habe, geschweige denn die übrigen in § 14 Abs 2, § 21 Abs 2 GSpG normierten Voraussetzungen erfüllt hätte, behauptet sie auch im vorliegenden Verfahren nicht. In den Entscheidungen zu 6 Ob 229/21a und 6 Ob 207/21s bejahte der Oberste Gerichtshof auch die bereicherungsrechtliche Passivlegitimation der (hier) Beklagten, weil sie die Empfängerin der Leistungen des Klägers war. Auch ein späterer Wegfall eines einmal eingetretenen Nutzens (durch Auszahlung von Gewinnen an Andere) befreie den Bereicherungsschuldner nicht.

[6] 3. In der Entscheidung zu 4 Ob 229/21m, die zum Teil ebenfalls Spielverluste betraf, die im zeitlichen Geltungsbereich des GSpG idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 angefallen waren, schloss sich der 4. Senat dieser Rechtsansicht an und wies eine im Wesentlichen wortgleiche Revision der Beklagten zurück, weil zu den als erheblich angesehenen Rechtsfragen bereits Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs vorlagen. Dass die Feststellungen im vorliegenden Fall nicht wortgleich den Sachverhalten in den durch den Obersten Gerichtshof bereits entschiedenen Fällen entsprechen mögen, kann entgegen der Ansicht der Beklagten in ihrer Revision keine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Wie zu 6 Ob 229/21a steht auch im vorliegenden Fall fest, dass der Kläger auf der Webseite der Beklagten ein Spielerkonto einrichtete, was – ebenso wie ein Spielguthaben – nach den AGB der Beklagten Voraussetzung für seine Teilnahme an den von ihr angebotenen Online‑Glücksspielen war. Über dieses Spielerkonto wurden sämtliche Zahlungsflüsse zwischen dem Kläger und der Beklagten abgewickelt. Ein Unterschied, weil zu 6 Ob 229/21a das Spielerkonto auch als Nutzerkonto bezeichnet wird, ist nicht zu erkennen. Die Beklagte kann damit nicht schlüssig darlegen, aus welchen tatsächlichen Gründen die Frage ihrer bereicherungsrechtlichen Passivlegitimation anders zu beurteilen wäre.

[7] 4. Das Urteil des Berufungsgerichts steht mit den in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den als erheblich erachteten Rechtsfragen nunmehr vertretenen Grundsätzen in Einklang. Fragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO kann die Beklagte mit ihren Revisionsausführungen nicht aufzeigen.

[8] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht.

[9] 6. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel der Beklagten nicht zulässig ist. Er hat damit gemäß §§ 41, 50 ZPO Anspruch auf Ersatz seiner darauf entfallenden Kosten.

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