OGH 15Os149/21g

OGH15Os149/21g27.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. April 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des OKontr. Bodinger als Schriftführer in der Straf- und Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers MMag. * S* gegen * Sc* wegen § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung sowie die M* GmbH und die o* GmbH wegen § 6 Abs 1 MedienG, AZ 92 Hv 103/19v des Landesgerichtsfür Strafsachen Wien, über den Antrag des * Sc* auf Erneuerung des Verfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00149.21G.0427.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über den Erneuerungsantrag relevant, wurde * Sc* mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. September 2020, GZ 92 Hv 103/19v‑17, von der von MMag. * S* gegen ihn erhobenen Privatanklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen,

er habe als Verfasser der unten genannten, in der periodischen Druckschrift „Ö*“ verbreiteten, auch als App für iPad und Android abrufbaren Artikel, wobei die Artikel vom 7. Oktober und 18. November 2019 auch in der periodischen Druckschrift „o*“ verbreitet wurden,

• vom 5. Oktober 2019 mit dem Titel „Ibiza Krimi: Neue Spur zu SPÖ-Gruppe“,

• vom 6. Oktober 2019 mit dem Titel „Eine rote Spur im Ibiza-Krimi – wie tief steckt ein junger SPÖ-Politiker im Skandal“,

• vom 7. Oktober 2019 mit dem Titel „Ibiza‑Krimi: FPÖ-Chef attackiert jetzt die SPÖ“,

• vom 18. November 2019 mit dem Titel „Das Ibiza-Dossier: Polizei-Insider packt aus“ sowie

• vom 24. November 2019 mit dem Titel „Das Netzwerk der Ibiza-Bande“,

jeweils mit dem Bedeutungsinhalt, MMag. S* sei in die Erstellung bzw Verbreitung des sogenannten „Ibiza-Videos“ involviert gewesen, „das Vergehen der üblen Nachrede gemäß § 111 Abs 1 und 2 StGB und das Vergehen der Kreditschädigung gemäß § 152 StGB begangen“.

[2] Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. September 2021, AZ 18 Bs 89/21a (ON 30 der Hv‑Akten), wurde der gegen den Freispruch erhobenen Berufung des Privatanklägers wegen Schuld Folge gegeben, der Freispruch aufgehoben und insoweit in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass * Sc* schuldig ist, durch die oben genannten Artikel mit dem dort beschriebenen Bedeutungsinhalt

1./ MMag. S* in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise in einem Druckwerk eines unehrenhaften Verhaltens beschuldigt zu haben, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, wobei die Taten auf eine Weise begangen wurden, wodurch die üble Nachrede einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde,

2./ unrichtige Tatsachen behauptet und dadurch den Erwerb oder das berufliche Fortkommen des MMag. * S* gefährdet zu haben.

[3] * Sc* wurde der Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB (1./) und der Kreditschädigung nach § 152 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt und zu einer zur Hälfte bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt.

[4] Nach Wiederholung des Beweisverfahrens (Protokoll über die Berufungsverhandlung, ON 29 der Hv‑Akten) gelangte das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht nämlich zu vom Erstgericht abweichenden Feststellungen hinsichtlich der subjektiven Tatseite des Angeklagten (US 23 f); diese Feststellungen wurden auf US 24 bis 29 begründet.

Rechtliche Beurteilung

[5] Gegen dieses Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht richtet sich der Antrag des Verurteilten * Sc* auf Erneuerung des Verfahrens. Der Erneuerungswerber reklamiert eine „Verletzung der Begründungspflicht nach Art 6 Abs 1 MRK“ in Ansehung der vom Berufungsgericht getroffenen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite.

[6] Bei einem – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag (RIS-Justiz RS0122228), bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 MRK sinngemäß (RIS-Justiz RS0122737 und RS0128394).

[7] Da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substanziiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 13 Rz 16), hat auch ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359) und – soweit er auf Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu wecken vermag – seine Argumentation auf der Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS-Justiz RS0125393 [T1]). Eine Verletzung der Begründungspflicht liegt aus dem Blickwinkel des Art 6 Abs 1 MRK nur bei willkürlichen oder grob unvernünftigen Urteils- oder Beschlussannahmen vor. Dies ist dann der Fall, wenn die Begründung eindeutig unzureichend oder offensichtlich widersprüchlich ist oder eindeutig einen Irrtum erkennen lässt (RIS-Justiz RS0129981).

[8] Davon ausgehend erweist sich der vorliegende Erneuerungsantrag als offenbar unbegründet (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

[9] Der Erneuerungswerber greift nämlich bloß einzelne – in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils für die Bejahung der subjektiven Tatseite angeführte – Begründungselemente isoliert heraus (vgl demgegenüber US 28 betreffend eine vernetzte Betrachtung der Beweisergebnisse durch das Oberlandesgericht) und betont seine in subjektiver Hinsicht leugnende Verantwortung. Damit verkennt er, dass die Behandlung eines Erneuerungsantrags nicht die Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung nach Art einer zusätzlichen Beschwerde- oder Berufungsinstanz bedeutet. Sie beschränkt sich – wie dargestellt – auf die Prüfung der reklamierten Verletzung eines Rechts nach der MRK oder einem ihrer Zusatzprotokolle (RIS-Justiz RS0129606 [T2, T3]).

[10] Der Erneuerungsantrag war daher als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

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