OGH 14Os1/22m

OGH14Os1/22m26.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. April 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wagner in der Strafsache gegen DDr. * T* und andere Beschuldigte sowie belangte Verbände wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 333 HR 151/19d des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der E* GmbH auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00001.22M.0426.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption führt zu AZ 62 St 1/19x gegen DDr. * T* und andere Beschuldigte sowie belangte Verbände ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts dem Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB und weiteren strafbaren Handlungen subsumierter Taten. In diesem fand am 27. Juni 2019 (unter anderem) eine Durchsuchung der Geschäftsräume der P* GmbH in * statt, bei der ein externer Datenspeicher mit vier Festplatten („NAS-System“) sichergestellt wurde, welcher ein Back-up sämtlicher elektronischer Aktivitäten eines Zeitraums von mehreren Jahren der Rechtsanwaltskanzlei E* GmbH beinhalten soll (vgl ON 363 S 7, 11, 31 ff, 73 ff).

[2] Mit Beschluss vom 11. März 2021 (ON 1250) wies das Landesgericht für Strafsachen Wien den am 10. Dezember 2019 gestellten Antrag der E* GmbH auf Ausfolgung des genannten Datenspeichers (ON 709) ab und beschlagnahmte diesen gemäß § 115 Abs 1 Z 1 StPO. Einer dagegen erhobenen Beschwerde der genannten Gesellschaft (ON 1291) gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 10. November 2021, AZ 21 Bs 117/21s, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

[3] Unter Hinweis auf den zuletzt genannten Beschluss und Behauptung einer Verletzung der Art 6 und Art 8 MRK beantragt die E* GmbH – nicht auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützt – die Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO.

[4] Grundlage eines Erneuerungsantrags im (wie hier) erweiterten Anwendungsbereich (vgl RIS‑Justiz RS0122228) ist eine als grundrechtswidrig bezeichnete (letztinstanzliche) Entscheidung oder Verfügung eines dem Obersten Gerichtshof untergeordneten Strafgerichts (vgl dazu Rebisant, WK‑StPO §§ 363a–363c Rz 34 ff). Der Antrag hat – weil die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 13 Rz 16; zur sinngemäßen Geltung aller gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen vgl RIS‑Justiz RS0122737) – eine Grundrechtsverletzung deutlich und bestimmt darzulegen (RIS‑Justiz RS0122737 [T17]) und sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0124359).

[5] Die Behandlung eines Erneuerungsantrags bedeutet daher nicht die Überprüfung einergerichtlichen Entscheidung oder Verfügung nach Art einer zusätzlichen Beschwerde- oder Berufungsinstanz, sondern beschränkt sich auf die Prüfung der reklamierten Verletzung eines Rechts nach der MRK oder einem ihrer Zusatzprotokolle (vgl RIS‑Justiz RS0129606 [T2, T3], RS0132365). Ebenso wenig eröffnet ein Antrag auf Verfahrenserneuerung die Möglichkeit, allgemein das Vorgehen von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gerichten in einer bestimmten Strafsache einer höchstgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (vgl zuletzt 14 Os 31/21x, 14 Os 68/21p, 14 Os 78/21h, 79/21f).

[6] Im gegenständlichen Fall nimmt der (weitgehend das im Beschwerdeverfahren AZ 21 Bs 117/21s des Oberlandesgerichts Wien erstattete Vorbringen wiederholende) Erneuerungsantrag die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 10. November 2021 im Wesentlichen lediglich zum Anlass, neuerlich (vgl dazu schon 14 Os 68/21p) die bei der P* GmbH erfolgte Sicherstellung des externen Datenspeichers beim Höchstgericht zu bekämpfen. Diese ist aber ebenso wenig Gegenstand des vorliegenden Erneuerungsverfahrens wie das – von der Antragstellerin ebenfalls angesprochene –  Widerspruchsverfahren (§ 112 StPO) betreffend den genannten Datenträger.

[7] Soweit der Erneuerungsantrag die Beschlagnahme überhaupt erwähnt, wird lediglich auf die Entscheidung der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien Bezug genommen und ein unverhältnismäßiges und nicht zweckmäßiges Handeln „der einschreitenden Beamten“ im Zuge der Durchsuchungen bei der P* GmbH und der E* GmbH behauptet.

[8] Da die Erneuerungswerberin nicht einmal den Versuch unternimmt, auf Basis der Entscheidung des Oberlandesgerichts eine Grundrechtsverletzung im Verfahren über die Beschlagnahme des gegenständlichenDatenspeichers aufzuzeigen, bloß allgemeine Ausführungen zum Berufsgeheimnisschutz der StPO sowie zur Judikatur des EGMR erstattet, und im Übrigen amtswegiges Vorgehen des Obersten Gerichtshofs im Erneuerungsverfahren von vornherein nicht in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0128393 [T2]), war der solcherart unzulässige Antrag bereits bei der nichtöffentlichen Beratung in sinngemäßer Anwendung des Art 35 Abs 3 MRK zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO).

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